Berge. Vom Bäckermeister zum Brotsommelier: Michel Franzes setzt auf Qualität und Tradition im Bäckerhandwerk. Er weiß, wie der perfekte Teig gelingt.
Seit wenigen Wochen darf sich Bäckermeister Michel Franzes (26) aus Berge offiziell Brotsommelier nennen. Dafür absolvierte er in den vergangenen elf Monaten Lehrgänge, bestand zum Beispiel sensorische Tests, lernte viel über die Geschichte des Brots und die Aromenvielfalt der verschiedenen Brotsorten. Schließlich entwickelte er für seine Facharbeit Unterrichtsstunden über das Brotbacken.
Spannung in Brötchenteig
„Ich bin der Michel“, stellt sich der 26-Jährige den Jugendlichen im Hauswirtschaftskurs an der Konrad-Adenauer-Hauptschule in Freienohl vor. Das Thema heute lautet „Käsebrötchen“. Emilies Teig ist schon fertig. Michel Franzes zeigt ihr nun die richtige Knettechnik, um Spannung im Hefeteig zu erzeugen. Drücken, ziehen, führen. Nach ein paar Versuchen hat die 16-Jährige den Dreh raus und freut sich über das positive Feedback des Bäckers.
Franzes war mit seinem Backkurs bisher an den Hauptschulen in Freienohl und Eslohe. Er schaffte dafür sogar Teigknetmaschinen an und möchte den Unterricht auch in künftigen Schuljahren anbieten. Das Interesse sei nämlich sehr groß gewesen, ein Esloher Schüler will nach dem Unterricht sogar eine Bäckereiausbildung starten.
Nahversorger, kein Luxus-Geschäft
„Im ländlichen Bereich sind wir Nahversorger und Treffpunkt, das wollen wir auch bleiben. Die Menschen kaufen bei uns ihr tägliches Brot. Das sieht in den Städten schon ganz anders aus“, erklärt Michel Franzes die künftigen Herausforderungen in seinem Handwerk. Brot werde häufiger im Supermarkt gekauft und der Bäckereibesuch unter Genuss und sich etwas Gönnen verbucht.
Roggenmischbrot nach altem Rezept
Auch deshalb habe Michel Franzes seinen Brotsommelier gemacht. Nicht, um das Brot neu zu erfinden, denn das Bäckerhandwerk hat naturgemäß viel mit Tradition zu tun. Das Rezept für das Roggenmischbrot ist zum Beispiel seit 100 Jahren unverändert. Franzes‘ Ziel ist es, die Kunden weiter für Qualität zu begeistern und ihnen die Aromen im Brotsorten noch besser beschreiben zu können. Künftig plant er „Food Pairing“-Abende, erst für seine Mitarbeiter, dann auch für Kunden. Dort wird er Kombinationen empfehlen, die die Geschmacksnuancen im Brot besonders hervorheben. Zum Beispiel mit Wein, Käse oder Schinken.
45 Cent für das Brötchen
Qualität hat jedoch ihren Preis und der entscheidet, ob Kunden beim Discounter zugreifen. Auch die heimischen Bäcker spüren das veränderte Konsumverhalten. „Bei 45 Cent für das Brötchen ist Feierabend“, sagt Michel Franzes. Teurer dürfen Brötchen nicht werden. Beim Doppelback liege die Grenze bei 3,70 Euro pro Kilogramm. In den vergangenen fünf Jahren hat die Bäckerei Franzes zweimal die Preise erhöht, weil die Kosten für Rohstoffe, Energie und Personalkosten stiegen „Nur zweimal“, wie Franzes betont. „Wir können und wollen nicht alles an die Kunden weitergeben.“ Der wichtigste Punkt, um die Preise stabil zu halten, sei die Backstube effektiv auszulasten und das Sortiment immer im Blick zu halten und anzupassen, wenn Absatz und Aufwand nicht zusammenpassen. „So schauen wir bei den Feinbackwaren genauer hin.“
Backstube mit Altersdurchschnitt 25 Jahre
Am Personal wolle er nicht sparen, sagt er. „Vergütung und Arbeitszeiten wollen wir weiter attraktiv halten, denn ohne unsere Mitarbeiter geht hier gar nichts.“ Familie Franzes hat im Unternehmen ein modernes Arbeitsumfeld geschaffen. In der Backstube arbeiten 16 Menschen, der Altersdurchschnitt liegt bei 25 Jahren. Flache Hierarchien, viel Eigenverantwortung, gute Bezahlung, zwei Schichten. „Es müssen also nicht alle nachts arbeiten“, begegnet er einem gängigen Klischee in seinem Beruf.
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Verteufelung des Weizens
Zurück zum Unterricht in der Hauptschule. Mit den Schülerinnen und Schülern entwickelte Michel Franzes Rezepte für Grillbrote mit Paprika und Oliven, die die Jugendlichen nach dem Backen mit nach Hause nehmen konnten und nun unter dem Namen „Grillmeister Duo“ in den Filialen verkauft werden.
Grillbrote selbst entwickelt
Vorab hatte der Bäckermeister in der Klasse abgefragt, welches Brot die Jugendlichen am liebsten essen. Die Mehrheit bevorzugte weiches, helles Brot, also Weißbrot mit hohem Weizenanteil. In seinen Rezepten ging der Bäckermeister darauf ein, allerdings mit den Tricks des Bäckermeisters: „Weizen wird zu Unrecht verteufelt und als ungesund deklariert“, erklärt Franzes. „Es kommt wie immer auf die Verarbeitung an.“ Die wichtigste Zutat im Bäckerhandwerk ist Zeit. „Je länger ein Teig arbeiten kann, desto bekömmlicher wird er. Auch das unterscheidet uns vom Brot aus dem Supermarkt.“
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