Menden. Im August hat ein Mendener eine Seniorin (84) angefahren. Sie starb. Jetzt stand der Mann vor Gericht – konfrontiert mit Angehörigen.
„Das gehört hier eigentlich nicht hin: Aber ich träume davon, dass Leute gegen meinen Wagen treten und ,Mörder’ rufen.“ Das, was am 25. August 2022 an der Papenhausenstraße, Ecke Westwall, passiert ist, lässt den Angeklagten nicht los. Er hat Schlafstörungen, bis heute. Vor Gericht sitzt der 61 Jahre alte Mendener leicht gebeugt. Er schaut auf seine Hände. Den Blickkontakt zum Sohn der Verstorbenen, der als Nebenkläger auftritt, kann er kaum aufbauen.
Das Schuldgefühl scheint tief zu sitzen. Denn es geht um einen schrecklichen Unfall mit Todesfolge. Eine 84 Jahre alte Frau ist gestorben – und der Handwerker aus Menden hat den Unfall verursacht. Nun musste er sich vor dem Mendener Amtsgericht verantworten. Die Anklage: fahrlässige Tötung. Die Konsequenz: eine Geldstrafe, 70 Tagessätze zu je 80 Euro. „Ich kann mich nur entschuldigen“, sagt der Mann in Richtung Nebenkläger.
Mehrmals geschaut, aber nichts gesehen – dann die Kollision
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Rückblick. Es ist der 25. August 2022. Ein Donnerstag. Der Angeklagte ist mit seinem Transporter unterwegs. „Ich stand in einer Parklücke vor dem Zahnarzt, weil ich einen Ortstermin hatte“, sagt er zur Richterin gewandt. Er habe dort in Fahrtrichtung Westwall ziemlich lange gewartet, weil ein großer Lastwagen vom Westwall in die Papenhausenstraße abgebogen sei und dies wegen der Enge länger gedauert habe „Ich habe überall geguckt und bin dann losgefahren in Richtung altes Parkhaus“, schildert er weiter.
„Ich bin schon geradeaus gefahren, da habe ich eine Kollision gemerkt. Ich habe sofort gebremst und bin ausgestiegen.“ Zunächst habe er an ein Kind gedacht, doch dann die Seniorin und ihren Rollator gesehen. Ihr Fuß sei an seinem Radkasten gewesen. Er stieg ein und fuhr rückwärts, rief den Notruf und leistete Hilfe, sagt er. Es ist kurz vor 11 Uhr. Die Frau wurde mit einem Rettungshubschrauber in das Klinikum Dortmund-Nord geflogen. Dort starb sie infolge ihrer Verletzungen.
Eigentlich ein stressfreier Tag für den Angeklagten – Sohn des Opfers anwesend
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„Es war einer der wenigen Tage, der stressfrei war. Ich kenne mich dort aus und habe überall geguckt. Es war keiner da“, beteuert der Angeklagte wieder. „Ich will nur verstehen, wie es passiert ist“, sagt die Richterin. Sie merkt, wie sehr die Situation dem bisher nie strafrechtlich in Erscheinung getretenen Mann zusetzt. Er habe eine Traumatherapie gemacht, was gut sei. „Sie können den Blickkontakt kaum aufbauen“, stellt sie fest. Da meldet sich der Sohn des Opfers. „Mir ist wichtig, zu sagen: Wir hegen keinen Groll gegen Sie. Es ist ein blöder Unfall gewesen. Uns war wichtig zu wissen, ob Alkohol oder Drogen im Spiel waren. So ist es nicht. Das hätte jedem passieren können“, so der Mann. „Versuchen Sie, Ihr Leben weiterzuleben.“ Eine große Geste. Er nimmt die Entschuldigung des Angeklagten an. „Das zeugt von menschlicher Größe“, sagt die Richterin.
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Doch wie fällt das Urteil aus? Um den Unfall zu rekonstruieren, forderten die Ermittler das speziell geschulte Verkehrsunfallaufnahme-Team aus Dortmund zur Beweisaufnahme und Spurensicherung an. Die Kreidespuren auf dem Asphalt waren tagelang zu sehen. Aus dem Gutachten und dem Obduktionsbericht geht hervor: „Die Frau ist mit dem Kopf auf das Pflaster geschlagen und daran gestorben“, erklärt die Richterin. Zwar habe sie eine Quetschung am Fuß gehabt, doch gestorben ist sie an den starken inneren Blutungen, einem schweren Schädel-Hirn-Trauma. Die Ermittlungen hätten deutlich gemacht: Der Wagen hat die Seniorin nicht unmittelbar getroffen, sondern den Rollator. Durch den Aufprall sei sie gestürzt und auf den Hinterkopf gefallen. Wie genau sie die Straße queren wollte, können die Ermittler nicht zu einhundert Prozent nachvollziehen.
Frage des Blickwinkels – Was ist die gerechte Strafe?
Sicher sei aber: Auch wenn die Sichtbedingungen wegen der Verkehrslage, der Unübersichtlichkeit des Transporters und dem Spiel aus Schatten und Licht erschwert waren, hätte der Angeklagte die Frau sehen können. Alle Seiten sehen eine Sorgfaltspflichtverletzung als gegeben an – allerdings am unteren Rand anzusiedeln. „Es gibt kein Richtig oder Falsch bei der Bestrafung“, so die Richterin. Die Folgen des Unfalls seien gravierend, schlimmstmöglich. Der Angeklagte sei nicht vorbestraft, habe keine Punkte und sich entschuldigt. Schließlich wird es eine Geldstrafe. 5600 Euro plus die Kosten des Verfahrens. Auf Rechtsmittel verzichten alle, das Urteil ist rechtskräftig. Der Prozess sei für alle wichtig, ein Schlusspunkt. „Die Zeit für Akzeptanz ist gekommen“, so die Richterin.