Menden. Die „Dicke Berta“ überlebte Mittelalter, wissenschaftliche Erfindungen, zwei Weltkriege und die Mondlandung. Was aus dem Naturdenkmal jetzt wird.
Als Ritter und Grafen noch über Wiesen und Felder ritten, war sie schon längst da. Als Galileo Galilei das Teleskop erfand, war sie schon längst da; ebenso bei der Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus. Als Albert Einstein der Relativitätstheorie auf die Schliche kam, war sie immer noch da. Sie überlebte zwei Weltkriege, die erste Mondlandung des Menschen, den Mauerfall und die Erfindung des Internets. Doch nun, nach etwa 700 Jahren, neigt sich ihre Zeit dem Ende entgegen. Um die „Dicke Berta“ steht es schlecht.
Klimawandel, Schädlinge, Trockenheit
Sie ist die älteste Eiche im Märkischen Kreis. Mitten im Luerwald erhebt sich die „Dicke Berta“. Experten schätzen, dass die Eiche zwischen 600 und 800 Jahre alt ist. Doch ihre letzten Tage sind buchstäblich gezählt. Ein Großteil des Baumes ist bereits tot, einzig einige Äste zeigen noch Lebensanzeichen.
Wer sein Auto am Rande von Oesbern abstellt und sich dann eine gute halbe Stunde zu Fuß auf den Weg in den Luerwald hinein begibt, der wird sie schon von weitem sehen: die „Dicke Berta“. Auf einer Lichtung erhebt sich das Ungetüm prachtvoll gen Himmel. Dass die rund 700 Jahre alte Eiche aktuell recht kahl daherkommt, ist natürlich der Jahreszeit geschuldet. Doch auch in den kommenden Monaten wird sich an diesem Anblick wohl nicht mehr viel ändern. „Die Dicke Berta befindet sich seit Jahren im Absterbeprozess“, erklärt Revierförster Ansgar Breuer. Er ist für die Waldfläche im Auftrag des Forstbetriebs von Ketteler-Boeselager (Voßwinkel) verantwortlich. Zwar sei der Baum noch nicht vollends tot, die letzten Tage der Eiche seien aber wohl oder übel gezählt. „Sie wird nicht mehr gesund“, sagt Breuer.
Dabei hat es das Naturdenkmal nach mehreren hundert Jahren binnen kurzer Zeit dahingerafft. Als Grund nennt der Revierförster vor allem die drei Trockenjahre nach 2018. Die haben schlussendlich nicht nur dafür gesorgt, dass fast sämtliche Fichten in Menden Geschichte sind (WP berichtete). Das Ausmaß offenbare sich vor allem im Untergrund. Während Fichten vergleichsweise flaches Wurzelwerk haben, reichen die von Eichen deutlich weiter in die Tiefe.
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Doch in Folge des Klimawandels war der Boden derart ausgetrocknet, dass selbst Eichen an ihre Grenzen stoßen. Hinzu kämen dann Schädlinge wie der Eichenprachtkäfer. „Der befällt eigentlich nur kränkelnde Eichen“, so Breuer. Geht es einem Baum wie der „Dicken Berta“ allerdings schlecht, kann sich der Käfer bereits früher einnisten.
Biotop statt Naturdenkmal?
Doch obwohl das Naturdenkmal bald tot sein könnte, kann Breuer beruhigen: „Bevor eine Eiche umfällt, muss einiges passieren.“ Äxte und Motorsägen werden vorerst nicht anrücken. Zwar sei die Verkehrssicherheit zeitnah neu zu beurteilen, doch der Revierförster glaubt nicht, dass die „Dicke Berta“ gefällt werde. Stattdessen solle mit dem Denkmal auch ein Stück Forstkultur erhalten werden. Totholzstämme eignen sich hervorragend als Biotope.
„Bevor eine Eiche umfällt, muss einiges passieren.“
Und genau so soll es auch im Luerwald geschehen. „Der Baum wird auch in abgestorbenem Zustand nicht gefällt, sondern kann als Habitatbaum noch vielen Tieren, z.B. vielen heimischen Vögeln und Insekten, für einige Jahre als Lebensraum dienen“, betont Felix Böcker aus der Abteilung für Naturschutz und Landschaftspflege des Märkischen Kreises.
Ob es direkt um die „Dicke Berta“ Veränderungen geben wird, lässt Förster Ansgar Breuer derweil offen. Ein erneuerter Zaun könnte denkbar sein. Um „dem Baum nicht den Rest zu geben“, bittet Breuer Spaziergänger und Besucher, nicht direkt an den Baum oder ans Wurzelwerk zu gehen. Denn die Wurzeln würden auf die Erdverdichtungen sensibel reagieren. Gleiches gelte für Bilder für soziale Medien, für die sich Besucher direkt am Baum ablichten.
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All das sei zusätzlicher Stress für das Naturdenkmal. Derweil ragt einen Steinwurf von der „Dicken Berta“ bereits ein Nachfolger aus der Erde. 2011 hatte Wanderexperte Franz Lenze die sogenannte „Franziskus-Eiche“ gepflanzt. „Das ist ein totaler Besuchermagnet geworden“, sagt Ansgar Breuer.