Meschede. Die Geschäftsführung von Martinrea-Honsel setzt Beschäftigte in Meschede unter Druck. Die IG Metall reagiert.

Für die Beschäftigten bei Martinrea-Honsel in Meschede ist die Frage weiter offen, wie lange sie künftig arbeiten müssen. Am 31. Januar läuft der Tarifvertrag aus, in dem sie sich seit 2017 zu fünf Stunden an unbezahlter Mehrarbeit pro Woche verpflichtet haben. Die Geschäftsführung will erst einmal eine Fortsetzung dieser Regelung. Die IG Metall dämpft dagegen Erwartungen.

Blick auf das Werk von Martinrea Honsel in Meschede.
Blick auf das Werk von Martinrea Honsel in Meschede. © www.blossey.eu | Hans Blossey

Im Unternehmen hängt ein Schreiben der Geschäftsführung an alle Mitarbeiter zur Information aus: Man habe Kontakt zur IG Metall aufgenommen, um eine Übergangslösung zu besprechen – die sei „zwingend erforderlich“: „Covid-19, der Chipmangel, rasant gestiegene Material- und Energiekosten und weitere weltwirtschaftliche Einflussfaktoren bedrohen unsere Arbeitsplätze mehr als zuvor.“

Situation prüfen

Allerdings: Vereinbart zwischen beiden Seiten ist, dass externe Berater von Sustain Consult für die Gewerkschaft die wirtschaftliche Situation des Unternehmens prüfen, bevor überhaupt Verhandlungen über einen neuen Vertrag aufgenommen werden. Diese Analyse liegt aber noch nicht vor. Erst im Februar wird damit gerechnet, dann will die IG Metall diese auch ihren Mitgliedern vorstellen – und danach werden sie befragt, ob die Gewerkschaft einen Verhandlungsauftrag für einen neuen Tarifvertrag erhält.

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Carmen Schwarz, Erste Bevollmächtigte der IG Metall, bestätigt die Anfrage der Arbeitgeber. Wenn der bisherige abweichende Vertrag am 31. Januar ausläuft, würde ab 1. Februar die 35-Stunden-Woche wieder gelten, wie im Flächentarifvertrag vorgesehen. Martinrea-Honsel will deswegen eine Überbrückung mit weiterlaufender 40-Stunden-Woche, bis zum Abschluss eines neuen Vertrages. Aber ist das gewollt bei den Beschäftigten? „Wir setzen auf völlige Transparenz und auf Beteiligung“, so Carmen Schwarz. Deshalb läuft bei den Gewerkschaftsmitgliedern im Unternehmen eine Abstimmung, ob sie einer Übergangsregelung zustimmen – oder nicht: „Das ist aufgebaut wie bei einer Betriebsratswahl mit Stimmzettel, persönlicher Erklärung, zwei Umschlägen.“

Die Geschäftsführung schreibt in ihrem Infoblatt, die Gewerkschaft habe keine Hintergrundinformationen zur Notwendigkeit einer Übergangslösung gegeben. Und: „Es wird auch vergessen zu erwähnen, dass der aktuelle Änderungstarif dafür gesorgt hat, unsere Arbeitsplätze in Meschede zu erhalten. Eine Abstimmung der IG-Metall-Mitglieder gegen eine Übergangslösung würde uns unmittelbar in massive finanzielle Schwierigkeiten versetzen.“

Druck auf Beschäftigte?

Carmen Schwarz nennt das Schreiben „taktisch unklug“: „Die Leute finden es nicht gerade hilfreich in dem Abstimmungsprozess, in dem wir uns gerade befinden. Ob man sich einen Gefallen damit tut, die Leute unter Druck zu setzen?“ Denn man könne die tatsächliche wirtschaftliche Lage ja eben noch gar nicht beurteilen. Bei mehreren Begehungen habe die IG Metall vor Ort in Druckguss, Kokille und Walzwerk, auch in der Nachtschicht, mit den Beschäftigten gesprochen. Die Tendenz dabei: „Die möchten alle die 40-Stunden-Woche ad acta legen. Danach sehnen sich die Leute einfach. Das verstehe ich sehr gut.“ Eine zusätzliche Belastung sei gewesen, durch das Schichtsystem die zusätzliche Schicht samstags erbringen zu müssen.

Geschäftsführerin der IG Metall in  Arnsberg: Carmen Schwarz.
Geschäftsführerin der IG Metall in Arnsberg: Carmen Schwarz. © Ted Jones/WP | Ted Jones

Klar sei, so die Gewerkschafterin: „Das es sich auf die Kostenseite auswirkt, wenn ich fünf Stunden nicht mehr umsonst bekomme, sondern die bezahlen muss, ist völlig klar.“ Ziel des Unternehmens sei, die 40-Stunden-Woche auch künftig fortzuführen, „am liebsten ohne Entgeltausgleich“. Alternativ solle auf tarifliche Leistungen wie das Urlaubs- oder Weihnachtsgeld verzichtet werden.

Carmen Schwarz sieht dahinter den Druck der Unternehmenszentrale in Kanada: „Die schauen sich von dort die Standorte an und blicken betriebswirtschaftlich auf die Zahlen, Daten, Fakten. Dann schauen sie, wo investiert werden muss. Und ein Arbeitnehmerbeitrag an einem Standort ist natürlich ein Argument, um überhaupt zu investieren. Das ist Fakt.“

Name des Vertrags

Entgegen gekommen ist Martinrea-Honsel der Gewerkschaft bislang nur beim Namen – der künftige Vertrag soll „Zukunftstarifvertrag“ heißen. Das war auch in der letzten Tarifrunde der Metall- und Elektroindustrie zum Thema gemacht worden, um Digitalisierung, Transformation und veränderte Arbeitsprozesse möglich zu machen: „Ich würde den Inhalt ganz anders füllen, wie Martinrea-Honsel sich das vorstellt: Da muss Zukunft drin sein und nicht nur ein Arbeitnehmerbeitrag.“ Eine Übergangslösung müsste mindestens einen Monat dauern (um die Mitgliederversammlung durchzuführen), könnte sich aber auch bis Mai/Juni hinziehen, falls Schwarz ein Verhandlungsmandat bekommt, in neue Tarifverhandlungen einzusteigen: „Die Frage ist, wie sieht ein Zukunftsvertrag aus? Ist ein Arbeitnehmerbeitrag überhaupt notwendig?“ Dazu fehlen ihr bislang die Fakten.

Wird eine Übergangsregelung abgelehnt und die 35-Stunden-Woche kehrt zurück, könnte die Unternehmensleitung Mehrarbeit beim Betriebsrat beantragen: „Wenn der Betriebsrat zustimmt, käme der Arbeitgeber auf 40 Stunden – dann müssten die natürlich bezahlt und mit Mehrarbeitszuschlägen ausgezahlt werden laut Tarifvertrag.“ Dann, sagt Carmen Schwarz, müsse der Arbeitgeber betriebswirtschaftlich rechnen: Wenn er zusätzliche Kapazitäten brauche, dann könne es immer noch lukrativ genug sein, die Beschäftigten mit Mehrarbeit zu beschäftigen, „bevor ich Aufträge nicht bekomme, in Regress komme oder Nachfolgeaufträge ausbleiben. Das erwarte ich von Arbeitgebern.“