Hagen. Die Härtetechnik Hagen GmbH ist nur ein Unternehmen der Stadt, das sich in einer Dauerkrise befindet. Zum „Wirtschaftswarntag“ schlägt es Alarm.

Sie sagt diesen Satz. Sie sagt ihn offen, ehrlich, aufrichtig. „Es zerreißt mir das Herz.“

Sie sagt ihn, weil es ihr Vater war, der dieses Unternehmen einst mit zwei Öfen in Eilpe gründete, in den 80ern dann als einer der Ersten ins Industriegebiet Lennetal umzog. Bettina Escher hängt an dieser Härterei, an diesem Familienbetrieb, der den Namen der Stadt trägt, die seine und ihre Heimat ist. Sie hängt am Betrieb, an den Mitarbeitern und irgendwie auch an diesem Standort, der der Firma Härtetechnik Hagen das Dasein nicht einfach macht.

Kurzarbeit ab 1. Februar

„Es zerreißt mir das Herz, dass wir jetzt wieder in Kurzarbeit gehen müssen“, sagt Bettina Escher, „vor Weihnachten haben wir den Antrag gestellt, aber im Dezember wollten wir das unseren Mitarbeitern nicht zumuten. Zum 1. Februar aber bleibt uns keine andere Wahl. Das ist für die Betroffenen so furchtbar.“

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Kurzarbeit bei Härtetechnik Hagen: Die Öfen im Familienbetrieb werden ab 1. Februar häufiger aus bleiben. © WP | Michael Kleinrensing

Kurzarbeit bedeutet konkret: Die Produktion wird runtergefahren, die Arbeitszeit auch. Im Schnitt werden die 33 Beschäftigten auf 150 Euro netto pro Monat verzichten müssen. Und das angesichts der Inflation, steigender Abgaben für die Sozialversicherung und hoher Kosten für Energie.

Forderung nach einer Wirtschaftswende

Es ist ein weiteres Alarmsignal zum „Wirtschaftswarntag“, der bundesweit am 29. Januar begangen wird. Betriebe wollen auf ihre prekäre Lage aufmerksam machen. 50 Wirtschaftsverbände und Unternehmerinitiativen haben zum ersten Mal deutschlandweit dazu aufgerufen. „Wir fordern von den Parteien, die Stärkung der deutschen Wettbewerbsfähigkeit in den Mittelpunkt des Wahlkampfes zu rücken und eine Wirtschaftswende nach der Bundestagswahl einzuleiten“, sagt Bettina Escher.

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„Es hat im Laufe der Firmengeschichte immer Aufs und Abs gegeben. Aber momentan fragen wir uns, wann es jemals wieder bergauf gehen soll.“

Jörg Schmul
Geschäftsführer Härtetechnik Hagen GmbH

„Es hat im Laufe der Firmengeschichte immer Aufs und Abs gegeben“, sagt Geschäftsführer Jörg Schmul. „Aber momentan fragen wir uns, wann es jemals wieder bergauf gehen soll. Gefühlt befinden wir uns seit Corona in einer Dauerkrise. Als wir Anfang letzten Jahres dachten, dass es wieder etwas besser läuft, kam dann Volkswagen daher und verkündete einen Stellenabbau und ein Sparprogramm in kaum vorstellbaren Dimensionen. Das zieht einen riesigen Rattenschwanz nach sich. Unsere Umsätze sind um rund 25 Prozent eingebrochen.“

Kunden wandern ins Ausland ab

Dazu kommen die exorbitant gestiegenen Energiekosten, die tausenden Unternehmen und eben auch der Härtetechnik Hagen zu schaffen machen. „Damit haben anderen Länder nicht zu kämpfen. Auch unsere Kunden sind zum Teil abgewandert - nach Tschechien oder nach Polen“, sagt Jörg Schmul. „Dabei reden wir nicht nur über Strom und Gas, sondern beispielsweise auch über Stickstoff, den wir dringend im Prozess brauchen.“

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Bei der Härtetechnik Hagen GmbH werden die Maschinen künftig nicht mehr so oft laufen. © WP | Michael Kleinrensing

Die Härtetechnik Hagen produziert nicht selbst, ist reiner Dienstleister - für namhafte Zulieferer der Automobilindustrie, für den Anlagenbau oder die Landwirtschaftstechnik. „Wenn es da kriselt, spüren wir das mit einem gewissen zeitlichen Verzug“, sagt Bettina Escher. Weil nach Corona aber der Ukraine-Krieg und die Energiekrise kamen und sich viele Unternehmen, die zu den Kunden des Familienbetriebs zählen, nie wieder richtig erholt haben, erwächst eine Dauerkrise. Eine, die durch eine vergleichsweise hohe Gewerbesteuer in Hagen noch befeuert wird.

„Wir reden hier nicht mehr über Gewinne, sondern nur noch davon, ob wir es durch die Krise schaffen und wie wir den Mitarbeitern weiter einen sicheren Job bieten können.“

Bettina Escher
Geschäftsführerin Härtetechnik Hagen GmbH

Zu viel Bürokratie

Eine, die nach Auffassung der beiden Geschäftsführer auch viel mit überbordender Bürokratie zu tun hat. „Nur ein kleines Beispiel“, sagt Jörg Schmul, „wir haben hier grüne Schilder mit Pfeilen aufgehängt, die in einem Notfall den Weg aus dem Gebäude heraus zeigen. In einem ersten Schritt mussten die beleuchtet werden. In einem zweiten ging es dann darum, dass die Geradeaus-Pfeile nach oben und nicht nach unten zeigten. Da mussten wir noch einmal tauschen. Das frisst Zeit. Für so etwas habe ich kein Verständnis. Das Tempo, in dem sich Verordnungen und Gesetze ändern, ist kaum zu glauben. Da kommt man nicht mehr mit.“ Gerade in einem kleineren Betrieb könne man niemanden abstellen, der sich dann nur mit diesem Irrsinn befasse.

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Ein Plakat macht darauf aufmerksam, dass sich die Härtetechnik Hagen GmbH am bundesweiten Wirtschaftswarntag beteiligt. © WP | Michael Kleinrensing

Als die Härtetechnik Hagen ein benachbartes Grundstück hinzukaufte, aus zwei nebeneinanderliegenden Hallen eine machen und die wiederum mit einem Vordach versehen wollte, bekam das Unternehmen auch die Hagener Bürokratie zu spüren: „Es hat allein ein dreiviertel Jahr gedauert, bis wir eine Baugenehmigung hatten“, so Jörg Schmul, „wir haben mehrmals das Büro des Oberbürgermeisters angeschrieben. Die ausführende Firma hat oft nachgehakt, ob wir von dem Vorhaben zurückgetreten sind.“

Weniger Mitarbeiter

Auf die Dauerkrise hat das Unternehmen, in dem im Dreischichtbetrieb gearbeitet wird, in den letzten Jahren reagiert. Stellen werden nicht mehr nachbesetzt. Statt einst 50 arbeiten heute noch 35 Mitarbeiter für das Unternehmen - inklusive der beiden Geschäftsführer. „Wir reden hier nicht mehr über Gewinne, sondern nur noch davon, ob wir es durch die Krise schaffen und wie wir den Mitarbeitern weiter einen sicheren Job bieten können“, sagt Bettina Escher. Sie sagt es, und es zerreißt ihr das Herz.