Menden. Der Tod Henry Kissingers löst auch in Hüingsen Trauer aus. Unternehmer Ulrich Bettermann hielt seit dem „Mendener Forum“ 1993 Kontakt.

Die Nachricht vom Tod des ehemaligen US-Außenministers Henry Kissinger geht seit Donnerstagmorgen um die Welt. Noch im Sommer hat der Mendener Unternehmer Ulrich Bettermann seinen Freund Kissinger unmittelbar nach den öffentlichen Feierlichkeiten zu dessen 100. Geburtstag in Fürth besucht. Jetzt erwäge er die Beerdigung des ehemaligen US-Außenministers zu besuchen, erklärte Bettermann.

Kontakt in drei Jahrzehnten seit dem „Forum“ nie abgerissen

Bettermanns Verbindung zu Henry Kissinger, der nach seiner aktiven und wegen des Vietnam-Kriegs nicht unumstrittenen Zeit als amerikanischer Außenminister zu einem weltweit gefragten Experten und vielgelesenen Buchautor wurde, ist in den vergangenen drei Jahrzehnten nie abgerissen, wie der OBO-Chef berichtet. Kennen und schätzen gelernt habe man sich vor 30 Jahren auf dem „Mendener Forum“, einer damals höchst prominent besetzten und vielbeachteten Diskussionsrunde zur Weltlage, moderiert von WDR-Legende Fritz Pleitgen.

Politisches Treffen in Menden galt damals als Sensation

Bettermann hatte dazu neben Michail Gorbatschow und Hans-Dietrich Genscher auch Henry Kissinger nach Hüingsen gelotst. Um diese Sensation ranken sich seither zahllose Geschichten, von denen Bettermann eine Anekdote bis heute besonders gerne erzählt: „Das Treffen sollte ursprünglich in Berlin stattfinden, aber da sagte man mir, dass ich es dann nicht von der Steuer absetzen kann. Daraufhin haben wir hier in Hüingsen unsere Tennishalle ausgeräumt.“

Hohe Erwartungen an drei Schlüsselfiguren der Zeitgeschichte

Die Erwartungen an das Treffen dieser drei Schlüsselfiguren der Zeitgeschichte waren deshalb so hoch, weil Gorbatschows Amtszeit als letzter Präsident der Sowjetunion bis 1991 noch nicht allzu lange zurücklag. Die außenpolitische Expertise von Kissinger und Genschers wurde gehört, weil beide wie Gorbatschow das Weltgeschehen zu ihrer Zeit maßgeblich beeinflusst hatten, die Aktualität einzuordnen wussten und inzwischen auch frei darüber sprechen konnten. Die Neugierde und das Geschick des Journalisten Fritz Pleitgen sorgte mit für das große Echo.

Das Treffen sollte ursprünglich in Berlin stattfinden, aber da sagte man mir, dass ich es dann nicht von der Steuer absetzen kann.
Ulrich Bettermann, OBO-Seniorchef

Ex-Außenminister Hans-Dietrich Genscher war auch vor und nach dem „Mendener Forum“ ein gern gesehener Gast im Hause Bettermann.
Ex-Außenminister Hans-Dietrich Genscher war auch vor und nach dem „Mendener Forum“ ein gern gesehener Gast im Hause Bettermann. © WP | Privat

Hans-Dietrich Genscher noch oft zu Gast im Hause Bettermann

Weil Gorbatschow und Kissinger damals auch bei den Bettermanns übernachteten, gibt es im Haus bis heute ein Gorbatschow- und ein Kissinger-ZImmer. Hans-Dietrich Genscher, den Bettermann nur Dieter nannte, war auch später noch mehrfach zu Gast in Hüingsen.

Offenkundige Sympathie: Ulrich Bettermann mit Michail Gorbatschow auf dem Mendener Forum. Als Raissa Gorbatschowa später an Krebs erkrankte, fuhr Bettermann sie in die Uniklinik nach Münster.
Offenkundige Sympathie: Ulrich Bettermann mit Michail Gorbatschow auf dem Mendener Forum. Als Raissa Gorbatschowa später an Krebs erkrankte, fuhr Bettermann sie in die Uniklinik nach Münster. © WP | günter reinhold

Mit Henry Kissinger ist nun auch der letzte Teilnehmer der illustren Runde des „Mendener Forums“ verstorben. An ihm schätzte Bettermann vor allem seine trockene Ehrlichkeit. Als er Kissinger einmal fragte, warum der sich so vehement für die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu China eingesetzt habe, da habe Kissinger sinngemäß gesagt: „Ich wusste damals nicht weiter, da habe ich das gemacht.“ Von Genscher musste sich Bettermann bereits im Jahr 2016 für immer verabschieden. Fritz Pleitgen verstarb im vergangenen Jahr in Köln.

Bettermann-Kritik an fehlender Würdigung Gorbatschows

Wie viel Anteil der Mendener Unternehmer bis heute am Schicksal seiner damaligen Gäste nimmt, zeigt die Tatsache, dass Bettermann im März 2021 die Bundesregierung öffentlich scharf kritisierte: Aus seiner Sicht hatte die Regierung den 90. Geburtstag von Michail Gorbatschow zu wenig gewürdigt. Dabei, so der OBO-Chef, hätte es ohne „Gorbi“ wohl keine deutsche Einheit in Frieden und Freiheit gegeben. 2022 verstarb Gorbatschow, und Bettermann trauerte „um einen Freund und einen bewundernswerten Menschen“. Sein Vorstoß, die Bahnhofstraße in Bösperde in „Michail-Gorbatschow-Straße“ umzubenennen, wurde von Bürgermeister Schröder aus formalen Gründen zunächst abgelehnt.

Nun ist mit Henry Kissinger der nächste Weltpolitiker gegangen, für den Menden dank des Forums ein Begriff war.