Ennest. Eine berührende Geschichte: Karsten Wehmeier, amtierender Schützenkönig in Ennest, ist wieder krebsfrei. Jetzt traf er seinen Lebensretter.

Es war nur ein einfaches Wattestäbchen. Doch es sollte das Leben von Thomas Würz aus Deggendorf und Karsten Wehmeier aus Attendorn für immer verändern. Denn dieses Wattestäbchen war notwendig, damit sich der Bayer vor einigen Jahren in der Datenbank der DKMS registrieren konnte. Damit rette er Karsten Wehmeier vor zwei Jahren das Leben. Rückblick: Eigentlich fühlte sich Karsten Wehmeier im Sommer 2020 nur erschöpft. Nach dem Duschen kribbelte seine Haut unangenehm und es kam starkes Nasenbluten hinzu. „Ich war damals Personalleiter bei Thyssenkrupp in Duisburg. Ich war nur am Wochenende zuhause und der Job war sehr fordernd. Also dachte ich zunächst an ein klassisches Burnout“, erinnert sich der 55-Jährige. Sein Weg führt ihn zu seinem Hausarzt Dr. Laufenberg, der ihm Blut abnimmt und krankschreibt. Schnell ist klar, die Lage ist ernst.

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Er wird in die onkologische Praxis Müller-Naendrup in Olpe überwiesen und sitzt kurze Zeit später Facharzt Dr. Christian Obernüfemann gegenüber. „Der erklärte mir, dass ich Polycythaemia vera, kurz PV, habe. Das ist eine seltene Krebserkrankung, bei der es zu einer Vermehrung der Blutzellreihen, bei mir der roten und weißen Blutkörperchen, im Blut kommt. Ursache ist eine Mutation einer blutbildende Stammzelle im Knochenmark. Ich hatte eine Genmutation, und war weder Spider- noch Superman.“

Für den Familienvater ein echter Schock. „Es ging so schnell, dass sich mein Leben von heute auf morgen komplett auf den Kopf stellte. Ich hatte zum Glück meine Familie und wirklich gute Freunde an meiner Seite.“ Zunächst nimmt er Blutverdünner und alle drei Monate soll eine Blutwäsche stattfinden, um die überschüssigen Zellen aus dem Blutkreislauf zu entnehmen und die vergrößerte Milz zu entlasten. Doch schnell steht fest, das reicht nicht. Das Zeitfenster wird auf alle sechs Wochen gelegt. Im September 2021 werden schließlich Zytostatika eingesetzt, kurze Zeit später folgt Interferon. Im Februar 2022, nach einer weiteren Knochenmarkspunktion, stellt sich heraus: Es ist nicht nur ein Gen defekt, mittlerweile sind fünf Gene betroffen.

So hat es sich Karsten Wehmeier (rechts) gewünscht: Er ist König in Ennest und sein Bruder Andreas (links) amtierender Kaiser. 
So hat es sich Karsten Wehmeier (rechts) gewünscht: Er ist König in Ennest und sein Bruder Andreas (links) amtierender Kaiser.  © Barbara Sander-Graetz | Barbara Sander-Graetz

Seine nächste Station ist die Uniklinik Marburg. Prof. Dr. med. Andreas Burchert erklärt ihm ganz klar, seine Lebensperspektive zu diesem Zeitpunkt betrage etwa ein Jahr. „Das zweite Jahr würde schwierig werden“, machte er mir deutlich. Die einzige Rettung: Ein Stammzellenspender. Zunächst sieht es so aus, als könnte sein Bruder Andreas helfen. Doch nach weiteren Testungen scheidet er aus. Das gilt für die ganze Familie. Also wird in der Datenbank der DKMS gesucht. „Im Mai 2022 kam der Anruf. Wir haben einen passenden Spender.“

Dann geht es schnell. Im Juni kommt er in die Uniklinik. Das erkrankte Knochenmark wird über sechs Tage mit einer hochaktiven Chemotherapie komplett zerstört. „Einen Tag vor der geplanten Transplantation habe ich eine Lebervenenthrombose bekommen und war gelb wie ein Rapsfeld.“ Doch die Ärzte bekommen das in den Griff und die Transplantation kann stattfinden. „Das war der 5. Juli 2022 und ist mein zweiter Geburtstag“, blickt er heute voller Dankbarkeit zurück. Es folgten fünf Wochen Isolation, um zu sehen, ob die Stammzellen sich im Knochenmark angesiedelt haben und neue und gesunde Blutzellen herstellt.

Graft-versus-Host-Reaktion

„Das ist zermürbend und man braucht echt Geduld“. Doch schließlich hat er die magischen 1000 Leukos und kann nach Hause. Doch es ist noch nicht geschafft. Seine Haut beginnt zu jucken und seine Leber droht zu versagen. Er hat die Graft-versus-Host-Reaktion. „Das kann als Folge der Stammzellentransplantation auftreten“, weiß Karsten Wehmeier. Ein gutes halbes Jahr kämpft er mit den Nebenwirkungen, doch im April 2023 geht es endlich aufwärts. Es folgt eine Reha und im Dezember 2023 schafft er es sogar zurück in den Beruf. „Doch meine Prioritäten haben sich komplett verschoben. Ich bin beruflich einen Schritt zurückgetreten. Ich bin nicht mehr in Duisburg, sondern in Kreuztal und Finnentrop im Einsatz. Meine Arbeit endet pünktlich und bestimmt nicht mehr mein ganzes Leben.“

„Die Hofstaatliste habe ich noch in der Klinik geschrieben.“

Karsten Wehmeier über seinen wahrgewordenen Traum, Schützenkönig in Ennest zu werden.

Den Traum, einmal Schützenkönig von Ennest zu werden, erfüllt er sich in diesem Jahr. „Die Hofstaatliste habe ich noch in der Klinik geschrieben.“ Mit seinem Freundeskreis ist er dieses Jahr auf Wacken und die zwei Dauerkarten für die Handballer des VfL Gummersbach hat der ehemalige Spieler auch in der Tasche. Ein Besuch des Liverpooler Fußballstadions steht noch auf seiner Liste. „Außerdem wollte ich meinen Lebensretter kennenlernen.“ Über die DKMS stellt er einen Antrag. „Am 5. Juli diesen Jahres, also an meinen zweiten Geburtstag, komme ich abends vom Fußballgucken bei Nachbarn nach Hause und sehe eine Nachricht auf meinem Handy von meinem Stammzellenspender. Einen Tag später haben wir dann telefoniert und letzten Monat haben wir uns getroffen.“

Letzten Monat konnte Karsten Wehmeier (rechts) seinen Spender und
Letzten Monat konnte Karsten Wehmeier (rechts) seinen Spender und "Blutsbruder" Thomas Würz persönlich kennenlernen.  © privat | Privat

Der Spender kommt aus Bayern, ist bei der Kripo und hat sich schon vor Jahren registrieren lassen. „Er hat früher ehrenamtlich Stammzellen auf dem Transport vom Spender zum Empfänger begleitet und daher war es für ihn klar, sich selber auch als Spender zur Verfügung zu stellen.“ Dabei war auch eine große Portion Glück im Spiel, denn die Benachrichtigung, dass er in Frage kommt, war eigentlich in seinem Spam Ordner gelandet. „Er hat sie da verspätet, aber zum Glück für mich noch rechtzeitig gefunden und reagiert.“

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Auch für Thomas Würz ist die Spende ein Lebensereignis. „Dabei war alles, was ich dazu beitragen musste, mir ein Wattestäbchen in den Mund zu stecken und Stammzellen zu spenden. Karsten und ich sind nun Blutsbrüder, im wahrsten Sinne des Wortes.“ Karsten Wehmeier ist zurzeit krebsfrei. „Ich möchte auf diesem Wege auch dem ganzen medizinischen Personal in allen Praxen und Kliniken danken. Ich habe sie als ausgezeichnet ausgebildet und emphatisch erlebt. Danke, ihr leistet hervorragende und unbezahlbare Arbeit für uns Patienten.“