Arnsberg/Menden. Überraschung in Verhandlung gegen 46-Jährigen: Die Exfrau, am Tatabend durch Messerstiche schwer verletzt, verweigert die Aussage.

Vor dem Arnsberger Landgericht geht es um das tragische Geschehen an einem Abend vor Weihnachten 2023: Ein heute 46-Jähriger soll seine Exfrau mit Messerstichen und Schlägen mit einem Nudelholz traktiert haben – in der Absicht, sie zu töten. Schwer verletzt überlebt die Frau, vor Gericht will sie ihren Ex-Partner aber nicht belasten.

Holpriger Neubeginn des verschobenen Prozessauftakts

Rückblende: In der vergangenen Woche wurde der Prozessauftakt vor dem Landgericht Arnsberg wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung zum Kurztermin. Wegen der formell nicht korrekten Umbesetzung auf der Position eines Schöffen beantragte der Verteidiger eine Verschiebung. Das Verfahren soll nun heute mit dem Verlesen der Anklageschrift noch einmal neu beginnen. Doch der Verteidiger des Beschuldigten ist wieder mit manchen Abläufen nicht einverstanden.

Schöffe kann Eidesformel nicht im Wortlaut nachsprechen

Beide Schöffen müssen zunächst noch vereidigt werden, einer von beiden gibt die vom Richter Petja Pagel vorgegebene Formel zwar sinngemäß, aber in mehreren Formulierungen nicht im Wortlaut wieder. Das moniert der Anwalt, das Prozedere wird wiederholt. Auch diesmal ist nicht exakt jedes Wort gleich. Der Richter betont schließlich, er habe keine Zweifel an der Korrektheit des Verfahrens. Der Verteidiger stellt indes die Eignung eines Schöffen in Frage, der nicht einmal ein paar Sätze exakt nachsprechen könne.

Anwalt bemängelt nicht eingehaltene Ladungsfristen

Das ist aber noch nicht alles: Nach Verlesung der Anklageschrift stellt der Verteidiger den Antrag auf Aussetzung des Verfahrens wegen nicht eingehaltener Ladungsfristen. Zudem sei ihm nicht bekannt, welche Zeugen heute aussagen, daher habe er diese Vernehmung nicht vorbereiten können. Der Richter blockt das ab, unter Verweis auf persönliche Absprachen zwischen beiden. Er gewährt dem Anwalt indes eine Stunde Vorbereitungszeit, um die Vernehmung der Ex-Frau vorzubereiten.

Überraschung: Ex-Frau betritt den Saal und verweigert die Aussage

Dann die Überraschung: Die Frau betritt den Saal und erklärt, sie wolle die Aussage verweigern. Das ist ihr gutes Recht, da sie mit dem Angeklagten verheiratet war: Auch geschiedene Partner muss man nicht belasten. Die beiden gemeinsamen Söhne, 19 und 14 Jahre alt, machen ebenfalls von diesem Recht Gebrauch und können daher rasch wieder gehen. Über die Gründe für dieses Schweigen kann man freilich nur spekulieren.

Angeklagter würdigt seine Familie keines Blickes

Die Frau und ihre Kinder saßen schon im Gerichtssaal, als der Angeklagte am Morgen von Justizbeamten aus der Untersuchungshaft vorgeführt wurde. Hier wie auch während der weiteren Verhandlung würdigte er seine Familie keines Blickes, starrte demonstrativ in andere Richtungen. Auch hatte die Ehefrau, was ebenso ihr gutes Recht ist, dem Gericht nicht gestattet, ihre Aussagen bei der Polizei nach der Bluttat nun in der Verhandlung zu verwerten.

Nachbarin berichtet: Frau blutüberströmt vor dem Haus gefunden

Somit gewinnen die Aussagen einer Nachbarin an Bedeutung. Die 58-Jährige hatte am Tatabend kurz vor Weihnachten 2023 nach Hilfeschreien das blutüberströmte Opfer auf der Wiese vor dem Mehrfamilienhaus aufgefunden. Ihre Erinnerung: Die schwer verletzte Frau habe direkt berichtet, ihr Ex-Mann habe auf sie eingestochen und eingeschlagen. Und er habe nun einen Sohn mitgenommen.

Nach der Bluttat Abreise in die Türkei, bei Rückkehr festgenommen

Wie zuletzt berichtet, war der Verdächtige nach dem Geschehen in seine türkische Heimat gereist. Als er Monate später zurückkehrte, nahm ihn die niederländische Polizei wegen eines internationalen Haftbefehls auf dem Flughafen Amsterdam fest. Die Nachbarin beschreibt nun das Verhältnis zu der Familie, die einige Jahre ein Stockwerk über ihr wohnte. Besonders eng und persönlich sei der Austausch nicht gewesen, doch über den heute 46-jährigen Mann sagt sie: „Ich habe ihn immer freundlich, hilfsbereit und respektvoll kennengelernt.“ Und weiter: „Ich habe ihn nie böse erlebt.“

Handtuch in den Mund gestopft: „Du wirst hier sterben“

Streitereien der Eheleute habe sie vor der Tat durchaus mitbekommen, von einer Scheidung zu diesem Zeitpunkt aber nichts gewusst. Laut Anklage soll der Mann die Frau mit Messerstichen traktiert und mit einem Nudelholz geschlagen haben, als sie ihm den Auszug aus der Wohnung angekündigt hatte. Damit sie keiner hörte, habe er ihr ein Handtuch in den Mund gestopft und sie in der Wohnung zurückgelassen mit den Worten: „Du wirst hier sterben.“ Doch die heute 45-Jährige stürzte sich in ihrer Verzweiflung vom Balkon in der ersten Etage. Dort fand die Nachbarin die Schwerverletzte, was dieser wahrscheinlich das Leben rettete.

Als nächstes weitere Nachbarn, Polizei und Ärzte im Zeugenstand

Mit bewegter Stimme berichtet die 58-Jährige, wie sie das Opfer damals auffand: mit sichtbarer Stichverletzung im Oberkörper und blutüberströmt im Gesicht. Danach sei sie auch zu ihr ins Krankenhaus gefahren. Zurück in der Wohnung, habe sie ihr wegen der schweren Verletzungen im Alltag geholfen. Detailliert über den Vorfall und den Täter habe man aber nicht mehr gesprochen. Auch zur Aussage der Nachbarin erhebt der Verteidiger Einwände. Er moniert, dass der Richter ihr schon zu einem frühen Zeitpunkt der Aussage Lichtbilder vom Tatort vorlegte.

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Dann aber kommt dieser Prozesstag nach vielen Unterbrechungen doch noch zu einem Ende. Als nächstes sollen weitere Nachbarn, Polizeibeamte und Ärzte gehört werden, vor dem Landgericht sind sechs weitere Termine angesetzt.

Der Angeklagte selber schweigt weiter zu allen Vorwürfen. Und der Verteidiger hält seinen Antrag auf Aussetzung des Verfahrens aufrecht, über den womöglich bei der nächsten Verhandlung entschieden wird.