Menden. Sechs Todesopfer nach Unfällen beklagt Menden im Jahr 2024. Die Polizei ändert ihre Strategie im Kampf gegen den Tod auf der Straße.

Es ist die wohl tragischste Jahresbilanz für Menden: Sechs Verkehrsunfälle mit Todesfolge sind 2024 in der Stadt geschehen oder haben Mendener betroffen. Im Jahr zuvor gab es ein Todesopfer. Die enorme Zunahme passierte ausgerechnet im Auftaktjahr der „Vision Zero“, bundesweit ausgerufen von der Verkehrswacht, dem Verkehrssicherheitsrat und der Dekra. Das Ziel: Kein Mensch soll mehr auf der Straße getötet oder schwer verletzt werden. Menden ist davon weiter entfernt denn je.

Polizei: Auch 2024 viel Aufklärung und Prävention

Doch was ist dagegen zu tun? Laut Polizeisprecher Christof Hüls zeigen die unterschiedlichen Unfallhergänge und Schauplätze, wie schwierig gezielte Maßnahmen gegen den Tod auf der Straße sind. So sei auch 2024 viel an Vorbeugung passiert: Verkehrserziehung in Kitas, Schulweg- und Radfahrtrainings für Kinder, schockierende „Crashtest“-Veranstaltungen für Heranwachsende, Aufklärungsaktionen für Motorradfahrer, Radarkontrollen und vieles mehr. Doch die Schreckensbilanz hat das nicht verhindert.

Fußgänger, Biker und Autofahrer kommen in Menden um

23. Februar: Tödlich verletzt wird am Morgen dieses Freitags ein 54-jähriger Mendener bei einem Unfall auf der Galbreite. Eine Mendenerin (62) fährt kurz nach 10 Uhr mit ihrem Mercedes die Straße bergab, kommt von der Fahrbahn ab und kracht gegen einen geparkten Volvo. Dieser Wagen erfasst im nächsten Moment einen Fußgänger. Der Schwerverletzte wird vom Rettungsdienst ins Vincenz-Krankenhaus gebracht. Sein Zustand verschlimmert sich, ein Hubschrauber fliegt ihn in eine Klinik nach Bonn, wo er am Sonntag darauf verstirbt.

20. März: Ein Rollerfahrer (54) liegt am frühen Morgen dieses Donnerstags tot auf dem asphaltierten Geh- und Radweg neben der Bundesstraße 7 in Menden-Barge, neben ihm liegt sein Moped. Entdeckt und gemeldet wird er von Zeugen, laut Staatsanwaltschaft gibt es keinen dritten Beteiligten. Warum und wann genau der Rollerfahrer stürzte, wird nie geklärt.

12. April: An diesem Freitagabend verunglückt ein Motorradfahrer (34) aus Menden in der Asbeck tödlich. Gegen 18.45 Uhr kommt der im Mendener Vereinsleben beliebte und bekannte junge Mann von der Fahrbahn ab, nach Angaben von Augenzeugen geschieht das wohl nach einem Überholmanöver im Bereich der Hüstener Straße/Asbecker Dorfstraße. Der Fahrer gerät in eine Tannenschonung. Er überlebt den Aufprall nicht.

22. Juni: Ein Motorradfahrer (63) aus Menden kracht auf der Werler Straße gegen den Pkw eines Anwohners, der vom Grundstück rollt. Im Rettungswagen kämpft der Notarzt vergeblich um das Leben des Bikers. Erst im September war unweit der Unfallstelle auf der B7 ein junger Motorradfahrer schwer gestürzt und lebensgefährlich verletzt worden. Er hatte versucht, nur auf dem Hinterrad zu fahren. Doch bei seinem „Wheelie“ kracht er ins Wartehäuschen in Höhe des Schwitter Sportplatzes.

Lendringsen im August: Es wird bekannt, dass der Hemeraner (65) nun doch verstorben ist, der knapp ein Jahr zuvor auf dem Bieberkamp zum Opfer eines schrecklichen Verkehrsunfalls wurde. Am späten Abend des 11. August wird sein Auto auf dem Bieberkamp mutmaßlich vom Wagen eines 22-jährigen Iserlohners getroffen, der aus der Meierfrankenfeldstraße förmlich herausgeschossen sein muss. Unfallfahrer und Beifahrer laufen weg, werden später aber von Polizisten mit Suchhunden gefasst. Der schwerstverletzte kleine Hund des Hemeraners schleppt sich aus dem Auto bis vor eine Haustür, wo er vor den Augen entsetzter Lendringser Anwohner jämmerlich verendet.

Mittwoch, 6. November: Für einen 72-Jährigen aus Menden endet der Aufprall seines Pkw auf den Viadukt an der Hönnetalstraße tödlich. Der Mann ist gegen 20.40 Uhr in seinem Dacia aus Deilinghofen kommend in Richtung Klusenstein unterwegs, als er kurz vor der Einmündung von der Fahrbahn abkommt.

Verletzte können nach Unfällen lebenslang leiden

Schlimm sieht auch die Bilanz 2024 bei den Schwerverletzten aus. Polizeisprecher Christof Hüls weist auf das damit häufig verbundene Leid mit womöglich lebenslangen Folgen für die betroffenen Menschen hin.: „Eine hochbetagte Frau mag sich beim Unfall ,nur‘ ein Bein brechen, sie kann dann aber für den Rest ihres Lebens an den Rollstuhl gefesselt bleiben.“

Nach Motorradunfällen: Biker-Aufklärung und Radarwagen

Die Polizei unterscheide bei ihren Gegenmaßnahmen zwischen direkter und allgemeiner Vorbeugung, und sie stehe dabei nicht allein. So gab es nach den Motorradunfällen auf der B7 am Ortseingang Schwitten im Sommer eine spezielle Aufklärungsaktion der Polizeidirektion Verkehr für Biker.

Stadt Menden führt den „Tag des Fußgängers“ ein

Die Stadt Menden entschärft ihrerseits nach dem tödlichen Unfall einer Seniorin mit Rollator an der Ecke Westwall/Papenhausenstraße nicht nur den Übergang für Passanten: Sie führt auch den jährlichen „Tag des Fußgängers“ ein, der gerade zum zweiten Mal stattgefunden hat. Der Märkische Kreis entsendet immer wieder seine ungeliebten Radarwagen nach Menden. Die Städte Menden und Hemer wollen das künftig auch gemeinsam tun – zusätzlich.

Nach schrecklichen Unfällen: Polizei klärt Motorradfahrer an der B7 auf
Nach zwei schrecklichen Biker-Unfällen spricht Hauptkommissarin Krause von der Verkehrsunfallprävention der Polizei an der B7 in Schwitten mit Motorradfahrern. © Westfalenpost | Thomas Hagemann

Mehr als 8200 Fahrer müssen 2024 für hohes Tempo zahlen

Die Bilanz der Tempo-Kontrollen 2024 liest sich indes erschreckend. Christof Hüls hat für die WP ausgerechnet, dass Polizei und Kreis im gerade abgelaufenen Jahr zwischen Januar und November in Menden an 297 Messstellen mehr als 8200 Tempo-Delikte ahnden mussten – vom Knöllchen bis zum Führerschein-Entzug.

Polizeikontrolle: An 297 Messtellen werden 2024 mehr als 8200 Tempo-Verstöße geahndet.
Polizeikontrolle: An 297 Messtellen werden 2024 mehr als 8200 Tempo-Verstöße geahndet. © WP | FRIEDRICH, Marc

Kreuzung am Bräukerweg ist die gefährlichste in Menden

Zugleich gibt es in Menden nur einen einzigen „Unfallhäufungspunkt“, den die MK-Unfallkommission identifiziert hat. An Mendens gefährlichster Kreuzung Bräukerweg/Holzener Straße passieren viele Unfälle nach ähnlichem Muster: Abbiegefehler führen hier immer wieder zu Crashs. Den sollen durch neue Markierungen oder Umbauten entgegengewirkt werden.

Holzener Straße nach Rohrbruch gesperrt
Einziger Unfallschwerpunkt der Stadt: Die Kreuzung Holzener Straße/Bräukerweg ist die gefährlichste in Menden. © Westfalenpost | Thomas Hagemann

Polizei ändert ihre Strategie: Radarfallen sollen überraschen

Doch das Gros der Unfälle in Menden läuft so unterschiedlich ab und zugleich an so vielen Stellen, dass dagegen nur Mahnen und Aufklären bleibt, auch über die jetzt überall eingesetzten „Smiley“-Tafeln. Allerdings hat die Polizei auch ihre Strategie geändert, wie Christof Hüls beschreibt. Sie kündigt ihre Radarfallen nicht mehr öffentlich an, wie es zuvor jahrelang der Fall war. Auch den avisierten „Blitzer-Marathon“ gibt es nicht mehr.

Mobile Smiley-Anlage in Emmerich
Neue Smiley-Tafeln blitzen nicht, zählen aber. Wo viel gerast wird, soll schnell der neue Radarwagen der Städte Menden und Hemer zum Einsatz kommen. © FUNKE Foto Services | Thorsten Lindekamp

Polizei legt nicht verkehrssichere Fahrzeuge sofort still

Aufgemotzte Kräder oder schadhafte Lkw werden an Ort und Stelle konsequent stillgelegt. Bei Tempoverstößen wird im Wiederholungsfall das doppelte Bußgeld fällig. Ein besonderes Augenmerk werde die Polizei auch auf die grassierende Ablenkung durch Handys am Steuer und auf Alkohol- oder Drogenfahrten legen. Das Wechselspiel aus Prävention und Repression soll erreichen, dass die nächste Unfallbilanz der „Vision Zero“ wieder näher kommt.