Hagen. Diverse Brücken in der Stadt Hagen sind so marode, dass sogar kurzfristige Sperrungen drohen. Ein Blick auf die Bauwerke, die im Fokus stehen.

Wer diese Zahl hört und auf die Fläche der Kommune herunterbricht, der kann zu der Erkenntnis gelangen, dass nur Venedig mehr Brücken pro Quadratmeter haben dürfte als Hagen. 200 Brücken sind es nach Auskunft des Wirtschaftsbetriebs Hagen - die Autobahnbrücken mal nicht mitgezählt. Im europäischen Ranking (Hamburg mit 2472 Brücken, Wien mit 1700, Amsterdam mit 1281 Brücken und Berlin mit 960) schafft es Hagen zwar absolut nicht in die Top fünf, aber deutlich wird die Bedeutung dieser Bauwerke. Das Problem: 24 Hagener Brücken bröseln quasi vor sich hin.

Sie sind - Achtung Wortungetüm - spannungsrisskorrosionsgefährdet. Mit einfachen Worten: Beton und Stahl sind über Jahrzehnte vor allem durch Tausalz so marode geworden, dass die Standfestigkeit der Bauwerke zumindest auf Zeit nicht mehr gewährleistet werden kann. Im Falle der Ebene 2 ist die Lage so dramatisch, dass die Stadt sich gezwungen sah, die Reißleine zu ziehen. Die Brücke ist gesperrt.

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Immerhin gibt es trotz dieses Dilemmas eine positive Nachricht: Die Ebene 2 - so hat ein Gutachten jüngst ergeben - ist nicht so marode, dass sie einzustürzen droht. Das aber ist in den Vorträgen der neu zusammengetretenen Brückenkommission, in der Politik, Verwaltung und auch Südwestfälische Industrie- und Handelskammer künftig über die Brückensituation und ihre Entwicklung beraten wollen, eine der wenigen positiven Botschaften, die Baudezernent Henning Keune und Hans-Joachim Bihs (Vorstand des Wirtschaftsbetriebs Hagen) verkünden können.

Ein Blick auf die Brücken, die im Fokus stehen:

Hochbrücke Ebene 2

Die Brücke ist in mehreren Abschnitten erbaut worden. Erste Risse (Experten sprechen von einem „Ankündigungsverhalten“, das nicht alle Brücken zeigen) waren 2023 entdeckt worden. „Die habe sich ausgeweitet“, erklärt Bihs. Das Bauwerk habe sich wesentlich verändert. Ein Ingenieurbüro wiederum hat Spannelemente freigelegt. „Das ging, weil schon klar war, dass eine Sanierung keine Option mehr sein würde.“ Das Ergebnis aus dem Inneren: Der Stahlbeton ist durchgerostet, der Beton nicht (mehr) ausreichend dick, dazu haben sich Kiesnester gebildet, weil vor rund 60 Jahren nicht sorgsam verdichtet wurde. Das Gesamtergebnis führte vor einigen Wochen zur Sperrung: „Die Standsicherheit ist nur noch unter Eigenbelastung gegeben“, so Bihs.

Die Hochbrücke Ebene 2 in Hagen ist komplett gesperrt. Schon länger gilt das für die Rampe, die hinter dem ehemaligen Arbeitsamt hinauf führt (links).
Die Hochbrücke Ebene 2 in Hagen ist komplett gesperrt. Schon länger gilt das für die Rampe, die hinter dem ehemaligen Arbeitsamt hinauf führt (links). © WP | Michael Kleinrensing

Derzeit werden die statischen Ergebnisse für das Bauwerk noch einmal geprüft. Dass sich an der Situation irgendetwas zum Positiven verändert - damit rechnet niemand. Die Ergebnisse liegen Mitte Oktober vor. Dann geht es an die Erstellung eines Rückbaukonzepts.

So marode ist die Hochbrücke Altenhagen von innen.
So marode ist die Hochbrücke Altenhagen von innen. © Stadt Hagen | WBH

Fuhrparkbrücke

Hier ist man weiter. Der Rückbau ist ab 2028 geplant. Die Suche nach Pfeilerstandorten erweist sich als schwierig. Die Deutsche Bahn ist beteiligt. „Wir werden am Ende eine größere Spannweite brauchen, als wir ursprünglich geplant hatten“, so Bihs. „Wir werden rund 200 Meter überbrücken.“ Im Gegensatz zur Ebene 2 habe man keinen Blick in das Innere der Brücke werfen können. Aber: Sie sei durch Tauwasser geschädigt.

Die Fuhrparkbrücke ist wegen Brückenschäden für Lkw gesperrt. Der Rückbau ist für 2028 geplant. 
Die Fuhrparkbrücke ist wegen Brückenschäden für Lkw gesperrt. Der Rückbau ist für 2028 geplant.  © WP | Michael Kleinrensing

„Wir werden am Ende eine größere Spannweite brauchen, als wir ursprünglich geplant hatten.“

Hans-Joachim Bihs
Vorstand Wirtschaftsbetrieb Hagen

Die Brücke ist nur noch für Pkw und leere HEB-Fahrzeuge freigegeben. Im Grunde aber ist sie nutzbar. Allerdings nur so lange, bis sie sich auf eine Stahlkonstruktion lege, die zur Sicherheit unterhalb installiert ist und ein Zusammenbrechen verhindert. Ob überhaupt und wann das der Fall sein wird, ist allerdings offen.

Brücke Badstraße

Eine der zentralen Innenstadtbrücken - so sah es die ursprüngliche Planung vor - sollte unmittelbar im Anschluss an die bereits neu gebaute Marktbrücke saniert werden. Das Problem aber: „Dafür müssen wir wissen, welche Verkehrsmittel die Brücke einmal nutzen werden“, so Bihs. Das allerdings ist final nicht geklärt. Ein Gutachten zum künftigen öffentlichen Personennahverkehr ist aus finanziellen Gründen zunächst einmal zurückgestellt worden. Darin geht es auch um die Frage, ob die Wiedereinführung einer Straßenbahnlinie in Hagen eine sinnvolle Option sein könnte. Die bräuchte es offenbar, um den avisierten Modal-Split, also die angestrebte Aufteilung des Verkehrs, erreichen zu können. Dagegen sprechen die enorm hohen Kosten.

„Wir können keine Brücke bauen, die so breit ist, dass sie Fußgänger, Radfahrer, Autos, Busse und Straßenbahn aufnehmen kann.“

Hans-Joachim Bihs
Vorstand WBH
Auch die Brücke Badstraße in Hagen soll möglichst schnell saniert werden. Zuvor soll aber geklärt werden, welche Verkehrssysteme sie künftig aufnehmen soll.
Auch die Brücke Badstraße in Hagen soll möglichst schnell saniert werden. Zuvor soll aber geklärt werden, welche Verkehrssysteme sie künftig aufnehmen soll. © FUNKE Foto Services | Hans Blossey

Bevor abgerissen und neu gebaut wird, braucht es aber eine Entscheidung. „Was den Raum, der zur Verfügung steht, angeht, sind wir an dieser Stelle begrenzt“, so Bihs. „Wir können keine Brücke bauen, die so breit ist, dass sie Fußgänger, Radfahrer, Autos, Busse und Straßenbahn aufnehmen kann.“

Ziel müsse es bleiben, die Brücke Badstraße schnell anzugehen. „Wir können uns keine Havarie leisten, während wir eines der anderen Bauwerke sanieren“, so Bihs. So oder so sei im nächsten Jahr eine „objektbezogene Schadensanalyse“ fällig. Wie umfangreich die ausfalle, hänge von den weiteren Neubau-Plänen ab.

Brücke Volmetalstraße

Für den Bau, der die Innenstadt mit dem Hagener Süden verbindet, ist in Teilen die Stadt Hagen, in Teilen der Landesbetrieb Straße NRW zuständig. Die Grenze liegt dort, wo derzeit lediglich Tempo 10 erlaubt ist und bald an den Übergängen gearbeitet wird.

„Von der Substanz her macht sie erst mal einen guten Eindruck.“

Hans-Joachim Bihs
WBH-Vorstand über die Brücke Volmetalstraße
Auf der Brücke Volmetalstraße ist an einem Übergang derzeit die Höchstgeschwindigkeit auf kaum fahrbare 10 km/h reduziert. Die Brücke soll für 20 Millionen Euro „aufgebessert“ werden und dann noch länger halten.
Auf der Brücke Volmetalstraße ist an einem Übergang derzeit die Höchstgeschwindigkeit auf kaum fahrbare 10 km/h reduziert. Die Brücke soll für 20 Millionen Euro „aufgebessert“ werden und dann noch länger halten. © WP | Michael Kleinrensing

„Das Bauwerk besteht aus mehreren Teilen“, so Bihs, mit Blick auf unterschiedliche Brückenabschnitte und die Rampen, die in Richtung Eilpe hinab bzw. von dort hinauf führen. Auch die 1974 fertiggestellte Brücke könne kein Ankündigungsverhalten zeigen. Das soll sich nach „Aufbesserungsarbeiten“ im kommenden Jahr ändern. Vorgesehen sind dafür (inklusive der Sanierung der Decke) 20 Millionen Euro. Aber: Auch danach können Risse auftreten. Der schlechteste Fall, mit dem so niemand rechnet, der aber nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann: Die aufgebesserte Brücke gibt den Geist auf und muss gesperrt auf. „Von der Substanz“, so Bihs, „macht sie aber erst einmal einen guten Eindruck.“

Die Eckeseyer Brücke

Das Bauwerk ist quasi die Verlängerung der Hochbrücke Ebene 2 über die Gleisanlagen der Bahn hinweg in Richtung Eckesey. Zumindest in Teilen hat sie kein Ankündigungsverhalten. Immerhin: Seit 2021 wird die Brücke durch ein Monitoring genauer beobachtet. Noch ist sie standsicher. Aber Bihs spricht von einem „risikobehafteten“ Bauwerk, das neu errichtet werden muss. Allerdings soll das erst geschehen, wenn die neue Fuhrparkbrücke steht. Gespräche mit der Deutschen Bahn, die die Gleise aus Richtung Norden braucht, um den Hauptbahnhof erreichen zu können, laufen.

Die Eckeseyer Brücke schließt an die Hochbrücke Ebene 2 an und führt über die Gleise der Bahn hinweg. Wenn die Fuhrparkbrücke neu gebaut ist, will die Stadt sich diesem Bauwerk widmen.
Die Eckeseyer Brücke schließt an die Hochbrücke Ebene 2 an und führt über die Gleise der Bahn hinweg. Wenn die Fuhrparkbrücke neu gebaut ist, will die Stadt sich diesem Bauwerk widmen. © FUNKE Foto Services | Hans Blossey

Brücke Stennertstraße

Die Brücke steht seit 2018 unter Beobachtung (Monitoring). „Bisher zeigt sie keine Auffälligkeiten“, so Bihs. „Aber wir werden sie erneuern müssen.“ Dabei rede man aber nicht über die nächsten drei bis fünf Jahre. Ziel: Bis 2040 soll ein Neubau stehen. „Dann hätten wir eine Basis, um vernünftig zu planen.“

Die Stennertbrücke scheint noch länger zu halten. Bis 2040 soll das Bauwerk saniert werden.
Die Stennertbrücke scheint noch länger zu halten. Bis 2040 soll das Bauwerk saniert werden. © WP / Volker Bremshey | Volker Bremshey

Talbrücke Helfe

Der Name klingt größer als das Bauwerk an der Helfer Straße tatsächlich ist. Das Problem: Die Brücke hat kein Vorankündigungsverhalten. Heißt: Äußere Zeichen wie Risse (siehe Ebene 2) müssen sich nicht unbedingt zeigen, bevor sie ihre Standfestigkeit verliert. „Es ist daher die nächste Brücke, die wir in eine konkrete Planung nehmen“, so Bihs. Ziel: 2026 wird der Neubau umgesetzt. Schon jetzt steht fest: Die neue Brücke soll nur noch 22 statt wie bisher 46 Meter lang sein.

Die Talbrücke Helfe soll 2026 erneuert und verkleinert werden.
Die Talbrücke Helfe soll 2026 erneuert und verkleinert werden. © WP Michael Kleinrensing | Michael Kleinrensing