Vorhalle. Im 70.Jahr des Bestehens verändert sich der Club. Bis heute gibt es ein Geheimnis um seine Gründung.
Über 40 Jahre lang befand sich ihr Vereinsheim in der Reichsbahnstraße. Das passte irgendwie. Die Straße selbst, sehr nah gelegen an den Anlagen des nahen Güterbahnhofes, genoss viele Jahre - ohne zu sehr in den Details versinken zu wollen - ein stiefmütterliches Image. Sozial schwierig, oft knallte es. Mittendrin: die Karnevalisten, die durch die Lage ihres Heimes - gewollt oder ungewollt - auch die ganze Bandbreite des Stadtteiles Vorhalle abbildeten. Im 70. Jahr ihres Bestehens sind sie aber nun umgezogen. Und zwar in den Wald.

Dennis Rehbein zuckt mit den Schultern. Er ist hier Präsident und Teil dieses Vereins seit er Kind war. Sein Vater Berni war schon Vorhaller Bauer - die Symbolfigur des Vereins -, sein Onkel Heinz ebenso, sein Cousin auch. Und er natürlich auch. So jemand sollte alles wissen, könnte man meinen. Einen blinden Fleck gibt es aber. Niemand, nicht mal das älteste Mitglied Manfred Tuchen, kann erklären, wann genau und wo genau die Karnevalsgesellschaft Grün-Weiß Vorhalle enstand.
„Wir glauben, das war 1954. Darauf deutet einiges hin. Irgendwie zwischen dem 11.11. und Aschermittwoch. Sieben Männer sollen der Legende nach im Hinterzimmer einer Kneipe in Vorhalle gesessen und die Gesellschaft gegründet haben“, sagt Dennis Rehbein. Aber welche Kneipe, welche Männer und an welchem Tag: das ist unbekannt. Weder das Stadtarchiv Hagen noch das nationale Zeitungsarchiv können helfen.

Es war ein anderes Vorhalle, in dem die sieben Männer diesen Schritt gingen, den parallel in Boele und Boelerheide auch die Loßröcke und die Heidefreunde machten. Vorhalle war ein Eisenbahnerstadtteil durch und durch. Daneben lange noch geprägt durch Landwirtschaft und bäuerliche Höfe. Die Figur des Bauern ist bis heute eine Würdigung dieser Gründerzeit, genau wie der Schlachtruf „Erntdedankfest“ und die Insignien des Bauern: Holzschuh und Metallgabel. Sie stehen für Standhaftigkeit und Bodenständigkeit.

„Das ist ganz sicher der unterschätzteste Stadtteil in ganz Hagen“, sagt Präsident Dennis Rehbein. „Vorhalle ist mehr als die Weststraße und die A1-Auffahrt. Vorhalle hat uns, den TSV, Blau-Weiß, SG und daneben einen Zusammenhalt im Stadtteil.“ Das ist richtig. Schon immer teilte die von Rehbein erwähnte Weststraße aber den Stadtteil auch wie ein Trennstrich. Im Norden, Richtung Brockhausen, mehr der soziale Wohnungsbau, die Eisenbahnergenossenschaft und Migranten-Einflüsse. Im Süden, Richtung Wald und Adam-Halle, die Ein- und Zweifamilienhäuser.
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In den 90er-Jahren, berichtet Dennis Rehbein, damals selbst ein Kind, erlebte der Verein eine Hochphase. „Die Zeit war schillernd. Die Tanzgarde wurde aufgebaut. Die Stimmung war groß, das hatte einen anderen Elan.“ Zuletzt beschloss der Verein, sein Heim in der Reichsbahnstraße zu verlassen. „Wir hatten dort kaum noch Thekenumsätze und es gab einen Investitionsstau“, so Rehbein. Außerdem hatte die HEG andere Pläne mit ihrem Gebäude. Die Karnevalisten gingen.
Und sie fanden glücklicherweise eine neue Heimat. Und zwar auf der stillgelegten Tennisanlage von SG Vorhalle 09 im Funckenhausener Wald, gleich neben dem muslimischen Friedhof und unweit vom Heim der Vorhaller Schützen. Das Clubheim bietet drinnen genug Platz, hat sogar einen Tresen. Die Grün-Weißen haben ihre Orden, ihre Bauerngalerie und Bilder der Vergangenheit an die Wände gehängt. Die alte Tennisanlage draußen hat jetzt eine Mischnutzung. Unter anderem wird sie durch einen Hundeverein genutzt.

„Für uns war es weiter wichtig, ein Heim zu haben, sonst hätte das für unseren Zusammenhalt nichts Gutes bedeutet“, sagt Dennis Rehbein. Denn der ist weiter stark und die Gesellschaft schafft es auch mehr und mehr, Vorstands- oder Elferratsposten mit Jüngeren zu besetzen. Ein finanzieller Balanceakt bleibt der Karneval aber weiterhin. „Garde-Ornate sind zum Beispiel kostspielig“, sagt Rehbein. Die Vorhaller Tanzgarde gehört zu den leistungsstärksten und bestnachgefragten der Stadt.
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„Bei unserer Prunksitzung im Stadtteilhaus sind wir ja platzmäßig sehr begrenzt. Es gibt nur 120 Plätze. Wir haben dort keine Gewinne und die Karten kosten schon 28,50 Euro. Da kommen wir Plusminus null raus“, sagt Dennis Rehbein. Im Karnevalszug sind die Grün-Weißen stets mit demselben Wagen vertreten. „Wir haben diesen Prunkwagen und bauen für unsere Symbolfiguren nicht immer einen neuen.“

100 Jahre wollen sie alt werden. „Dafür brauchen wir weiter jüngere Leute“, sagt Dennis Rehbein. „Und wir, aber auch alle anderen Karnevalsvereine, müssen lernen, dass man den Leuten noch etwas mehr bieten muss. Nur der Karneval und sein Programm allein sind es nicht, die ziehen.“ Vor allem aber müssten sich die Vereine in Hagen dafür weiter so unterstützen wie bislang. „Das ist das Pfund in Hagen. Der Karneval steht zusammen.“