Menden. Am 26. Januar kommt CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz nach Menden. Doch die Hönnestadt kann mit weitaus größerer Polit-Prominenz aufwarten.
Wenn Stefan Reisloh durch die Regalreihen des Stadtarchivs schlendert, weiß er genau, wo er suchen muss. Und doch überrascht auch den erfahrenen Stadtarchivar so mancher Blick in die Historie. Vor dem Besuch des CDU-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz hat sich Reisloh zusammen mit der WP auf die Spuren der Polit-Prominenz begeben, die Menden in den vergangenen Jahrzehnten besuchte. Dabei wird klar: Es ist bei weitem nicht der erste Merz-Besuch - und auch bei weitem nicht der prominenteste.
Menden im Wahlkampf als beliebter Tummelplatz
Bei der Mendener CDU laufen die Vorbereitungen auf den Besuch bereits auf Hochtouren. Schließlich haben die Mendener Christdemokraten nicht nur den Besuch ihres Bundesvorsitzenden und Kanzlerkandidaten zu organisieren, sondern gleichzeitig den eigenen Jahresempfang des Stadtverbandes. Dabei ist es beileibe nicht der erste Besuch des gebürtigen Briloner Politikers in der Hönnestadt. „Es ist mindestens sein fünfter“, sagt Stadtarchivar Stefan Reisloh. Das zumindest belegen seine Recherchen in früheren Zeitungsartikeln.
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Rückblick. Es ist der 27. Mai 1989. Als Direktkandidat für die CDU will der damals 33-Jährige ins EU-Parlament einziehen. Dafür sorgt er auf dem Platz vor dem Alten Rathaus an einem sonnigen Samstag auch gleich für ordentlich Trubel. „Was hier so fetzig eingeläutet wurde, war keine morgendliche Open Air Disco, sondern das Europa-Quiz der CDU“, hieß es seinerzeit in einem Zeitungsbericht. Doch der Auftritt Merz‘ war an diesen Tagen lediglich eine Randbemerkung. „Die Aufmerksamkeit lag woanders“, sagt Michael Jennes aus dem Stadtarchiv und zeigt auf die Zeitungsseite neben dem Merz-Besuch. Die Stilllegung der Bahntrasse zwischen Iserlohn und Menden war deutlich wichtiger als der Besuch eines angehenden Europapolitikers. Dabei scheint sich Friedrich Merz dennoch in die Hönnestadt verliebt zu haben - oder wollte einfach besonders nachdrücklichen Wahlkampf betreiben. Am 6. Juni 1989 spricht der Briloner vor der Senioren-Union.
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Danach wird es allerdings lange Zeit ruhig um den Christdemokraten. Erst am 31. August 2005 kehrt Merz nach Menden zurück - und als „Wirtschaftsstimme der CDU“ verteidigt er die Idee, wonach eine Steuererklärung eigentlich auch auf einem Bierdeckel Platz finden sollte. 17 Jahre dauert es anschließend, bis der Politiker abermals in Menden Halt macht. Am 19. Dezember 2022 ist er zu Gast bei der Christdemokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) in Lendringsen.
Eine Reise durch die Geschichte
Doch die Hönnestadt hat bei weitem prominentere Besucher zu bieten, die sich zum einen im Goldenen Buch wiederfinden - als auch in früheren Zeitungsberichten. Kurz vor Ende seiner ersten Kanzlerschaft trägt sich Gerhard Schröder (SPD) am 1. Oktober 2002 ins Goldene Buch der Stadt ein. Eine entscheidende Rolle bei seinem zweiten Besuch, vier Jahre später (20. Oktober 2006), spielt dabei Ulrich Bettermann. Zu Ehren seines 60. Geburtstags schaut nicht nur Gerhard Schröder, sondern auch der frühere Bundesinnenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) abermals in Hüingsen vorbei.
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Mit den Größen der internationalen Politik kennt sich Ulrich Bettermann seit Jahrzehnten bestens aus. Mit dem „Mendener Forum“ organisiert Bettermann am 4. und 5. Dezember 1993 „den wohl größten Auflauf internationaler Politiker, den wir je gesehen haben“, sagt Michael Jennes. Zu der „beeindruckenden Veranstaltung“ geben sich Hans-Dietrich Genscher, der frühere US-Außenminister Henry Kissinger und Michail Gorbatschow sprichwörtlich die Klinke in die Hand. Mit einem „gepanzerten Mercedes 500“ holte Ulrich Bettermann den früheren Chef der Sowjetunion persönlich ab; der wiederum schrieb nach seiner Podiumsdiskussion fleißig Autogramme. „Ein Hauch von Gipfeltreffen durchwehte die Arena, in die Kiebitze von der Rückseite mit Ferngläsern einen Blick auf die Bühne suchten“, hieß es seinerzeit in der Zeitung.
Seiner Linie als gut vernetzter Unternehmer ist Ulrich Bettermann seither treu geblieben. Nicht zuletzt macht das auch ein Besuch des damaligen Bundeskanzler-Kandidaten Frank-Walter Steinmeier (SPD) am 4. August 2009 deutlich.
Etwas weniger prominent, dafür aber für Menden historisch, sind derweil die Besuche des früheren NRW-Ministerpräsidenten Johannes Rau (SPD) am 16. August 1989 und des früheren Bundespräsidenten Walter Scheel (FDP) am 14. Februar 1976. Während Johannes Rau der Stargast zur Eröffnung der Dorte-Hilleke-Bücherei war, stattete Scheel der Hönnestadt zu ihrem 700. Geburtstag einen Besuch ab. „Er ist mit einem Hubschrauber auf dem Gisbert-Kranz-Platz gelandet“, erinnert sich Stefan Reisloh.
Unternehmer Ulrich Bettermann - mit den Mächtigen der Welt
Private Besuche, anonyme Hinweise und verwackelte Fotos
Dabei können Besuche in Menden auch weitaus weniger öffentlichkeitswirksam ablaufen. Das zumindest hatte Heinrich Lübke (CDU) seinerzeit gedacht. Der frühere Bundespräsident „war auf Privatbesuch in Menden“, erklärt Michael Jennes. Doch ganz so privat lief der Besuch dann doch nicht ab. „Mehr als ein anonymer Anruf war am Samstagnachmittag notwendig, um die Presseleute aus ihrer Wochenend-Ruhe aufzustören. Gar zu unglaubhaft war aber auch die Nachricht, die von Unbekannt durch das Telefon kam: Der Bundespräsident ist am Hünenköpfchen“, beschreibt es ein Zeitungsausschnitt vom 4. Januar 1964. Ein verwackeltes Bild vom Hinterkopf Lübkes ziert den Platz neben der Zeile. Dabei hatte Heinrich Lübke nicht nur verwandtschaftliche Beziehungen nach Menden. Wie sich herausstellte, war Lübke im Frühjahr 1913 als Vermessungspraktikant beim Amt Menden angestellt, ehe der Erste Weltkrieg ausbrach.
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Einer der bekanntesten Namen aus den Reihen der SPD ist hingegen „nur kurz durch Menden durchgerauscht“, sagt Stefan Reisloh mit einem Lächeln. Die Rede ist von Willy Brandt. Am 25. Juni 1966, gut einen Monat vor der NRW-Landtagswahl, macht Brandt Halt auf dem Marktplatz. „Willy Brandt, von mäßigem Beifall begleitet, freute sich, dass es nicht regnete“, heißt es in einem Zeitungsausschnitt. Viel gesagt habe Brandt damals nicht. „Die Menschen auf dem Neumarkt, selbst die Gegner, hatten mehr erwartet“, so der Eindruck des Autors.
Bekannteste Frau unter den Polit-Granden ist Rita Süssmuth (CDU). Die frühere Bundesfamilienministerin war anlässlich des Volkssporttags am 6. September 1987 in der Hönnestadt - inklusive Eintrag ins Goldene Buch. Dabei hat sich längst nicht jeder Besucher dort auch verewigt. Gleichwohl kann auch Stadtsprecherin Vanessa Wittenburg ein paar außergewöhnliche Besucher aufzählen wie etwa einen Israelischen Botschafter, Britische Regimentsführer oder einen Finnischen Parlamentspräsidenten. Ein Blick in die Kuriositäten und großen Namen des Goldenen Buchs könnte es für Mendenerinnen und Mendener beim nächsten Stadtjubiläum 2026 geben. In welcher Form, das sei allerdings noch offen, erklärt Wittenburg.
Zu guter Letzt bleibt noch einer der aufregenderen Besuche: Joachim Gauck. Für gleich mehrere Lesungen holt Buchhändler Andreas Wallentin den einstigen Bundespräsidenten nach Menden. Nicht nur scheint Gauck seither ein Fan der Hönnestadt geworden zu sein - vor einer Lesung legt der Staatsmann gleich noch einen Besuch beim Friseur hinterher.