Olpe/Hillmicke. Naturschutz-Beirat sprach in zwei Fällen Befreiungen vom Bauverbot im Landschaftsschutzgebiet aus: Besondere Umstände kommen zur Geltung.
Das Bauen unterliegt in Deutschland strengen Regeln. Und besonders kompliziert wird es, wenn die Bauvorhaben nicht in Gewerbe- oder Wohngebieten geplant sind, sondern dort, wo der Landschaftsschutz eine besondere Rolle spielt. Denn dann gilt es, das Einvernehmen mit dem zuständigen Beirat der Unteren Naturschutzbehörde herzustellen.
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Viele kleinere Maßnahmen kann der Vorsitzende dieses Gremiums in Form von Eilentscheidungen selbst durch eine Befreiung vom Landschaftsschutz freigeben und rückwirkend dem Beirat vorlegen, in dem sich die Nutzer und die Schützer der Landschaft die Waage halten: Hier sitzen Jäger, Waldbauern, Arten- und Umweltschützer, Landwirte und Forstfachleute am Tisch und stimmen ab, ob im Einzelfall der Landschafts- oder gar Naturschutz höher zu werten ist als nötige Eingriffe.
Bei der jüngsten Sitzung dieses Gremiums gab es zwei Punkte, die Vorsitzender Franz-Josef Göddecke nicht in einer Eilentscheidung freigeben wollte: zum einen einen Brückenbau, zum anderen das Ausweiten einer bisherigen Stallanlage zu einem kompletten Bauernhof. Beide Maßnahmen berühren die Ortschaft Hillmicke, genauer: das Bachtal, das dem Dorf seinen Namen gibt, aber ein Tal weiter in Richtung Westen liegt.
Da ist zum einen eine kleine Brücke, die die Hillmicke überquert. Sie führt den Gerlinger Weg von der Hillmicker Siedlung ins Industriegebiet Auf der Mark. Die Gemeinde Wenden als zuständiger Straßenbaulastträger will diese mit Natursteinen verblendete Stahlbetonbrücke 2025 abreißen und durch eine neue Brücke ersetzen. Der Neubau sei nötig, weil die vorhandene Brücke baufällig sei „und nach heutigen Anforderungen nicht ausreichend tragfähig“, so die Vorlage für den Naturschutzbeirat. Die neue Brücke der beliebten Abkürzung – viele Hillmicker nutzen sie auf dem Weg nach Gerlingen oder zur Arbeit Auf der Mark – soll aus Stahlbetonfertigteilen erbaut werden. Der Hillmickebach wird währenddessen entweder vorübergehend verrohrt oder umgeleitet. Als Bauzeit gibt der Beirat rund drei Monate an.
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Weil das Bauwerk aber mitten in einem Landschaftsschutzgebiet Typ B liegt, ist hier eigentlich streng verboten, „Gewässer aller Art oder deren Ufer zu beschädigen, zu verändern oder zu zerstören“, auch bei Bauarbeiten. Eine Befreiung davon kann nur dann ausgesprochen werden, „wenn dies aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer und wirtschaftlicher Art, notwendig ist“. Da die baulichen Eingriffe so schonend wie möglich erfolgen sollen, überwiege das öffentliche Interesse an einer verkehrssicheren Brücke die naturschutzfachlichen Belange des Landschaftsschutzes. Die Mitglieder des Beirats folgten diesem Rat einstimmig. Allerdings gab es einen Hinweis: Die Gemeinde möge doch bitte die Fischereigenossenschaft beteiligen, damit diese gegebenenfalls vor Beginn der Bauarbeiten etwa durch Elektrobefischung den Besatz schonen könne. „Die weiß nämlich bisher nichts davon“, erklärte Ausschussmitglied Gerd Maßing.
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Dasselbe Tal, anderthalb Kilometer weiter: Ein in Hillmicke ansässiger landwirtschaftlicher Betrieb plant, einen Außenstall zu einer vollständigen Hofstelle auszubauen. Auf einem Grundstück unmittelbar neben der Autobahn 4 sollen künftig laut Beschlussvorlage „Schweine, Mutterkühe nebst Nachzuchten, Legehennen und Mastgeflügel sowie zwei Pferde“ gehalten werden, wobei sämtliche Tiere auf Einstreu stehen sollen, sodass nur Festmist anfällt, keine Gülle. En detail ist vorgesehen, ein Betriebsleiterwohnhaus, einen Schweinestall, einen Pferdeunterstand und eine Mistlagerstätte mit Strohlager zu errichten. Ein vorhandener Stall für die Mutterkuhhaltung bleibt erhalten, eine derzeitige Scheune soll hingegen abgebrochen werden. Außerdem wird ein Feuerlöschteich angelegt. Um den nötigen Baugrund zu schaffen, wird die bereits vorhandene Anschüttung erweitert, und zwar um etwa 10.500 Kubikmeter.
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Die Befreiung war mit mehr Diskussion verbunden als die Brücke. Vorsitzender Göddecke erklärte, er habe sich geweigert, „dieses Verfahren per Eilentscheidung abzuarbeiten. Ihn störe insbesondere, dass die Zuwegung „in miserablem Zustand“, sei. Weiterhin hege er Bedenken, weil die Fläche recht nahe am Naturschutzgebiet Hillmickebach liege: „Ich weiß nicht, wie günstig die Entwicklungsmöglichkeiten dieses Betriebs sind.“ Zudem hätten die Wanderfreunde Drolshagen schriftlich ihr Unbehagen über das Vorhaben geäußert. Auf Nachfrage von Waldbauer Michael Bieke berichtete die Kreisverwaltung, die Landwirtschaftskammer habe das Vorhaben geprüft und das Betriebskonzept bejaht. Kreisdirektor Philipp Scharfenbaum ergänzte, die Verwaltung habe sich ihre Empfehlung für eine Befreiung „auch nicht leichtgemacht“ Ganz wesentlich sei, dass das auf dem Grundstück aufgefangene Niederschlagswasser nicht in die Hillmicke geleitet, sondern versickert werde.
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Ein Mitglied der antragstellenden Familie ergänzte, sie hätten im Rahmen einer Flurbereinigung sämtliche Eigentumsflächen dorthin verlagert, und zwar, bevor das Landschaftsschutzgebiet zu einem solchen erklärt wurde, sodass es gar keine Alternative für einen Standort gebe. Daraufhin folgten die Beiratsmitglieder dem Antrag auf Befreiung einstimmig. Sollte das Betriebsleiterwohnhaus wie geplant erbaut werden, leben dann erstmals nach fast 400 Jahren wieder Menschen im Hillmicketal: Der Legende zufolge wurde das ursprüngliche Dorf im Dreißigjährigen Krieg nach mehrfachen Brandschatzungen vom Hillmicke- ins Hakemicketal umgesiedelt.