Herdecke/Hagen. Nach gescheiterten Verhandlungen mit Eigentümer Amprion stellt Stadt Herdecke Anbindung an Ruhrtalradweg von Hagen zum Schiffswinkel in ihren Fokus.

Die hiesigen Probleme hätten die Verantwortlichen der Carolina-Brücke in Dresden sehr gerne. Auch zwischen Herdecke und Hagen ist die Zukunft eines Überwegs ungeklärt, wobei die Situation am Hengsteysee natürlich längst nicht so dramatisch daherkommt wie an der Elbe. Am heimischen Schiffswinkel hat aber ein Rätselraten begonnen, wer dort was übernimmt und ob sogar ein Neubau als vermeintlich beste Lösung Sinn ergibt.

Amprion bricht Verhandlungen ab

Eine Woche nach der Mitteilung für die Hagener Politik erklärten nun Vertreter der Stadt Herdecke im Fachausschuss die vertrackte Lage. Auf Anfrage der SPD-Fraktion berichtete Beigeordneter und Kämmerer Dennis Osberg, dass das Unternehmen Amprion als Eigentümer der besagten Hengstey-Brücke die Verhandlungen mit den Verwaltungen abgebrochen habe. Während der langwierigen Gespräche hatten aber Techniker vor allem von den Hagener Wirtschaftsbetrieben aufgrund des fragwürdigen Zustands des Überwegs abgeraten, das Bauwerk vom Netzbetreiber zu übernehmen.

Radweg hat Priorität

„Für uns in Herdecke hatte stets der Ruhrtalradweg und eine gute Anbindung darüber Priorität“, sagte Osberg und dachte auch an heimische Gastronomien oder Geschäfte, die von Touristen profitieren. Diese vom ADFC mit vier Sternen ausgezeichnete Route führt bekanntlich über die Hengstey-Brücke, auf der Bauzäune und Bodenschäden das Bild trüben. Für die wichtige Zertifizierung als Premium-Radweg stehen immer wieder Begehungen an. Dabei kam stets heraus, dass der Abschnitt vom Hagener zum Schiffswinkel-Ufer nicht optimal sei, handelt es sich dabei doch um eine „Schiebestrecke“. Pedaltreter sollen angesichts der recht engen Zustände und wegen der verlegten Gleise absteigen, um nicht zu stürzen oder in Konflikte mit Fußgängern zu geraten.

Neubau nach Ende der Gespräche

„Durch den Verhandlungs-Abbruch von Amprion haben wir Alternativen in den Blick genommen, dazu zählt ein Neubau neben der bestehenden Brücke“, berichtete der 1. Beigeordnete. Diese Konstruktion lasse sich breiter gestalten, damit Radfahrer ihr Gefährt nicht mehr schieben müssen und es keine Probleme im Begegnungsverkehr mit Spaziergängern oder Joggern gibt.

Drei Sterne als Abwertung

Auch Daniel Matißik als Leiter des Bau- und Planungsamtes unterstrich die Bedeutung und die Klassifizierung des Ruhrtalradwegs, eine Abstufung würde Nachteile für Herdecke mit sich bringen. „Es gibt hunderte Drei-Sterne-Routen in Deutschland“, so dass die Route hier womöglich „in der Bedeutungslosigkeit verschwinden“ könnte. Matißik skizzierte auch noch einmal die Abläufe. Als erste Option wollten Hagen und Herdecke die Brücke von Amprion übernehmen. „Das ist hinsichtlich Unterhaltung kein einfaches Bauwerk, dabei geht es auch um die Wirtschaftlichkeit. Wenn wir es aber bekommen hätten, wären auch Überlegungen zum Zuge gekommen, quasi den oberen Teil auf den Pfeilern abzureißen und etwas Neues vor allem zugunsten der Radfahrer zu errichten“, so der Bauamtsleiter. Nach den gescheiterten Verhandlungen gehe es nun darum, eine wichtige Anbindung zu erhalten und die Umrundung der Seen weiter zu ermöglichen.

Auch interessant

Seitens der Politik kamen vor allem Fragen, wie es nun weitergehe. Laut Osberg loten die Stadtverwaltungen Hagen und Herdecke sowohl untereinander als auch beispielsweise mit dem Ruhrverband nun aus, ob ein Brücken-Neubau realistisch sei und Fördermittel für dieses wichtige Tourismus-Projekt in Frage kommen. „Für einen Neubau liegt noch kein Beschluss vor, wir stehen erst am Anfang, das wäre noch ein langer Weg“, betonten beide Vertreter der Stadt Herdecke. Gleichwohl sei dies eine prüfenswerte und möglicherweise gute Option, zu den Kosten lasse sich noch nichts sagen. Zu beachten sei, dass derzeit 80 Prozent des Bauwerks auf Hagener Gebiet stehen.

Schienen als Streitthema

Auch die Schienen auf der Brücke und im nahen Umfeld spielen in dem Zusammenhang eine Rolle. Einen Überweg ohne Gleise bevorzugen die Stadtverwaltungen, wobei ein entsprechender Rückbau laut Matißik einigen Aufwand mit sich bringe. Dabei gehörte es, so Irmingard Schewe-Gerigk von den Grünen, zu den Aufgaben der Städte Hagen und Herdecke, die Oberfläche der bestehenden Eisenbahnbrücke herzurichten. Der Bauamtsleiter zweifelt daran, ob dies nach einer rechtlichen Prüfung Bestand habe und sieht Amprion diesbezüglich in der Verantwortung.

>>> hier gibt es weitere Artikel aus Wetter und Herdecke

Daniel Matißik kam auch auf die gegründete gGmbH „Koepchenwerkanschlussbahn“ mit vielen Herdecker Akteuren zu sprechen. Diese gemeinnützige Gesellschaft, die bekanntlich mit Amprion verhandelt und den Überweg mitsamt der Schienen zugunsten eines Museumsverkehrs übernehmen will, sieht der Bauamtsleiter kritisch. „Wenn die Brücke an die gGmbh geht, stellt sich doch die Frage nach der Verantwortlichkeit und Unterhaltung in den nächsten 20 oder 40 Jahren. Welche Finanzmittel sollen da fließen? Da wird sicher einiges auf die Städte zukommen hinsichtlich Instandhaltung.“ Die schöne Option, dass dort Züge Gäste zum Koepchenwerk befördern, biete zwar einen Mehrwert, sei aber auch ein Abenteuer und würde im Umsetzungsfall immer wieder zu Sperrungen für Radfahrer oder Fußgänger führen.

Die gerade erst gegründete Gesellschaft habe noch nie den Kontakt zur Stadt Herdecke gesucht, kritisierte Matißik. Er wundere sich über dieses Verhalten eines möglichen Partners und betrachte die gGbmH aus den Reihen der AG Koepchenwerk als „Konkurrenz, die unsere Verhandlungsposition gegenüber Amprion geschwächt hat. Das hat für mich ein kleines Geschmäckle.“

Lösung in weiter Ferne

Während Schewe-Gerigk den Bau einer zweiten Brücke als „absurd“ und fast schon als einen Schildbürgerstreich bezeichnete, verwies Osberg auf die Wirtschaftlichkeit. Die Übernahme der alten Konstruktion, zu der die Städte bei Einsicht der Unterlagen eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnen mussten, hätte Risiken und einige Folgekosten zwecks Instandhaltung mit sich gebracht. Unter dem Strich fanden dann alle nur zu einer einmütigen Einschätzung: Am unteren Hengsteysee gehe es weiter darum, „etwas Vernünftiges“ zu erreichen.