Hagen/Herdecke. Für 16 Millionen Euro wollen Hagen und Herdecke eine neue Rad- und Fußgängerbrücke zwischen ihren Ufern bauen. Die Hintergründe.
Nun machen sie es selbst. Die Städte Hagen und Herdecke treiben den Bau einer neuen Fuß- und Radwegbrücke nur 95 Meter flussabwärts von der historischen Brücke am Wehr voran, die die Ufer beider Städte miteinander verbindet. Die Brücke soll als Schrägseilbrücke errichtet werden, ähnlich wie zum Beispiel die bekannte Theodor-Heuss-Brücke, die sich in Düsseldorfs bekannter Rheinkulisse über den Fluss spannt. Nachdem die Verhandlungen über die Übernahme des bisherigen Bauwerks, das sich in Besitz von Übertragungsnetzbetreiber Amprion befindet, zuletzt geplatzt sind, ergreifen beide Kommunen nun selbst die Initiative.
Das Unternehmen Amprion will seine Brücke bekanntlich mangels Nutzung abgeben, Übertragungsverhandlungen mit den Städten Hagen und Herdecke scheiterten jedoch. Zwischenzeitlich hatte sich aus den Reihen der AG Koepchenwerk nämlich eine gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung (gGmbh) gegründet, die das Bauwerk übernehmen will sowie vor allem die dortigen Schienen erhalten will.
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Hagen und Herdecke handeln nun selbst
Für Ausflüglerinnen und Ausflügler spielt das Bauwerk zwischen Hagen und Herdecke jedoch weiter eine tragende Rolle. Mehr noch: Die Brücke ist ein Schlüsselstück auf dem Ruhrtalradweg, den beide Städte mehr und mehr aufwerten wollen. Von vier geprüften und nicht gerade günstigen Varianten wird jene nun von beiden Städten bevorzugt, die einen Neubau neben der bisherigen Brückenverbindung vorsieht.
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Alles bisher Schätzungen
Im Hagener Rathaus wird der Brückenbau am Montagnachmittag schon personell symbolisiert. Hagens OB Erik O. Schulz und Herdeckes Bürgermeisterin Katja Strauss-Köster haben die Führungsfiguren ihrer Bau und - Verkehrsabteilungen mitgebracht. Für Hagen sitzt auch WBH-Chef Hans-Joachim Bihs mit am Tisch. Grundtenor des Gesprächs: Wir kommen jetzt ins Handeln.
Denn auch, wenn beide Verwaltungen aus gründlicher Fachlichkeit heraus die Sanierung und den Teilneubau der bestehenden Brücke als Rechen-Option präsentieren: Sie wissen, dass dieser Zug abgefahren ist durch die sehr finalen Amprion-Verhandlungen mit der AG Koepchenwerk, die hier eine Museumsbahn tuckern lassen will. Dazu die komplexen Besitzverhältnisse im Wasser (RWE), auf dem Wasser (Brücke Amprion) und auch die Schleuse (Ruhrverband). Das wird wohl nichts mehr.
Deshalb auf zu neuen Ufern: Die frischeste Kostenschätzung der beiden Städte erfolgte für eine Brücke, die 95 Meter neben dem Bestandsbauwerk (Blickrichtung flussabwärts gen Herdecke) als Schrägseilkonstruktion mit einem Pylonen im Gewässer errichtet wird. Der Überbau würde eine Breite von sechs Metern erhalten. Die Gesamtkosten werden auf rund 16,5 Millionen Euro geschätzt - ohne Fördermittel.
Aber: Es wird laut Verwaltung - Stand Januar 2025 - eine Förderung in Höhe von 14,02 Millionen Euro erwartet, somit würden sich die Gesamtkosten für auf circa 2,48 Millionen Euro belaufen. Alle Kosten beziehen sich auf einen Ausführungsbeginn in 2028 unter Berücksichtigung einer geschätzten Baupreissteigerung in Höhe von drei Prozent pro Jahr und sollen später anteilig zwischen Hagen und Herdecke aufgeteilt werden. Und die Städte erklären: „Die vereinfachte Vorplanung und Kostenschätzung erfolgte ohne Kenntnisse über Sohl- und Geländeverlauf, Baugrundverhältnisse und Schadstoffbelastungen der Böden. Auch die Genehmigungsfähigkeit dieser Variante wurde bislang nicht geprüft.“
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Zwei Varianten für Sanierung
Bei einer ebenfalls vorgeprüften Sanierung der bisherigen Brücke stünden laut den Städten zwei Varianten zur Auswahl. Die eine sieht eine schrittweise Sanierung vor. Allerdings könnten in diesem Fall die verfügbaren Fördermittel nicht maximal ausgeschöpft werden. Bei der anderen Variante würde der maximale Anteil an Fördermitteln genutzt, was jedoch eine längere Sanierungszeit zur Folge hätte. Die schrittweise Sanierung soll 5,55 Millionen Euro kosten, der andere Fall 2,8 Millionen Euro.
Brücke hat großen Sanierungsbedarf
Im Rahmen der kurzfristigen Arbeiten wären Maßnahmen an der Fachwerkkonstruktion, am Bohlenbelag sowie an der Tragkonstruktion des Bohlenbelags vorgesehen. Zudem würden sogenannte „Rissverpressungen“ an den Pfeilern und Widerlagern durchgeführt. Die Kosten für beide Varianten ohne Förderung belaufen sich auf circa 5,70 Millionen Euro plus circa 2 Millionen Euro für den Gleisrückbau. Aber: Mittelfristig käme in fünf bis zehn Jahren eine Kompletterneuerung des Korrosionsschutzes des Überbaus hinzu. Und: Die Brücke bliebe mit einer Breite von 4,5 Metern allerdings schmal für den Fuß- und Radverkehr mit optimalerweise sechs Metern.
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Eine Frage der Förderungen
Eine weitere Variante sieht einen Ersatzneubau und die Teilerneuerung in heutiger Lage vor. Dabei würden zunächst der Überbau und Teile der Unterbauten zurückgebaut und anschließend neu errichtet. Der Überbau würde an die nach heutigen Standards notwendige Breite von sechs Metern angepasst und somit eineinhalb Meter breiter werden als bisher. Die Kosten für den Rückbau, den Teilrückbau der Unterbauten, den Teilneubau der Unterbauten sowie den Neubau des Überbaus schätzen die Städte inklusive Fördermittel auf 3,58 Millionen Euro. Die Kosten ohne Fördermittel betrügen für diese Variante circa 10,5 Millionen Euro plus circa 2 Millionen Euro für den Gleisrückbau.
Verschiedene Förderprogramme
Alle drei Varianten kommen für verschiedene Förderprogramme in Frage, von denen aus der „Richtlinie zur Förderung der Nahmobilität in den Städten, Gemeinden und Kreisen des Landes NRW (FöRi-Nah)“ die größten Zuschüsse in Höhe von 85 Prozent zu erwarten sind“, erklären beide Städte.
Alte Brücke 96 Jahre alt
Die bisherige Amprion-Brücke ist 96 Jahre alt. Radfahrer müssen darauf schieben, es kommt regelmäßig zu Unfällen in den dort liegenden Schienen. „Gemeinhin haben Brücken eine Lebensdauer von 90 Jahren“, sagt WBH-Chef Hans Joachim Bihs. „Und diese Brücke war immer nur ein Provisorium. Sie war nie für den Rad- und Fußverkehr gedacht.“ Und deswegen, so Bihs, würde man sie für Fußgänger und Radfahrer auch sperren, wenn dort eine Museumsbahn fahren würde. Ganz gleich, ob eine neue Brücke dann da sei oder nicht.
250.000 Rad-Bewegungen im Jahr
„Wir haben auf beiden Seeseiten so viel in den Ruhrtalradweg investiert“, beschreibt Herdeckes Bürgermeisterin, dass der Schritt zum Neubau angesichts fehlender Kauf- und Sanierungsoptionen nun der logische sei. Für Hagen in Zukunft, aber auch für ihre Stadt Herdecke, die enorm von den 250.000 „Ruhrtalradweg-Bewegungen“ profitiere, wie sie es ausdrückt.
Die Brücke im Hengsteysee zu errichten, erklären sowohl ihre als auch die Fachleute von OB Schulz in Hagen, komme nicht in Frage. „Das wird zu lang und zu teuer“, sagt der Herdecker Planer Daniel Matißik. Das stimmt. Die Spannweite zwischen den Ufern im weiteren Ruhrverlauf ist deutlich kürzer als vor der Wehranlage im Hengsteysee.
Beide Städte arbeiten nun an der Machbarkeitsstudie. Die finale Entscheidung treffen die Räte der beiden Städte. Danach müssten Grunderwerbsfragen geklärt werden. Ein möglicher Baubeginn könnte 2028 sein.