Schmallenberg. Vincenzo und Rita Iuliucci kamen vor 36 Jahren aus Italien nach Schmallenberg. Was sie hier hält und was sie dort zurückließen.

Vincenzo und Rita Iuliucci kennen viele Schmallenberger. Das Paar betrieb bis vor sechs Jahren die Pizzeria Capri. Seit 2018 unterstützt es seine Kinder Maria und Raffaele im Bacio und zu Hause. „Als Familie schaffen wir mehr.“

Wurzeln in der Nähe von Neapel

Vincenzo Iuliucci (65) stammt aus einer Familie, in der das Arbeiten als Selbständiger Tradition hat. „Meine Großeltern hatten eine Metzgerei, mein Vater betrieb einen Viehhandel.“ Als junger Mann machte eine Kochausbildung in Sorrent bei Neapel, arbeitete am Lago Maggiore und in Mailand. Er kam zurück in sein Heimatdorf Durazzano bei Neapel, weil sein Vater schwer erkrankte und schließlich verstarb. Auch seine Frau Rita (63) war dort selbständig. Sie fertigte Pullover für Firmen in der Textilindustrie. „Zehn Frauen waren bei mir angestellt.“

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Vincenzo und Rita Iuliucci helfen heute im Restaurant ihrer Kinder. © Funke Medien NRW | Ute Tolksdorf

Von Willingen nach Schmallenberg

Zurück in seinem Heimatdorf betrieb Vincenzo kurze Zeit einen kleinen Pub und unterstützte seine Frau in der Maschinenstrickerei, als er von einem Freund hörte, dass dieser in Willingen einen Chefkoch suchte. „Mein Mann wollte einfach Koch sein“, erzählt Rita Iuliucci mit einem Lächeln. Damals - mit drei kleinen Kindern - hatte sie ihren Betrieb schon aufgegeben, 1987 kam der Mann von Neapel im Sauerland an. Erst allein. Nach nur einem Monat wechselte er nach Schmallenberg, wo Giuseppe Cono eine Eisdiele und die Pizzeria Capri betrieb und ebenfalls einen Koch suchte.

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Vincenzo Iuliucci bei seiner ersten Stelle in Schmallenberg - in der Pizzeria Capri, die er später selbst übernahm. © Funke Medien NRW | Privat

Reise ins Ungewisse

Rita Iuliucci kam mit Raffaele, Maria und Orlando 1988 nach. Eine Reise ins Ungewisse sei das gewesen, sagt sie und lacht. Denn Deutsch sprechen konnte sie damals noch nicht. Aber es gab eine große italienische Gemeinde in Schmallenberg, die italienische Gastgemeinschaft, IGAS, die sich gegenseitig unterstützte und die auch einen eigenen Fußballverein hatte. Die Kinder gewöhnten sich schnell ein. Maria feierte in Deutschland ihren ersten Geburtstag, ihre beiden Brüder waren nur jeweils ein Jahr älter. Sie lernten die fremde Sprache spielerisch im Kindergarten.

„Falke bot gute Verträge damals, aber das hätte ich mit drei kleinen Kindern und ohne Familienunterstützung nicht geschafft.“

Rita Iuliucci
Kam 1988 aus Italen nach Schmallenberg

Auch Rita Iuliucci begann wieder zu arbeiten, in der Eisdiele von Giuseppe Cono. „Immer stundenweise, wenn mein Mann Pause hatte oder die Kinder im Kindergarten waren.“ Natürlich hätte sie auch bei Falke arbeiten können, „die boten gute Verträge damals, aber das hätte ich mit drei kleinen Kindern und ohne Familienunterstützung nicht geschafft.“

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Familie Iuliucci bei einem gemeinsamen Ausflug. © Funke Medien NRW | Privat

Das erste eigene Restaurant

1991 verließ die Familie Iuliucci Schmallenberg, um in Elspe ein eigenes Lokal zu eröffnen, die Pizzeria „La Perla“. Doch der Kontakt nach Schmallenberg, in den Ort und zu den Menschen, brach nie ab. Auch die Leidenschaft, selbständig zu sein, blieb - bis auf ein Mal: „2005 wurde das meinem Mann alles zu viel. Er beschloss ,La Perla‘ aufzugeben und in der Industrie zu arbeiten“, erinnert sich seine Frau. Drei Wochen hielt es der Gastronom durch und kehrte reumütig an den eigenen Herd zurück.

„Als Selbstständiger bin ich selbst dafür verantwortlich, was ich schaffe. Ich arbeite für mich selbst“, erklärt er. Seinen Kindern allerdings ließ er die freie Wahl. Dass Maria und Raffaele heute ebenfalls in der Gastronomie arbeiten, sei deren freie Entscheidung gewesen. Eine Entscheidung, die reifen musste. Raffaele hatte noch als junger Mann und ausgebildeter Maschinenbautechniker erklärt, er mache das auf keinen Fall. „Ich will auch mal ein Wochenende freihaben.“ Es kam anders.

Raffaele und seine Schwester Maria-Luana Iuliucci entschieden sich freiwillig für die Gastronomie.
Raffaele und seine Schwester Maria-Luana Iuliucci entschieden sich freiwillig für die Gastronomie. © Privat | Privat

Pizzeria in Schmallenberg

Die Iuliuccis kehrten 2009 zurück nach Schmallenberg, weil sie hier die Pizzeria Capri kaufen konnten. Schmallenberg sei ein idyllischerer Ort als Elspe, sagen sie und hier gab und gibt es viele Freunde. Neun Jahre später verkauften sie die „Pizzeria Capri“ wieder und Vincenzo Iuliuccci arbeitet seitdem mit im Bacio, im Einkauf und in der Küche, eher im Hintergrund. „Als Familie können wir uns 100-prozentig aufeinander verlassen“, schwärmt er.

Stütze im Alter

„Schmallenberg ist meine Heimat“, betont auch Rita Iuliucci . „Hier sind meine Kinder und Enkelkinder.“ Ein Sohn lebt mit seiner Familie in Hamburg. Die drei Schmallenberger Familien wohnen gemeinsam in einem Haus in der Oststraße. Die Oma passt auf die vier Enkelkinder auf. Und sie weiß, wenn sie alt und gebrechlich wird und die Hilfe ihrer Kinder braucht, werden sie auch für sie da sein. „Das ist bei uns so.“

Während ihr Mann sich oft noch sehnsüchtig ins alte Heimatdorf träumt, „zumindest als Rentner den Sommer über“, weiß sie: „10 Tage zu Hause in Italien sind wunderschön, aber 14 Tage schon zu lange.“ Bald geht es aber wieder für einen Kurzurlaub nach Durazzano. „Unsere Nichte eröffnet dort ein Restaurant. Wir fliegen zur Eröffnung“, berichten sie stolz. Selbständigkeit in der Gastronomie - eine Familiensache bei den Iuliuccis.

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HINTERGRUND

Wie viele italienische Staatsbürger leben heute in Schmallenberg?

Auch wenn es vor Jahrzehnten eine aktivere italienische Gemeinde in Schmallenberg gab, ist aktuell die Zahl der Menschen mit italienischem Pass deutlich höher als damals.
So lebten laut Auskunft der Stadtverwaltung zum Stichtag 15. Juli 1984 70 Italiener in Schmallenberg. Davon waren 18 unter 16 Jahren. 2004 waren es 112 Menschen, davon 18 Kinder und Jugendliche unter 16.

Zum Stichtag 15. Juli 2024 hat sich die Zahl aus den 80er-Jahren verdoppelt. Heute leben in Schmallenberg 148 Menschen mit einem italienischen Pass, davon sind sechs unter 16 Jahren alt.

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