Olpe. Dramatischer Einbruch der Schülerzahlen übertritt Landesschnitt bei weitem. Immer weniger Nachfrage nach Ausbildungsberufen.

Eigentlich könnte sich die Kreisverwaltung stolz zurücklehnen und das Gehörte ausdrucken und gerahmt an die Wand hängen. Denn das, was Georg Heller von der Gesellschaft für Beratung sozialer Innovation und Informationstechnologie (GEBIT) am Donnerstag über die Situation des Berufskollegs des Kreises Olpe zu sagen hatte, kann einen Schulträger stolz machen. Da war die Rede von einem „gepflegten Zustand der Gebäude“, der Kreis erfülle hier „wirklich einen hohen Standard, wenn man landesweit vergleicht“. Auch sei die technische Ausstattung aller drei Standorte nur als „hervorragend“ zu bezeichnen, so der Fachmann, der auch noch die „enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Schule und Träger“ lobte. Er stellte den Entwurf des Schulentwicklungsplans vor, der tatsächlich kaum Handlungsbedarf für den Kreis als Schulträger beinhaltet. Doch dann kamen Aussagen, die den Kreis zwar nur mittelbar, aber nicht weniger hart treffen. Heller fasste es so zusammen: „Die wichtigsten Herausforderungen für die Sicherung der Zukunft des Berufskollegs sind nicht Sache der Schule oder des Trägers, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“.

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Denn dem Berufskolleg des Kreises Olpe seien in den vergangenen zehn Jahren fast 30 Prozent an Schülerinnen und Schülern verloren gegangen. Dies sei deutlich heftiger als im Bezirksregierungs- und im Landesvergleich und weit stärker, als es der demografische Rückgang begründen lasse. Vielmehr sei dies die Folge davon, dass immer weniger junge Menschen aus dem Kreis Olpe sich für eine Berufsausbildung in Handwerk, Handel oder Industrie entschieden. Hier seien die Bewerberzahlen um sage und schreibe 47 Prozent gesunken. „Auf 100 freie Ausbildungsstellen gab es vor zehn Jahren im Landesschnitt 136 Bewerber, heute sind es 93, im Kreis Olpe aber gerade mal 43.“

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Für das Berufskolleg bedeute dies sinkende Schülerzahlen an praktisch allen Schulzweigen. Es gebe nur einen einzigen Bereich mit deutlichem Nachfragezuwachs, und das sei die Fachschule für Sozialpädagogik in Olpe, dem Schulzweig, an dem die händeringend gesuchten Erzieherinnen und Erzieher vorwiegend für den Bereich Kindertageseinrichtungen ausgebildet werden. Doch ausgerechnet hier, so Heller, sei derzeit extremer Lehrkräftemangel zu spüren, sodass der Bedarf an Anmeldungen nicht befriedigt werden könne. Zwar sei der extreme demografische Rückgang beendet, ab 2027 seien sogar leicht steigende Zahlen registriert, doch müsse die Stärkung der Berufsorientierung eine ganz andere Rolle einnehmen als bisher, um dafür zu sorgen, dass viele Ausbildungsberufe im Kreis Olpe nicht aussterben.

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Der Referent erhielt viel Applaus für seinen gerafften, aufs Wesentliche konzentrierten und kompetenten Vortrag, der zahlreiche Wortmeldungen auslöste. Holger Mester (CDU) erklärte, das Problem des Fachkräftemangels in der Pädagogik sei auch in der Jugendhilfe deutlich. Daher sei es mehr als wünschenswert, die Erzieherinnen-Ausbildung vor Ort zu erhalten. Peter Nelles von der SPD: „Auf gut Deutsch kann man sagen, am demografischen Wandel könnt ihr, Kreis Olpe, nichts machen, aber ansonsten hoch die Tassen. Aber wie begegne ich dem Lehrermangel? Wir können Schüler nur halten, wenn wir Ausbildungsgänge anbieten, und das können wir nur, wenn wir Lehrer haben. Wie ist die Entwicklung da?“ Referent Heller unterstrich, es gebe auch darauf keine Generalantwort. „Sie als Kreis haben da Mitwirkungsmöglichkeiten, aber nicht über einen Schulentwicklungsplan. Besonders die Wirtschaft hat da ganz großen Einfluss.“

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IHK-Geschäftsführerin Sabine Bechheim, die dem Ausschuss als sachkundiges Mitglied angehört, unterstrich die Aussagen von Heller, warf aber einen „kleinen Hoffnungsschimmer“ in den Saal: „Zumindest im IHK-Bezirk Siegen gibt es insbesondere im gewerblich-technischen Bereich steigende Zahlen, da ist offensichtlich Bewegung. Aber ich kann nur unterstreichen: Wir müssen dafür sorgen, dass junge Menschen davon erfahren, dass sie mit einer Lehre gute Berufschancen haben. Wo wir aufpassen müssen, ist, wenn wir Klassen verlieren.“ Nach den derzeit gültigen Regularien wanderten immer mehr Fachklassen weg von kleinen an große Berufskollegs, weil der Schwellenwert von 16 Schülern quasi in Stein gemeißelt sei. Und in Nordrhein-Westfalen bedeute das quasi immer, dass die Klassen an kleinen Schulen geschlossen würden. „Ich weiß nicht, warum der Weg von A nach B länger ist als der von B nach A, das habe ich in der Schule anders gelernt. In Hessen ist das ganz anders, da gibt es zum einen geringere Klassenfrequenzen und da geht es auch mal von Frankfurt nach Dillenburg statt umgekehrt.“ Ihr Rat: Der Kreis müsse auf Bezirksregierung und Schulministerium einwirken, um Lösungen für den Erhalt ortsnaher Berufsschulklassen zu finden.

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Der Ausschuss nahm die Empfehlungen des Fachbüros einstimmig an und gab die Beratungen so mit positivem Rückenwind an den Kreistag weiter, der den Schulentwicklungsplan endgültig beschließen muss. Bestandteil ist unter anderem, dass alle drei Kolleg-Standorte auf Dauer erhalten bleiben sollen, in Attendorn, einschließlich der Anmietung der ehemaligen Albert-Schweitzer-Schule, laut Gutachter Heller schon durch die Topografie des Kreises ein sinnvoller Schritt.