Düsseldorf. Die Verkehrsminister haben in einer Sonderkonferenz ein teureres Deutschlandticket beschlossen. Drohen nun viele Abo-Kündigungen?
Die Verkehrsminister von Bund und Ländern haben sich am Montag in einer Sonderkonferenz auf eine deutliche Preiserhöhung beim Deutschlandticket geeinigt. Der Fahrschein soll ab dem 1. Januar 2025 statt 49 Euro 58 Euro im Monat kosten. Damit steigen auch die Preise für das Jobticket (künftig 40,60 Euro) und für das Studierendenticket (34,80 Euro ab dem Wintersemester 2025/26).
„Das ist ein Befreiungsschlag“, sagte NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne)
„Diese Preisanpassung war erforderlich“, sagte NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) als Vorsitzender der Verkehrsministerkonferenz. Die Runde habe abwägen müssen zwischen ihrer finanziellen Verantwortung für den Betrieb des Nahverkehrs und einem Ticket-Preis, der gegebenenfalls zu vielen Kündigungen führen könnte. Krischer sprach von einer „maßvollen Preissteigerung“ und einem „Befreiungsschlag“ für das Projekt Deutschlandticket. Der Fahrschein, der Fahrten in ganz Deutschland im Nahverkehr ermöglicht, bleibe damit weiter günstig. Für die Kundinnen und Kunden seien 58 Euro im Monat immer noch attraktiv.
Die Einigung der Verkehrsminister auf ein teureres Deutschlandticket biete eine solide Finanzierungsgrundlage und Planungssicherheit für die Verkehrsunternehmen. Aus diesem Grund sei das Verhandlungsergebnis eine „sehr gute Nachricht“, meinte Krischer. Die Bundesregierung habe klar signalisiert, dass sie an der Fortführung des Deutschlandtickets ab dem 1. Januar 2026 arbeite.
Sozialverband VdK warnt: „Das trifft in NRW Millionen Menschen mit kleinen Einkommen“
Kritisch sieht der Präsident des Sozialverbandes VdK in NRW, Horst Vöge, die Preiserhöhung um neun Euro. „Für Menschen mit guten Einkommen ist das zu verkraften, aber in NRW leben deutlich mehr als drei Millionen Menschen, die armutsgefährdet sind und viele Ältere, die nur eine Grundrente beziehen. Für diese Menschen ist die Preiserhöhung ein großes Problem“, sagte Vöge dieser Redaktion.
Viele Politiker in Bund und Ländern hätten versprochen, sich um das Thema Einsamkeit zu kümmern. Ein teureres Deutschlandticket führe aber zu noch mehr Vereinsamung von Menschen, so der VdK-Präsident. Der Preisaufschlag sei auch ein Schlag für den Nahverkehr auf dem Lande. Der sei vielerorts „eine Zumutung“, sagte Vöge. Ein teureres Ticket mache Busse und Bahnen auf dem Land noch unattraktiver.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hat die Preiserhöhung des Deutschlandtickets von 49 auf 58 Euro scharf kritisiert. „58 Euro pro Monat – das ist für viele Verbraucherinnen und Verbraucher viel Geld“, sagte Ramona Pop, vzbv-Vorständin den FUNKE MEDIEN, zu denen diese Redaktion gehört. „Verbraucher:innen brauchen Verlässlichkeit statt Preiserhöhungen, doch nun droht eine Preiserhöhungsspirale in den kommenden Monaten.“ Wie stark sich die beschlossene Preiserhöhung des Deutschlandtickets auf die Beliebtheit auswirkt, werde die Zeit zeigen, sagte Pop: Es sei „kein guter Tag für Verbraucher:innen und für das Deutschlandticket“.
Niemand weiß, ob bald die nächste Preiserhöhung kommt
Andere Länder-Verkehrsminister wie Petra Berg (Saarland, SPD) und Claus Ruhe Madsen (Schleswig-Holstein, CDU) sind wie Krischer zufrieden mit dem erzielten Kompromiss. „Diese Preiserhöhung ist notwendig, und sie bleibt im einstelligen Bereich. Ein moderater Preisaufschlag von neun Euro hält die Kundinnen und Kunden weiter im System“, sagte Berg. Die 58 Euro sollten möglichst über den Jahreswechsel 2025/26 hinaus Bestand haben.
Claus Ruhe Madsen forderte nach der Konferenz die feste Zusage der Bundesregierung, dass sie das Deutschlandticket auch im Jahr 2026 mit mindestens 1,5 Milliarden Euro im Jahr unterstütze, um den nun neu festgelegten Preis möglichst lange halten zu können. Bund und Länder beteiligen sich seit 2023 mit je 1,5 Milliarden Euro am Projekt Deutschlandticket. Der Rest der Kosten wird durch die Ticket-Einnahmen finanziert.
VRR dringt auf feste Finanzierungs-Zusagen durch den Bund
Der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr, der rund 1,6 Millionen Deutschlandticket-Nutzer zählt, ist mit dem Kompromiss der Verkehrsminister recht zufrieden: „Dies ist ein wesentlicher Baustein, um das Ticket für die Kundinnen und Kunden zu bewahren“, teilt der VRR mit, schränkte aber ein: „Wir benötigen jedoch zwingend die staatlichen Zuschüsse aus Landes- und Bundesmitteln, um das deutschlandweit gültige Ticket über 2025 dauerhaft zu sichern.“ Die Länder hätten ihren Willen bekräftigt, die Kosten für den Zuschuss zum Deutschlandticket zur Hälfte zu übernehmen. Nun sei der Bund in der Pflicht, hier ebenfalls seinen Beitrag zu leisten und die Finanzierung des Angebotes ab 2026 zu sichern.
Ist die Preiserhöhung beim Deutschlandticket angemessen? Hier ein Kommentar dazu.
Lesen Sie hier die wichtigsten Fragen und Antworten zum Deutschlandticket.
Seit wann gibt es das Deutschlandticket?
Das Deutschlandticket das aktuell 49 Euro im Monat kostet, gilt seit dem 1. Mai 2023 und wurde damals von Bund und Ländern als Modernisierungsprojekt angepriesen. Es berechtigt bundesweit zur Fahrt in allen Bussen und Bahnen des Nah- und des Regionalverkehrs, nicht aber in den Zügen des Fernverkehrs. Das Ticket ist als Abonnement gedacht, kann aber monatlich gekündigt werden. Für Pendler, besonders in Ballungsräumen wie zum Beispiel im Ruhrgebiet, ist es häufig deutlich günstiger als andere Zeitkarten.
Gekauft werden kann das Ticket bei den Verkehrsunternehmen in den jeweiligen Regionen, besonders viele Nutzer beziehen den Fahrschein über die Deutsche Bahn. Das Ticket wurde als digitaler Fahrschein für das Smartphone entworfen, es wird aber auch als Plastikkarte ausgegeben.
Die Nachfrage ist groß, daher gilt das Ticket als „Erfolgsgeschichte“. Etwa 13 Millionen Nutzerinnen und Nutzer gibt es aktuell, 1,6 Millionen allein im Bereich des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr (VRR). Das Problem: Den Verkehrsunternehmen entstehen aufgrund des günstigen Angebots hohe Einnahmeeinbußen, weil viele Besitzerinnen und Besitzer des Deutschlandtickets vorher viel mehr Geld für ihre Fahrscheine bezahlten.
Was haben die Verkehrsminister verabredet?
Das Deutschlandticket kostet ab dem 1. Januar 2025 monatlich 58 Euro, also neun Euro mehr als bisher. Das wird auch zu Preiserhöhungen bei den angekoppelten Jobtickets, Studierendentickets sowie bei Sozialtickets führen. So müssten Studierende künftig 34,80 Euro statt 29,40 Euro im Monat bezahlen, allerdings erst ab dem Wintersemester 2025/26, erklärte die saarländische Verkehrsministerin Petra Berg (SPD) am Montag. Das vergünstigte Jobticket für derzeit 34,30 Euro soll ab Januar 40,60 Euro monatlich kosten.
Ist damit das Deutschlandticket langfristig gesichert?
Nein, obwohl NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer betonte, der Preis von künftig 58 Euro biete eine solide Finanzierungsgrundlage für den Nahverkehr in Deutschland und Planungssicherheit für die Verkehrsunternehmen. Die Planungssicherheit endet aber – Stand heute – zum Jahreswechsel 2025/26, denn die Bundesregierung hat bisher noch nicht klargestellt, dass sie sich weiter verlässlich an der Finanzierung des Tickets beteiligen wird.
Bisher geben Bund und Länder jährlich jeweils rund 1,5 Milliarden Euro hinzu. Das gilt bis einschließlich 2025. Nach Angaben des Bundesverkehrsministeriums soll das Gesetzgebungsverfahren für die dauerhafte Finanzierung des Deutschlandtickets über 2025 hinaus erst im kommenden Jahr starten.
Unter den Ländern war die Erhöhung auf 58 Euro übrigens durchaus umstritten. Bayern brachte vor der Sonderkonferenz sogar einen Preis von 64 Euro im Monat ins Gespräch.
Auf die Frage, ob bald die nächsten Preiserhöhungen drohen, antworteten die Verkehrsminister nur ausweichend. Gesichert scheint der Preis von 58 Euro nach heutigem Stand nur bis Ende 2025 zu sein.
Werden viele Kundinnen und Kunden ihr Abo jetzt kündigen?
Das ist schwer einzuschätzen. Die Verkehrsminister meinen, eine so „moderate“ Preiserhöhung werde dazu führen, dass viele Nutzerinnen und Nutzer dem Ticket treu blieben. Laut einer YouGov-Umfrage sind 49 Euro für viele Abonnenten und Interessenten allerdings bereits die Schmerzgrenze. 30 Prozent derjenigen, die bisher mindestens zeitweise ein Deutschlandticket abonniert hätten oder sich dafür interessierten, würden das Abo kündigen oder kein Ticket mehr kaufen, wenn der Preis steigt, so die Umfrage. Daneben kursieren Schätzungen, dass bei einer Erhöhung um zehn Euro zwischen 10 und 20 Prozent der Ticketbesitzer kündigen würden.
Wer kritisiert die Preiserhöhung?
Vor allem Verbraucherschützer und Sozialexperten, die die Situation von Menschen im Blick haben, denen es finanziell nicht so gut geht. Besserverdienende könnten sich kaum vorstellen, dass neun Euro ein Problem darstellen könnten, sagte der Präsident des Sozialverbandes VdK, Horst Vöge, dieser Redaktion. Aber etwa 19 Prozent der Menschen in NRW seien armutsgefährdet, und für diese Frauen und Männer sei die Preiserhöhung ein harter Schlag. Die Erhöhung könne auch die Nutzung des Nahverkehrs auf dem Land beeinträchtigen. Der sei vielerorts „eine Zumutung“, sagte Vöge. Ein teureres Ticket mache Busse und Bahnen auf dem Land womöglich noch unattraktiver.
„58 Euro pro Monat – das ist für viele Verbraucherinnen und Verbraucher viel Geld“, erklärte Ramona Pop vom Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv). Wie stark sich die beschlossene Preiserhöhung des Deutschlandtickets auf die Beliebtheit auswirke, werde die Zeit zeigen. Der Montag sei jedenfalls kein guter Tag für Verbraucher und für das Deutschlandticket gewesen.
Laut einer aktuellen forsa-Befragung im Auftrag des vzbv wünscht sich eine deutliche Mehrheit (81 Prozent) einen stabilen Preis von 49 Euro pro Monat beim Deutschlandticket. Für den Großteil der Befragten ist das Deutschlandticket grundsätzlich eine gute Sache (94 Prozent), die es auch in Zukunft geben sollte (94 Prozent).