Hagen. Im ersten Halbjahr haben so viele Menschen in Hagen den Bus genutzt wie noch nie. Das sind die Gründe:
Die Hagener Straßenbahn steuert auf einen Rekord zu: Seit langer Zeit sind nicht mehr so viele Menschen mit dem Bus gefahren wie im ersten Halbjahr 2024. Insgesamt 14.512.596 Fahrgäste waren es von Januar bis einschließlich Juni, um genau zu sein. Wenn man sieht, dass der bisherige Jahresrekord aus dem gesamten Jahr 2017 bei 26.784.275 Fahrgästen lag (2023 war die Zahl ähnlich hoch), so wird die Dimension des Bestwertes deutlich.
„Die Verkehrswende im Kleinen funktioniert in Hagen ein Stück weit“, sagt Markus Monßen-Wackerbeck, seit zwei Jahren Vorstand der Hagener Straßenbahn AG, und ergänzt mit Blick auf politische Beschlüsse, die mehr Geld für den öffentlichen Personennahverkehr zur Folge hatten: „Es wird ja viel auf die Politik geschimpft. Aber das waren gute Entscheidungen. Wir haben die Chance genutzt, das Angebot verbessern zu können. Das merken wir jetzt auch an den Zahlen.“
10 Millionen Kilometer pro Jahr
Während in Dortmund bei rund 590.000 Einwohnern 21,6 Millionen ÖPNV-Kilometer gefahren werden, liegt der Wert in Hagen, in dem lediglich ein Drittel so viele Menschen leben, bei rund 10 Millionen Kilometern pro Jahr. „Ich denke, wir haben eine ordentliche Taktung und ein gutes Leistungsangebot“, so Monßen-Wackerbeck.
Dazu sei mit dem Deutschland-Ticket - 39.000 statt zuvor 27.000 Abo-Kunden gibt es in Hagen - ein Faktor gekommen, der sich zumindest in der Stadt positiv auswirke. „Das kann man schon unterstellen“, so Markus Monßen-Wackerbeck, der allerdings darauf verweist, dass das Angebot, das das komplexe Tarifsystem zumindest im Abo-Bereich erheblich vereinfacht und den ÖPNV in einer Vielzahl von Fällen auch günstiger gemacht habe, kein Selbstläufer sei. „Der Trend, den wir gerade in Hagen erleben, lässt sich nicht pauschal auf andere Städte und Verkehrsunternehmen übertragen. Im Gegenteil: Es gibt Kommunen, in denen die Fahrgastzahlen trotz des Deutschland-Tickets rückläufig sind.“
Viele Haltestellen
Dazu kommen weitere Punkte. Nur in einer deutschen Großstadt ist das Haltestellennetz noch dichter als in Hagen. Und: Die Verlässlichkeit der Verbindungen ist extrem hoch. „Im Gegensatz zu anderen Verkehrsunternehmen sind bei uns alle Stellen im Fahrdienst besetzt“, so Werner Flockenhaus, Betriebsleiter der Hagener Straßenbahn. „Einer der Gründe dafür ist auch unsere eigene Fahrschule. Wir merken, wie gut dieses Angebot angenommen wird.“ Dazu kämen ein relativ niedriger Krankenstand und eine hohe Bindung der Kollegen an das Unternehmen. Letztlich möge auch das Bevölkerungswachstum in Hagen eine Rolle gespielt haben.
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Dabei gab es in Hagen auch andere Zeiten. „Erinnert sei da nur an die 2000er Jahre und an das Konzept ,Linie Richtung Mensch‘“, sagt Flockenhaus. „Da wurde der ÖPNV einige Jahre nach der Konzepteinführung ein Stück weit kaputtgespart. Dieser Trend hat sich aber längst umgekehrt.“
Trendwende 2019 vollzogen
2019 sei die Trendwende endgültig vollzogen worden. Doch kaum hätten erste Maßnahmen gegriffen, sei die Corona-Krise hereingebrochen. Das habe sich auch in den Fahrgastzahlen gespiegelt. Die sanken bedingt durch Lockdown und Homeoffice 2020 auf 19.855.672 Millionen, ein Jahr später sogar auf nur noch 18.655.424.
Ob der positive Trend anhalte - das, so die Einschätzung der Verantwortlichen der Straßenbahn AG, sei auch von der weiteren Entwicklung in Hagen und im Land abhängig. „Dabei geht es auch darum, wieviel das Deutschland-Ticket künftig kosten wird“, so Monßen-Wackerbeck, der weiß, dass die steigende Zahl der Abokunden auch mit der Preissenkung zu tun hatte. „Für 2024 ist die Finanzierung gesichert, für das kommende Jahr ist aber offen, wie es weitergeht.“
Sorgenvoller Blick auf Brücken
Daneben bleibt die Frage, wie sich die Brückensituation, die natürlich erheblichen Einfluss darauf hat, wie die Busse in Hagen durch den Verkehr kommen, entwickeln wird. „Das beobachten wir mit Sorge“, sagt Werner Flockenhaus, der sehr wohl weiß, dass der Kollaps einer weiteren Brücke erhebliche Auswirkungen haben würde. „Wenn wir über Verkehr reden, geht es darüber hinaus immer um Raum und auch um Tempo. Wenn beispielsweise wie jetzt in der Selbecke Tempo 30 angeordnet wird, macht das auch was mit unserem Fahrplan und unseren Anschlüssen.“
Diskutiert wird derweil über einen höherwertigen ÖPNV in Hagen. Selbst die Wiedereinführung einer Straßenbahn ist noch nicht völlig vom Tisch. „Die Grundfrage bleibt, ob wir bereit sind, dem ÖPNV Vorrang einzuräumen“, sagt Monßen-Wackerbeck, „das gilt für bestimmte Bussysteme auf eigenen Spuren, aber letztlich auch eine Straßenbahn. Am Ende müssen wir heute - übrigens auch mit Blick auf den Neubau von Brücken - darüber entscheiden, wie der ÖPNV in Hagen in zehn bis 20 Jahren aussehen soll.“