Hagen. Jessica Matyssek gründet nach einem Praktikum in Afrika die Hilfsorganisation „Akwaaba“ und bittet Spender um Unterstützung
Sie hat ihr Herz an Ghana verloren, an die Menschen, ihre Freundlichkeit und die offene Mentalität. Aber sie sieht natürlich auch deren Bedürftigkeit und die mit europäischen Augen betrachtet so vielen kleinen Stellschrauben, mit denen sich so Großes bewegen ließe. „Ein Teil von mir wird immer in Afrika sein“, hat sie den Puls des Kontinents längst verinnerlicht und ihr Wirken der medizinischen Hilfe 6000 Kilometer von Hagen entfernt gewidmet. Jessica Matyssek stammt vom Tücking, studiert bereits im elften Semester in Oldenburg Humanmedizin und führt seit einem Jahr den Verein Akwaaba. Die Vokabel aus dem Dialekt Twi, eine der Amtssprachen in Ghana, heißt „Herzlich willkommen“. Dies drückt zugleich das Lebensgefühl aus, das die 25-Jährige umschloss, als sie vor zwei Jahren in der Hauptstadt Accra landete und zu einem zweimonatigen Praktikumsaufenthalt aus dem Flugzeug stieg.
Mit dieser Reise erfüllte die angehende Medizinerin, die gerade auf das zweite Staatsexamen zustrebt, sich im Jahr 2022 einen Lebenstraum. Schon immer hatte sie damit geliebäugelt, ihr Wissen eines Tages bei „Ärzte ohne Grenzen“ einzubringen und das Gesundheitswesen auf dem Schwarzen Kontinent ein kleines Stück besser zu machen. „Für mich war das ein Glückstreffer“, blickt sie mit großer Dankbarkeit auf dieses Schlüsselerlebnis, das mithilfe der Organisation „Wayers“ (München) vermittelt wurde. Zwischen einem Auslandssemester in den Niederlanden und ihrem Studium in Deutschland hatte sich plötzlich ein Zeitfenster aufgetan, das diesen Ghana-Einsatz erst möglich machte.
Klinik im Nirgendwo
„Natürlich hatte ich mir einiges zu dem Land angelesen und Videos im Netz studiert, doch als ich in Accra ankam, haben mir Hitze und Luftfeuchtigkeit schon fast den Atem genommen“, erinnert sich die zierliche blonde Frau an ihre Ankunft in dem westafrikanischen Staat. Vom Flughafen aus ging es zu einem kleinen Hostel unweit der Hauptstadt, das während des Einsatzes zu ihrem Zuhause werden sollte. Doch die eigentliche Klinik fand sich irgendwo im Nirgendwo in der Ortschaft Kasoa westlich von Accra. Mit Bussen ging es jeden Tag über Wegstrecken, die den Namen Straße kaum verdienen.
Das dortige Krankenhaus unweit des Marktplatzes, das eher an eine improvisierte, aus mehreren Gebäuden zusammengepuzzelte Gesundheitsstation erinnert, erfüllt – nicht bloß mit Blick auf die Hygienebedingungen – kaum den Standard einer westeuropäischen Hausarztpraxis. Der Wartesaal in dem geduckten Schlichtbau ist mit Kirchenbänken möbliert, im Kreißsaal gebären die Frauen in Dreiergruppen parallel und in manchen Betten liegen Patienten auf den blanken Metallfedern, weil es an Matratzen fehlt. Die Wasserversorgung sichert eine blaue Wassertonne vor der Tür mit einem Plastikhahn, und der Materialschrank in der Notaufnahme ist nur rudimentär und völlig unsortiert gefüllt.
„Mir war sofort klar, dass ich hier so schnell wie möglich was machen muss“, erinnert sich Jessica Matyssek an ihre ersten Tage in Ghana zurück. „Dort sterben Menschen teilweise im Wartezimmer, weil es an jeglichen Möglichkeiten fehlt“, erzählt sie neben Malaria-Fällen vor allem von Verletzten mit infizierten Wunden, die kurz vor der Blutvergiftung stehen. „Weil die Menschen kein Geld haben und es natürlich auch keine Krankenversicherungen gibt, kommen Kranke tatsächlich erst dann in die Klinik, wenn es sich gesundheitlich absolut nicht mehr vermeiden lässt.“
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Hilfsorganisation gegründet
Zurück in Deutschland versuchte die Hagener Medizinstudentin sofort, finanzielle und materielle Unterstützung auf die Beine zu stellen. Doch sie lernte schnell, dass es eines gemeinnützigen Vereins bedarf, um das Organisatorische stemmen und natürlich auch Spendenbescheinigungen ausstellen zu können: der Startschuss für einen bürokratischen Marathon durch die Verschlingungen des deutschen Vereinsrechts. Doch inzwischen steht der Rahmen, der bundesweit agierende Verein hat 25 Mitglieder und Jessica Matyssek erfährt über Mitstudenten und deren Netzwerke an den unterschiedlichsten Hospitälern reichlich Unterstützung.
Neben Geldern für medizinisches Material und den Transport freut sich „Akwaaba“ genauso über ausrangierte und für Ghana zur Verfügung gestellte Gerätschaften wie Blutdruckmanschetten, Beatmungsmasken, Ultraschallgeräte oder auch Inkubatoren für Kleinkinder. Mit den Netzwerken der Organisation „Wayers“ im Rücken hat die junge Hasperin bereits den Kontakt zu einem Transportunternehmen in Bremen geknüpft, das die Güter im Dezember in Richtung Afrika verschifft: „Ich werde dann ebenfalls wieder nach Ghana reisen, um die Materialien dort persönlich zu übergeben.“
Parallel dazu möchte die angehende Ärztin, die in Deutschland ebenfalls Kurse für Erste-Hilfe-Ausbilder gibt, über Schulungen vor Ort die Präventionsarbeit ausweiten, um medizinische Behandlungen schon im Vorfeld zu vermeiden: „Dazu möchten wir entsprechende Angebote an Schulen organisieren, aber auch über Zahnhygiene informieren. Zudem gilt es, mit den örtlichen Medizinern die Sehkraft der Kinder zu untersuchen, um diese gezielt mit Brillen zu versorgen“, sprudelt die 25-Jährige, die bereits eine Ausbildung als Medizinische Fachangestellte absolviert hat, voller Ideen und Ambitionen: „Auch hier suchen wir in Deutschland noch Partner, die die Kinder mit Brillen ausstatten.“
Für Urlaub bleibt keine Zeit
„Jede Form der Hilfe – sei es durch Spenden, Vermittlung von Kontakten oder die Verbreitung unseres Anliegens – ist von unschätzbarem Wert und kann das Leben vieler Menschen in Ghana verbessern“, möchte Jessica Matyssek keine Chance ungenutzt lassen und blickt durchaus mit Vorfreunde auf ihren nächsten Hilfseinsatz unweit des Äquators. Entsprechend spricht aus ihrem Satz „Ein Teil von mir wird immer in Afrika sein“ auch die ungebrochene Leidenschaft für das Projekt und den Verein, der sie neben dem Studium maximal bindet: „Ich habe sonst keine freie Zeit mehr, aber das ist auch gut so. Das Engagement erfüllt mich so sehr, dass ich gar keinen Urlaub brauche.“
Wer mehr über die Arbeit von „Akwaaba e.V.“ erfahren möchte, kann sich im Internet unter www.akwaaba-ev.de vertiefend informieren. Darüber hinaus eröffnet sich dort die Chance, die Arbeit des Vereins über Spenden zu unterstützen: Bei der Sparkasse an Volme und Ruhr verfügt Akwaaba über das Konto mit der IBAN: DE63 4505 0001 1000 4969 93.