Lendringsen. Ein Ankippen der Lendringser Hauptstraße soll verhindern, dass am Bieberberg-Kreisel bei Starkregen wieder alles unter Wasser steht.

Mehr Gullys und eine große Wasserrutsche im Asphalt: So will die Stadtverwaltung jetzt den Lendringser Anliegern rund um den Bieberberg-Kreisverkehr helfen. Deren Häuser und Geschäfte wurden bei Starkregen zuletzt fortwährend überschwemmt. Rasche Abhilfe hatte die Mendener Stadtverwaltung vor wenigen Tagen im Alten Ratssaal vor gut 80 betroffenen Bürgerinnen und Bürgern versprochen. Und nach einer erneuten Begehung des Bieberbergs durch Experten der Stadt erscheint die Lösung überraschend und unkonventionell.

2019 gebaut: Der neue Kreisverkehr in Lendringsen läuft bei Starkregen vom Bieberberg (oben rechts) her voll. Jetzt soll die Hauptstraße (links) auf einer Seite so angehoben werden, dass sie wie eine große Abflussrinne wirkt.
2019 gebaut: Der neue Kreisverkehr in Lendringsen läuft bei Starkregen vom Bieberberg (oben rechts) her voll. Jetzt soll die Hauptstraße (links) auf einer Seite so angehoben werden, dass sie wie eine große Abflussrinne wirkt. © Livia Krimpelbein | Livia Krimpelbein

Neue Lösung soll deutlich eher kommen als die Erweiterung der Kanäle

Wegen der Dringlichkeit und noch stark unter dem Eindruck der jüngsten Überflutungen hatte der Vorsitzende Mirko Kruschinski (SPD) noch während der Sommerpause des Stadtrates eine Sondersitzung des Ausschusses für Öffentliche Sicherheit, Ordnung und das Feuerwehrwesen einberufen. Betroffene Anlieger klagten darin den Politikerinnen und Politikern im alten Ratssaal ihr Leid. Danach erklärte Dirk Wiegand, Leiter der Abteilung Straßenbau im Rathaus, dass es sehr wohl möglich sei, eine schnellere Lösung als die ohnehin zugesagte Erweiterung der Kanäle unter der Otto-Weingarten-Straße ins Werk zu setzen. Denn dieser Austausch kann nach Aussagen der Stadtentwässerung Menden frühestens im Sommer 2025 vollzogen sein.

Regenwasser vom Bieberberg rauscht auf den Kreisel wie in eine Wanne

Wie die Stadt noch vor dem Winter eine Entlastung schaffen will, hat Dirk Wiegand der WP jetzt auf Nachfrage genauer erklärt. Demnach hat sich besonders beim jüngsten Starkregen am Nachmittag des 1. August die Kreuzung am Kreisverkehr Bieberberg/Lendringser Hauptstraße als größte Schwachstelle erwiesen. Vom Bieberberg herunter rauschte das Regenwasser wie ein Sturzbach in den Kreisel als dem tiefsten Punkt, und von dort aus schwappte es dann weiter in die Geschäfte und Häuser auf der gegenüberliegenden Seite.

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Mindestens vier neue Gullys sollen das Problem schon weiter oben lindern

Diesen Wasserstrom will Wiegand künftig erstmal verringern und früher abfangen: „Wir werden entlang des unteren Bieberbergs ungefähr ab der Einmündung Schulstraße mindestens vier neue Gullys einbringen.“ Was an diesen Abläufen dann noch vorbeirauscht, soll, salopp gesagt, unten am Kreisel rechts abbiegen und in einer Art Wasserrutsche in Richtung Mendener Straße geführt werden. Dafür muss auf der Gegenfahrbahn der Lendringser Hauptstraße, die ins Dorf hinein in Richtung Bieberkamp führt, eine zusätzliche Asphaltschicht aufgebracht werden, die diese Seite dann erhöht. „Wir schaffen damit eine andere Querneigung der gesamten Straße.“ Mit der so gekippten Lendringser Hauptstraße dürfte die Stadt Menden dann die wohl größte Regenrinne des Sauerlandes ihr eigen nennen.

Michael Mathmann

„Bei allem, was wir jetzt tun, kann ich Ihnen keine Garantien dafür aussprechen, dass Sie niemals wieder Wasser im Keller haben werden.“

Michael Mathmann

Sofortlösung soll noch vor dem Winter eingebaut sein

Doch ganz so schnell schießen die Preußen auch hier nicht. „Die Ausschreibung für die Kanalmaßnahme geht wie versprochen jetzt raus. Dann werden im beschleunigten Verfahren drei Angebote dazu eingeholt, geöffnet und der Auftrag vergeben“, beschreibt Dirk Wiegand das Verfahren. Erst wenn diese Firma feststeht, die den Auftrag ergattert hat, kann sie auch die Asphaltschicht aufbringen. „Die neue Schicht ist Teil der Ausschreibung.“ Das Ganze soll dem Kanalbau vorgezogen werden und folglich noch vor dem Winter fertig sein, sagt Wiegand. „Denn in der kalten Jahreszeit kann es auch wieder stärkere Niederschläge geben.“ Klar ist indes auch: Die Maßnahme schützt andere, zuletzt ebenfalls betroffene Bereiche in Lendringsen nicht. Und dass sie „nicht billig“ wird, hatte Wiegand bereits in der Sondersitzung erklärt.

Wasserschaden in der Produktionshalle bei OBO in Lendringsen: Gegen lokale katastrophale Starkregen-Ereignisse wie im Mai 2023 helfen laut Experten auch keine größeren Kanäle.
Wasserschaden in der Produktionshalle bei OBO in Lendringsen: Gegen lokale katastrophale Starkregen-Ereignisse wie im Mai 2023 helfen laut Experten auch keine größeren Kanäle. © Westfalenpost | Obo Bettermann

Bundesweit dieselbe Frage: Reichen unsere Kanäle im Klimawandel aus?

In der Sondersitzung warfen Wolfgang Exler (CDU) und Oliver Smith (SPD) zudem eine Frage auf, die inzwischen auch in anderen Städten gestellt wird: Reichen die seit Jahrzehnten geltenden Querschnitte in den deutschen Kanalsystemen in Zeiten des Klimawandels überhaupt noch aus? Michael Mathmann, Betriebsleiter der Stadtentwässerung Menden, hatte vor den Bürgerinnen und Bürgern beschrieben, dass die heutigen Standardrohre so ausgelegt sind, dass sie ein dreijähriges Regenereignis abfangen sollen. Alles darüberhinaus ende in Überschwemmungen.

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Trotz aller Gegenmaßnahmen: Keine Garantien für die Bürger

Ein bundesweiter Austausch der Kanäle, wie er jetzt in der Otto-Weingarten-Straße stattfinden soll, würde vermutlich viele Milliarden Euro kosten. Und bei katastrophalem Starkregen wie im Mai 2023 in Lendringsen wäre laut Mathmann trotzdem jedes Kanalsystem überfordert. Der Betriebsleiter zu den Bürgerinnen und Bürgern: „Bei allem, was wir jetzt tun, kann ich Ihnen keine Garantien dafür aussprechen, dass Sie niemals wieder Wasser im Keller haben werden.“