Heggen. Bei Meschede sollen drei Riesen-Windräder entstehen. Den unmittelbar Betroffenen in den Dörfern daneben macht das Angst.

Anderswo, in größeren Ortschaften gründen sich Bürgerinitiativen, wenn sie Windräder verhindern wollen. Dafür sind Heggen und Löttmaringhausen viel zu klein. Genau oberhalb soll eines der Windräder für den neuen Windpark Remblinghausen mit drei 245,5 Meter großen Anlagen entstehen. Die Menschen in den kleinen Mescheder Ortsteilen werden jetzt selbst zu Experten in Sachen Windenergie – und entdecken viele Probleme. Josef Kersting, Monika Kersting und Dirk Röttger schildern ihre Erfahrungen.

Werden die Windräder hier in Heggen und Löttmaringhausen komplett abgelehnt?

Josef Kersting: Nach unserer Einschätzung: Außer vom Flächeneigentümer, ja! Es wurde in keinster Weise im Dorf mitgeteilt, dass dort etwas geplant ist. Das kam erst nach und nach heraus. Wir hoffen, das Windrad bei Heggen noch verhindern zu können: Das hätte eine Entfernung von 710 Metern zu Heggen und 870 Metern bis Löttmaringhausen. Das ist zu nah – wenn die 1000-Meter-Abstandsregelung für Windräder weiter Bestand haben wird. Dann würden noch zwei Windräder auf der anderen Landstraßenseite zwischen Köpperkopf und Vellinghausen übrigbleiben.

Macht ein so kleiner Windpark für Sie dann Sinn?

Dirk Röttger: Nach unserer Einschätzung nicht. Ein Jahr lang wurden hier Windmessungen gemacht. Der Betreiber hat uns auch bestätigt, dass es sich hier nur um einen Schwachwindstandort handelt – wie es auch die Stadt Meschede festgestellt hat. Aktuell lohnen sich offenbar auch Windräder an schwachen Standorten, weil der Strompreis an der Börse hoch ist. Aber der Wind an der Börse kann sich ja auch wieder drehen, um im Bild zu bleiben.

So selten drehen sich die Windräder dann

Welche Befürchtungen haben Sie?

Monika Kersting: Die Frage ist, ob die Abschaltzeiten, wann die Windräder nicht laufen dürfen und die in den Unterlagen stehen, auch Bestand haben werden.

Diese Simulation aus Löttmaringhausen zeigt eines der geplanten Windräder - es würde oberhalb vom Mescheder Ortsteil Heggen liegen.
Diese Simulation aus Löttmaringhausen zeigt eines der geplanten Windräder - es würde oberhalb vom Mescheder Ortsteil Heggen liegen. © Altus AG

Die drei Windräder dürfen nach bisheriger Planung aufgrund des im Gutachten festgestellten hohen Rotmilanvorkommens vom 20. Februar bis zum 20. August vom Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang nicht laufen, dann auch nicht in der Zeit von August bis Anfang Oktober zu bestimmten Zeiten, wenn der Rotmilan zu seinen Schlafplätzen zurückkehrt und dann noch in gewissen Zeiten nicht, wenn die Fledermäuse aktiv werden.

Dazu kommen bestimmte Stillstandszeiten, wenn auf den Wiesen darunter bewirtschaftet wird: Denn dann werden dort die Mäuse aktiv, und das lockt wiederum Rotmilane und Bussarde an. Bei Schattenwurf dürfen sie sich auch nicht drehen: Wenn das Windrad länger als 30 Minuten Schatten wirft, wird es auch abgestellt. Wenn Eis am Windrad erkannt wird, dann wird es auch abgestellt. Das ist doch alles schon Wahnsinn und zeigt, wie selten sich die Räder drehen werden.

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Die Stadt soll mitverdienen an den Windrädern. Spräche das nicht dafür, sie zu bauen?

Josef Kersting: 0,2 Cent pro Kilowattstunde werden vom Anlagenbetreiber gemäß EEG als Mindestentgelt an die Stadt Meschede gezahlt. Bei den drei Anlagen wären das rund 70.000 Euro im Jahr. Die bekommt der Anlagenbetreiber am Ende eines Jahres aber vom Netzbetreiber erstattet – das Geld zahlen also wir alle als normale Stromkunden.

„Warum nicht auf Kahlflächen bauen?“

Der Ukraine-Krieg und die steigenden Energiepreise machen es aktuell noch schwieriger, gegen Windräder zu argumentieren, oder?

Josef Kersting: Das kommt noch dazu, ja. Durch die schon gestiegenen Energiekosten werden viele nicht in der Lage sein, die zu bezahlen. Da macht es aber aus meiner Sicht keinen Sinn, an Standorten wie hier zu investieren, die unwirtschaftlich sind. Dadurch steigt der Strompreis für den Normalverbraucher nur weiter an. Es gibt genügend Standorte mit mittlerer und hoher Windhöffigkeit, also mit viel Wind. Die könnte man erst nutzen.

Es müssen die wirtschaftlichsten Standorte genommen werden. Warum nicht die Kahlflächen zwischen Meschede und Warstein, wo momentan keine Bäume stehen, wo niemand wohnt, wo immer Wind weht und wo es eine Erschließung gibt? Dort wären auch die Kommunen die Flächeneigentümer und bekämen das Geld. Aber solche geplanten Standorte wie hier müssen weg: Die kosten uns alle Geld und verbessern nicht das Klima.

Spaltet solch ein Projekt auch die Dorfgemeinschaft?

Josef Kersting: Ja, die hat sich erledigt – egal, wie es ausgeht. Es ist die Verpächterseite gegen den Rest. 2015 ist der Vertrag unterschrieben worden: Sieben Jahre war dann Zeit, um das mit der Dorfgemeinschaft zu kommunizieren. 2019 wurde das Projekt schon im Stadtrat vorgestellt. Aber uns sagte der Eigentümer zuletzt noch, er wisse von nichts.


Dirk Röttger: In den letzten Wochen wurden Wege beschnitten. Normalerweise schneidet hier jeder an seinen Flächen die Wege frei. Hier wurden plötzlich auch auf meiner Seite die Wege freigemacht. Später erfuhren wir dann, dass die Bäume wegen der Zuwegung zu den Windrädern verschwinden müssten. So viel zur Kommunikation.

„Zeitlebens werden wir das hören“

Kommt der Anlagenbetreiber Ihnen entgegen?

Dirk Röttger: Ein Öffentlichkeitstermin, um den Einwohnern von Heggen und Löttmaringhausen das Projekt vorzustellen, ist erst auf unseren Einwand beim Erörterungstermin hin entstanden. Da hatte ich mich beschwert, dass andere Anlagenbetreiber im Vorfeld, bevor ein Bauantrag eingereicht wird, schon informieren – hier aber gar nichts passierte. Wir haben auch um Visualisierungen gebeten, wie die Windräder aussehen werden. Die sollten wir zeitnah bekommen. Der Erörterungstermin war am 25. Januar. Gezeigt wurden sie erst am 17. März, mit der Begründung, es sei immer schlechtes Wetter gewesen.

Die Visualisierungen sind jetzt so, dass von den drei Flügeln immer einer hinter dem Mast verschwindet. Wenn der dritte aber versteckt ist, haben die anderen natürlich eine deutlich geringere Höhe. Das genaue Ausmaß ist also nicht zu sehen.

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Was macht hier am meisten Angst?

Monika Kersting: Das Ausmaß der Windräder und der Schall. Weil wir genau in der Haupt-Windrichtung liegen: 70 bis 80 Prozent der Windströme kommen aus Südwest, das ganze Dorf liegt genau in Nordost. 45 Dezibel dürfte es laut sein. Aber es existiert ja noch kein Exemplar dieses Windrades: Wie wird es denn in Wirklichkeit sein? Und der Schall wird laut Prognose auch bis nach Meschede reichen – dort wird man ihn vermutlich nicht so viel hören, weil es dort lauter ist. Aber in Heggen ist es normalerweise sehr leise, wenn nicht gerade ein Trecker fährt. Zeitlebens werden wir das hören.

Worauf richten sich Ihre Hoffnungen?

Josef Kersting: Wir hoffen, dass noch mehr wach werden und zur Kenntnis nehmen, was da kommen wird. In Meschede und Umgebung muss jeder wissen, was für Dimensionen beantragt sind. Das kann sich niemand vorstellen, wie groß diese Windräder werden! Am Vogelsang, dem 595 Meter hohen Hausberg bei Meschede, werden die Ausmaße dieser Anlagen überdeutlich. Die Anlagen sind noch bis ca. 50 Meter höher und eine geplante Anlage steht direkt vor den Toren Meschedes.

>>> HINTERGRUND <<<

Die geplanten Standorte liegen auf beiden Seiten am Hang an der Landstraße nach Remblinghausen: Zwei westlich zwischen Köpperkopf und Vellinghausen, einer östlich nach Heggen hin, unterhalb der kleinen Siedlung Kehren. Gegründet wurde dafür die „Windpark Remblinghausen GmbH“.

Die Gesellschaft ist Teil der „EMG EnergieManagement Verwaltungsgesellschaft“ in Karlsruhe. Unter ihrer Adresse firmiert auch die Altus AG: Sie ist Projektentwickler für Windkraftanlagen und eine Tochter der Kraftwerke Mainz-Wiesbaden AG.