Menden. Daniel Bognar und Adem Ari wagen einen Neustart. Die beiden Tätowierer haben mehr zu bieten als bunte Bildchen: die Kunst steht im Mittelpunkt.
Von Außen ist bis auf eine Papp-Plane noch nicht viel zu sehen; im Inneren aber wirkt es, als könnte es jeden Moment losgehen.„Willst du einen Kaffee?“, fragt Daniel Bognar, als sich die Tür hinter dem Reporter langsam schließt. Was sich hinter dem abgeklebten Schaufenster verbirgt, wird langsam deutlich: das Tattoo-Atelier „Goldenes Händchen“. Was Daniel Bognar und Adem Ari gemeinsam vorhaben - und warum die mitunter bunte Körperkunst das Schmuddel-Image längst abgelegt hat.
Corona mit deutlichen Einschnitten für Tattoo-Branche
Mit dunklen Hinterhof-Studios hat die neue Bleibe der beiden Tattoo-Künstler Daniel Bognar (47) und Adem Ari (29) schon lange nichts mehr zu tun. Statt harter Rocksounds, die aus Boxen an der Wand wummern und abgedunkelter Ecken setzen die beiden Mendener auf bunte Akzente; auf dem kleinen Fernseher in der Lobby laufen Youtube-Clips. Ein bisschen „oldschool“ ist es dann aber doch. An den Wänden prangen bunte Motive der beiden, genauso wie Skateboard-Bretter. Das Highlight ist aber wohl das weiße Motorrad, das die Fensterfront ziert.
Dass die beiden mitten in der Mendener Innenstadt den Neustart wagen, hat einen Grund. „Corona hat uns allen ein Bein gestellt“, sagt Daniel Bognar. Dem 47-Jährigen wie auch seinem Geschäftspartner Adem Ari „fehlte das Studio schon“. Bekanntlich waren körpernahe Dienstleistungen in der Hochphase der Corona-Pandemie zunächst untersagt; im späteren Verlauf dann nur unter strengen Auflagen möglich. „Wir wollen präsent bleiben“, sagt Bognar. Seit 2001 sorgt der Mendener dafür, dass die Wünsche der Kunden so auch unter die Haut kommen. Während er auf den klassischen Service samt Beratung im Laden setzt, kümmert sich Adem Ari um die digitale Sichtbarkeit.
Immer mehr Fließbandarbeit statt Individualität
Längst zählt ein Instagram-Account zum guten Ton unter Tattoo-Künstlern. Kein Wunder, mit ihren Motiven wollen sie zum einen ihr Können zeigen - und zum anderen um Kunden werben. Anfragen, das betont Ari, kommen mittlerweile regelmäßig auch über digitale Kanäle. Allerdings: Immer häufiger ginge es Interessenten nicht nur um die Kunst oder das Können der Tätowierer selbst, sondern darum, möglichst das günstigste Angebot abzugreifen. „Von zehn, die anfragen, kommen vielleicht vier wirklich vorbei“, sagt Ari. Auch der 29-Jährige sieht zunehmend „fast-food-artige“ Zustände. Rein ins Atelier, ein kleines Motiv - und schnell wieder raus. Am besten noch in der Mittagspause.
„Die Fließbandarbeit macht die Branche kaputt.“
„Die Fließbandarbeit macht die Branche kaputt“, sagt Ari. Einige Motive ähneln dem, „was meist bei Pinterest auf der Startseite“ steht, statt eine persönliche Note oder Individualität zu zeigen. „Früher haben wir unsere Nadeln selbst gelötet und viel Freihand gemacht. Heute ist die Qualität viel besser, aber es ist auch unpersönlicher geworden“, fügt Daniel Bognar hinzu. Auf der anderen Seite erreiche man über Instagram und Co. auch Zielgruppen, die sonst nie den Weg in den Laden finden würden. „Die Reichweite ist schon krass. So kommen auch Introvertierte zu uns“, sagt Adem Ari.
Dem allgemeinen Trend wollen die beiden Mendener entgegentreten - und gleichzeitig neue Wege gehen. Statt eines reinen Tattoo-Studios sollen die Räumlichkeiten an der Bahnhofstraße als Atelier dienen, in dem auch Kunstausstellungen denkbar seien. Einige Motive und bunte Bilder zieren nicht umsonst bereits die Wände.
Über den Tattoo-Trend
Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov aus dem Jahr 2021 haben in Deutschland etwa 17 Prozent der Bevölkerung ein oder mehrere Tätowierungen. Besonders beliebt sind die bunten oder schwarz-grauen Motive in der Altersgruppe der 25- bis 34-Jährigen. „Tattoos stellen keinen neuen Trend dar – schon vor Jahrtausenden kannten Menschen in der Steinzeit, die alten Ägypter oder die neuseeländischen Ureinwohner Tattoos und setzten diese für weitaus mehr ein als nur optische Verschönerungen, so wie es heutzutage meist der Fall ist“, heißt es dazu vonseiten des Portals statista.de. Allerdings könnten Tätowierungen auch als Ausdruck der Individualität und Persönlichkeit verstanden werden oder für den Träger eine emotionale Bedeutung haben. Gleichwohl, und das machen auch die beiden Mendener Tattoo-Künstler deutlich, muss nicht jedes Bildchen einen persönlichen Hintergrund haben - manche Motive „sehen einfach gut aus“.
Geht es nach den Beiden, soll sich der Neustart nicht nur in der Optik ihres Ateliers widerspiegeln, sondern unter anderem in ihrer Arbeit. „Wir würden gerne mehr Tagessitzungen machen“, sagt Bognar. Größere und umfangreichere Projekte wie durchgeplante „Sleeves“ (ein durchgängig tätowierter Arm) seien das Ziel. „Ich hab‘ mal gelernt: Der Mensch ist wie eine Leinwand, die Kunst muss fließen“, sagt Bognar. Er selbst ist auf japanische Motive, „Punker-Trash“ und schwarz-weiß Motive spezialisiert; bei Adem Ari sind es oft Mandalas, schwarz-weiß Motive oder sogenannte „Dotworks“, also das Erschaffen von Bildern mit präzise gesetzten Punkten auf der Haut. Unterstützung bekommen die beiden von zwei weiteren Freelancern, die tageweise ebenfalls im Atelier arbeiten werden.
Für den Neustart an der Bahnhofstraße 5 planen Daniel Bognar und Adem Ari eine Eröffnungsfeier samt „kleinem Sektempfang“, sagen sie und lachen. Los geht‘s am Samstag, 1. Februar, 12 Uhr.