Wetter/Nassau. Praktische Helfer für den Haushalt haben Günter Leifheit bekannt gemacht. Geboren wurde er in Wetter. Aktuell gerät seine NS-Zeit in den Blick.
Drei lange Rollen, die den Staub aus dem Teppich kehren. Dazu der Spruch: „Nie mehr ohne Leifheit.“ Der Werbespot ist aus den Sechziger Jahren, als die mechanischen Teppichreiniger von Günter Leifheit in jede Besenkammer gehörten. Was wohl die meisten Wetteraner nicht wissen: Günter Leifheit ist Wetteraner. Hier geboren, zur Schule gegangen - und zum Jungvolk und zur Hitlerjugend. Nicht allein deswegen findet der 2009 verstorbene Unternehmer gerade so viel Aufmerksamkeit. Plötzlich ist auch seine Mitgliedschaft in der Waffen-SS und als Kämpfer in der „Leibstandarte Adolf Hitler“ Thema.
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Günter Leifheit wurde am 13. Dezember 1920 als letztes von fünf Kindern der Eheleute Heinrich Wilhelm und Anna Leifheit in Wetter an der Ruhr geboren. Sein Vater war Werkzeugmeister, Günter Leifheit besuchte bis zum 14. Lebensjahr die katholische Volksschule in seiner Heimatstadt, fing dann eine kaufmännische Ausbildung in Dortmund an und lernte von 1936 bis 1938 Maschinenschlosser bei der Demag in Düsseldorf, bei der auch sein Vater beschäftigt war. In der Nachkriegszeit baute er in Nassau an der Lahn den Reinigungs- und Küchengerätehersteller mit seinem Familiennamen auf. Bleiben die Jahre davor.
Karriere in der Hitler-Jugend
Mit elf Jahren schon trat Leifheit in das Deutsche Jungvolk ein, die Kinderorganisation der Hitlerjugend. „Bemerkenswert daran ist vor allem, dass die HJ vor der nationalsozialistischen Machtergreifung im Januar 1933 gegenüber anderen politischen oder konfessionellen Jugendorganisationen der Weimarer Republik unbedeutend geblieben war. Wer der HJ vor 1933 beitrat, tat das freiwillig“, schreibt Stefan Holler. Er hat im Sommer dieses Jahres eine Studie über Günter Leifheit und seine nationalsozialistische Vergangenheit öffentlich gemacht.
Holler zeichnet die Schritte von Leifheits NS-Karriere nach: Zunächst führte er eine Jungenschaft, dann einen Jungzug, ein Fähnlein, einen Jungstamm, bis er im Sommer 1939 zum Jungbann Wuppertal versetzt und zum hauptamtlichen Jungbannführer berufen wurde. Dieser Aufstieg brachte mit sich, dass Günter Leifheit nicht mehr als Maschinenschlosser arbeitete, sondern hauptamtlich und auch bezahlt für die HJ tätig war. Mit 18, früher war das nicht möglich, war er Mitglied der NSDAP.
Kein Hinweis auf Kriegsverbrechen
Bei der Waffen-SS brachte es Leifheit bis zum Kompanieführer. Die Waffen-SS spielte eine Sonderrolle unter den kämpfenden Verbänden. Ihre Geschichte sei die einer „ununerbrochenen Kette von Gewaltverbrechen“, zitiert Stefan Holler aus einer wissenschaftlichen Veröffentlichung. Dies gelte für den Partisanenkampf ebenso wie für das Töten von Kriegsgefangenen. Allerdings bedeute die überdurchschnittliche Verstrickung in Kriegsverbrechen nicht, dass jeder einzelne Soldat der Waffen-SS zum Kriegsverbrecher wurde. Tatsächlich konstatiert Holler: Es gibt keinen Hinweis für eine persönliche Beteiligung Leifheits an Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Ein völliger Freispruch von persönlicher Verantwortung aber ist das nicht. Günter Leifheit habe „das NS-Regime nicht nur passiv geduldet und akzeptiert, sondern er war während der gesamten NS-Zeit ein aktiv handelndes, gut funktionierendes, engagiertes Rad im Getriebe.“ Das wird auch deshalb heute zum Problem, weil Leifheit die Zeit vor seinem Erfolg als Wirtschaftskapitän nahezu völlig unbelichtet gelassen hat, dafür aber in Nassau und in Garmisch-Partenkirchen, wo er einen Zweitwohnsitz hatte, zweistellige Millionenbeträge als Sponsor gegeben hat. Ein Bild zeigt ihn mit seiner Frau 2007 bei der Enthüllung eines Denkmals für den Freiherrn von und zum Stein, ganz so, wie es auch am Rathaus seiner Geburtsstadt zu finden ist.
In Nassau ist er seit 1991 Ehrenbürger, 2006 verlieh ihm der damalige Ministerpräsident Kurt Beck den Verdienstorden des Landes Rheinland-Pfalz. In der Stadt an der Lahn tragen ein Schulcampus und ein Kulturhaus seinen Namen. Eine nach ihm und seiner Frau benannte Stiftung finanziert über seinen Tod hinaus vor allem soziale Projekt. Nachdem die Inhalte der Studie Ende August bekannt wurden, sehe sich die Stadtspitze quasi von der Entwicklung überrollt, berichtete der SWR. Der Bürgermeister will die NS-Vergangenheit des Großmäzens Leifheit auf den Prüfstand stellen.
Bislang sei der Schulnamensgeber und finanzielle Förderer Leifheit an der Schule rein positiv besetzt gewesen, so der Schulleiter des privaten Gymnasiums Leifheit-Campus laut SWR. Wörtlich wird er so zitiert. „Günter Leifheit hat viele Verdienste als Unternehmer und als Mäzen. Ohne ihn gebe es unsere Schule nicht. Nur diese nationalsozialistische Vergangenheit ist schlimm, und das muss jetzt eben in den Gesamtzusammenhang eingeordnet werden.“ Helfen soll dabei, die bisher ausgelassene Zeit im Leben des Gönners zum Gegenstand im Geschichtsunterricht zu machen.
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Stefan Holler versucht ein erstes Abwägen: Auf der einen Seite stehe Günter Leifheit als erfolgreicher Unternehmer und großzügiger Stifter. Auf der anderen Seite habe er sich nach 1945 nicht, zumindest nicht öffentlich wahrnehmbar, zu seiner Vergangenheit bekannt und sich von seiner nationalsozialistischen Überzeugung aktiv distanziert. Bei einem Vorbild und Aushängeschild aus heutiger Perspektive ein Problem: Für die Frage, ob die Schule oder Straßen in Nassau möglicherweise den Namen ändern müssen, war es für den Schulleiter wie den Bürgermeister Ende August noch zu früh.
In Wetter, der Geburtsstadt von Günter Leifheit, heißt das Gymnasium nach den Geschwistern-Scholl. Sie waren Opfer des NS-Regimes. Gerade läuft eine Prüfung, ob mehrere Straßennamen nicht von den Straßenschildern in Wetter verschwinden sollten, weil die Namensgeber nach neuer Bewertung nicht mehr als Vorbilder gesehen werden können. Günter Leifheit ist davon nicht betroffen. Nach ihm ist in Wetter keine Straße benannt, nach anderen Wirtschaftsführern mit zweifelhaftem Verhalten in der NS-Zeit schon.
Vorschnellen Aburteilungen stellt sich Stefan Holler in den Weg. Auf der letzten der insgesamt 51 Seiten seiner Studie heißt es: „Wenn man so will, nahm Günter Leifheit eine Entwicklung vom Saulus zum Paulus - was anzuerkennen ist.“ Dieser Wandel könne aber nur anerkannt werden, wenn er auch bekannt und transparent gemacht werde. Es war ein Wandel vom Saulus in Wetter zum Paulus in Nassau.