Olpe/Drolshagen. Wertvolles Einfamilienhaus sucht einen neuen Besitzer. Ein Paar hat die nötige Sicherungsleistung hinterlegt – doch am Ende verzichtet es auf ein Gebot.
Der Saal 042 im Olper Amtsgericht ist üblicherweise nicht der, der viel Publikum anzieht. Verhandlungen etwa der Strafkammer finden im deutlich größeren Saal 037 schräg gegenüber statt, doch am Donnerstag bleibt kaum ein Stuhl in 042 frei. Justizamtsfrau Steffi Guttstein hat dort Platz genommen, wo sonst meist ein Richter sitzt, denn sie ist zuständig für Zwangsversteigerungen mit den Endziffern 1 bis 5, und eine solche steht heute auf der Tagesordnung. Ein Haus im Drolshagener Land soll einen neuen Besitzer finden, so ist er Plan. Auf den Zuhörerstühlen, ein Mitarbeiter der Volksbank, die bisherigen Besitzer des Hauses, mehrere stumme Zuhörer und ein junges Paar, das sich mit dem Gedanken trägt, zu bieten. „Zwangsvollstreckung zum Zwecke der Aufhebung der Gemeinschaft“ heißt das Verfahren, und es geht um ein „freistehendes, eingeschossiges Einfamilienwohnhaus mit Einliegerwohnung, Baujahr 2016“. Es steht auf einem über 800 Quadratmeter großen Grundstück, verfügt insgesamt über rund 250 Quadratmeter Wohnfläche und hat einen gutachterlich ermittelten Verkehrswert von 660.000 Euro.
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Pünktlich um 10 Uhr eröffnet Steffi Guttstein das Verfahren. Zunächst wird verlesen, worum es geht, einschließlich der genauen Gemarkung und der Flur. Sie nimmt sich viel Zeit, um die Hintergründe und das nötige Vorgehen zu erläutern. Eine solche Zwangsvollstreckung ist oft Folge einer Trennung, wenn sich die ehemaligen Partner nicht gütlich einigen können, wer das Haus bekommt oder wie es verkauft werden soll. In diesem Fall hat die Frau das Verfahren betrieben, um das in Juristendeutsch „Auseinandersetzungsanspruch“ genannte Recht durchzusetzen. Auch nach Erbfällen kommt es zu solchen Verfahren, wenn etwa ein Erbe das Haus verkaufen möchte und der andere nicht. Die Justizamtsfrau verliest die im Grundbuch eingetragenen Rechte: Da sind zwei Grundschuld-Einträge der Volksbank, einer über rund 34.000 Euro, der andere über 310.000 Euro. Dazu hat die Stadt Drolshagen zwei Rechte eingetragen: eines auf Rückübertragung des Grundstücks, wenn keine Bebauung erfolgt wäre, einer über den möglichen Verkauf von Teilflächen für eventuellen Straßenbau. Beide werden als finanzielle „Merkwerte“ mit aufgenommen, einer mit 100, der andere mit 1000 Euro bewertet. „Hat noch wer ein Recht am Grundstück, das ich gerade nicht verlesen habe?“, folgt auf die Frage Schweigen im Saal.
Wie sich das „geringste Gebot“ berechnet
Dann wird es kompliziert, denn Steffi Guttstein informiert über das sogenannte „geringste Gebot“. Es setzt sich zusammen aus dem, was ein Bieter mindestens bieten muss, damit ein Zuschlag erfolgen kann. Und weil die Volksbank über die beiden Grundschuldeinträge verfügt, liegt besagtes „geringste Gebot“ bei rund 584.000 Euro zuzüglich Gerichtskosten und Grunderwerbsteuer.
Diesmal kein Schnäppchen möglich
Sie informiert, dass ein potenzieller Bieter rechtzeitig die nötige Sicherheitsleistung auf das Konto des Gerichts eingezahlt hat. Diese ist nötig, um überhaupt einen Zuschlag erhalten zu können, wenn Bieter nicht alternativ eine Bankbürgschaft, einen Bundesbank- oder einen Verrechnungsscheck vorlegen wollen. Als der Zeiger der Wanduhr auf 10.12 Uhr springt, eröffnet Steffi Guttstein die Bietzeit. 30 Minuten beginnen zu laufen. Doch es passiert – nichts. Niemand hebt die Hand, keiner stellt Fragen. Guttstein nutzt die Gelegenheit und führt weiter aus: „Manchmal kann man beim zweiten oder dritten Versteigerungstermin ein Schnäppchen machen – das ist hier nicht der Fall!“ Anders wäre die Lage, wenn eine Bank eine Zwangsversteigerung betreibt. Diese kann beantragen, ab dem zweiten Termin die sonst bindende Sieben-Zehntel-Grenze oder gar die Fünf-Zehntel-Grenze fallenzulassen. Das geschieht regelmäßig, damit überhaupt ein Erlös erzielt wird, wenn beim Eigentümer selbst nichts zu holen ist. Dann kann ein Versteigerungsobjekt auch für weniger als 50 Prozent des Marktwertes versteigert werden. Bei diesem Haus bleiben aber die Rechte der Bank bestehen.
„Man muss nach einer Sicherheitsleistung nicht bieten – man darf.“
„Es ist kurz nach halb elf – möchte sich jemand ein Herz fassen?“ Doch kein Finger hebt sich. Auch das junge Paar, das offensichtlich die Sicherungsleistung hinterlegt hat, bleibt stumm. Die Justizamtsfrau erklärt dem Miteigentümer, der fragend schaut: „Man muss nach einer Sicherheitsleistung nicht bieten – man darf.“ Es wird 10.42 Uhr. Noch einmal fragt die Rechtspflegerin: „Möchte noch jemand? Das ist die letzte Chance.“ Doch als weiterhin kein einziges Gebot eingeht, wird die Bietzeit um 10.43 Uhr geschlossen.
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Nun wird das Verfahren einstweilen eingestellt, üblicherweise kann in einem halben Jahr ein erneuter Versteigerungstermin folgen, es sei denn, die Eigentümer einigen sich in der Zwischenzeit auf eine andere Lösung, etwa den freien Verkauf oder die Auszahlung eines der ehemaligen Partner. Die Verfahrenskosten in fünfstelliger Höhe indes fallen in jedem Fall an – daher gilt jetzt erstmal der bekannte Spruch „außer Spesen nichts gewesen“.