Drolshagen-Alperscheid. Georg Stamm, langjähriger Gerichtsvollzieher aus Alperscheid, gibt Einblicke in seinen Beruf. Warum er eine kugelsichere Schutzweste trägt.

Gerichtsvollzieher sind im Berufsalltag oft die letzte Instanz, wenn es darum geht, offene Forderungen einzutreiben. Sie stehen an vorderster Front, wenn Schulden, Räumungen oder Pfändungen vollstreckt werden müssen. Tätigkeiten, die ein Konfliktpotenzial bieten und mit einem gewissen Risiko verbunden sind.

Georg Stamm aus Alperscheid ist Gerichtsvollzieher beim Amtsgericht in Plettenberg und hat in seinen inzwischen 40 Dienstjahren als Angestellter bei der Justiz einige Geschichten erlebt. Seit etwa 20 Jahren ist der 63-Jährige als Gerichtsvollzieher im Einsatz und führt unter anderem auch Zwangsräumungen und Vermögenspfändungen durch. So richtig ins Rollen kam damals alles nach seinem Wehrdienst.

„Durch Zufall habe ich erfahren, dass es die sogenannten Justizhelferstellen gibt, die der Wachtmeisterei angegliedert sind. Damals brauchte man als Zugangsvoraussetzung eine abgeschlossene Handwerksausbildung.“ Die habe er durch seine Tischler-Ausbildung gehabt und sich dann für die Ausbildung zum Justizwachtmeister beim Amtsgericht in Gummersbach beworben. Dort durchlief er die Stationen, legte Prüfungen und Weiterbildungen bis hin zum Justizhauptwachmeister im mittleren Dienst ab. Nach einer Versetzung zum Amtsgericht Olpe im Jahr 2000 fasste Georg Stamm schließlich den Entschluss, sich beruflich zu verändern.

„Ich musste einfach nochmal was anderes machen und hab dann gedacht: Wie wäre es mit einem Gerichtsvollzieherdienst. Ich war zwar schon 40 und die Altersgrenze lag damals eigentlich bei 35 bis 37, aber ich wurde dann trotzdem genommen“. Nach zwei Jahren praktischer und theoretischer Ausbildung sowie bestandener Prüfung hatte der Alperscheider Ende 2003 seinen ersten eigenständigen Einsatz als Gerichtsvollzieher des Amtsgerichts Lennestadt.

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„Am Anfang denkt man sich, brauche ich die ganze Theorie überhaupt, das kommt doch nie in der Praxis vor.“ Dem war nicht so. Bei seiner zweiten Zwangsräumung hatte Georg Stamm dann direkt eine heftige Erfahrung zu schlucken. „Der Schuldner hat beim Räumungstermin nicht aufgemacht, daraufhin hat ein Schlosser die Tür geöffnet.“ Die Person haben die beiden dann leblos aufgefunden. Derjenige habe zudem versucht, sich mit einem aufgeschnittenen Federkissen und einem Ventilator selber anzuzünden. Das sei für den Gerichtsvollzieher im ersten Moment ein riesiger Schock gewesen.

„Daraufhin kam die Polizei und die Räumung war natürlich für mich beendet. Da musste dann erstmal überprüft werden, ob es tatsächlich ein Suizid war oder möglicherweise Fremdverschulden vorlag.“ Das seien jedoch Ausnahmeerlebnisse, die er in seiner Laufbahn nur selten mitbekommen habe. Größtenteils kümmere er sich um Zustellungen von amtlichen Dokumenten wie Mahnbescheiden, Klageschriften oder Pfändungen. Das erfordere auch einige Bürotage und viel Papierarbeit.

„In den letzten Jahren werden die Leute immer verrückter und aggressiver. Der Respekt gegenüber Amtspersonen hat merklich abgenommen.“

Georg Stamm

Schutzweste und Notfallknopf

Nur ganz wenige Vollstreckungsaufträge seien risikobehaftet. Wenn beispielsweise Personen im Rahmen einer Räumung oder Vollstreckung aus einem Haus herausgeholt werden müssen, treffe er entsprechende Vorkehrungen. „In den Fällen, wo ein gewisses Risiko besteht und man nicht weiß, was alles passieren kann, lasse ich mich von Polizeibeamten begleiten.“ Zu seiner eigenen Sicherheit trägt Georg Stamm bei diesen Einsätzen eine ballistische Weste, die ihn vor Kugeln oder Messerstichen schützen soll. Zusätzlich hat der 63-Jährige seit neuestem ein kleines Alarmsystem mit einem Notfallknopf. Über dieses kann er sich direkt mit der Polizeidienstelle verbinden und seinen genauen Standort teilen. „Meine Kollegen bekommen jetzt auch Pfefferspray und Reizgas. Dafür braucht man aber auch wieder eine spezielle Schulung. Daher habe ich mich nicht mehr dafür entschieden, weil ich nächstes Jahr in Pension gehe.

Georg Stamm ist Gerichtsvollzieher beim Amtsgericht in Plettenberg. In diesem Jahr ist er 40 Jahre im Dienst der Justiz.
Über ein kleines Alarmsystem mit Notfallknopf und GPS kann eine direkte Verbindung zur Polizei hergestellt werden. © Jonas Kalisch | Jonas Kalisch

Georg Stamm habe in seinen eigenen Vollstreckungsaufträgen und im direkten Umfeld keine Fälle erlebt, in denen es zu tätlichen Angriffen und Verletzungen auf Gerichtsvollziehern kam. In Plettenberg habe sich einmal ein Polizeibeamter den Finger gebrochen, als sich Personen bei einer Räumung gegen die Vollstreckungsbeamten zur Wehr setzten. „In den letzten Jahren werden die Leute immer verrückter und aggressiver. Der Respekt gegenüber Amtspersonen hat merklich abgenommen.“ Es komme schonmal vor, dass Personen Georg Stamm verbal angreifen und vor ihm auf den Boden spucken. Da verliere man für einen kurzen Moment die Lust am Job. Grundsätzlich versuche er aber, mit beendeten Aufträgen sofort abzuschließen und nicht mehr viel darüber nachzudenken. Distanz zwischen Arbeit und Privatleben sei für ihn sehr wichtig. Auch Mitleid mit Schuldnern, gegen die Vollstreckungen und Pfändungen vollzogen werden, müsse man versuchen abzustellen, auch wenn es traurig klinge.

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Trotz seiner langen Amtszeit reize ihn der Job auch heute noch. „Man ist zwar Beamter des Landes Nordrhein-Westfalen und hat den Direktor des jeweiligen Amtsgerichts als Vorgesetzten, aber man ist in gewisser Weise auch selbstständig, mit einem eigenen Büro und organisiert sich selber. Der finanzielle Aspekt ist natürlich auch ausschlaggebend.“