Hohenlimburg. Nie seit 70 Jahren waren die Schloss-Spiele Hohenlimburg so erfolgreich wie jetzt. Warum? Und was können andere davon lernen?
Zunächst ist etwas Zurückhaltung am anderen Ende der Leitung spürbar. Man hört förmlich, wie Carsten Kunz denkt. Dann sagt der Vorsitzende des Vereins Freundeskreis Schlossspiele zunächst sehr gedämpft: „Ja“. Nur um einen Augenblick später viel deutlicher hinterher zu schieben: „Ja, das ist die womöglich beste Zeit, die die Schlossspiele Hohenlimburg je erlebt haben.“
Das ist eine steile These angesichts der Tatsache, dass die Schlossspiele, die noch bis zum 1. September laufen, dieses Jahr auf 70 Jahre ihres Bestehens blicken. Woher kommt das, was die Macher als bislang beste Phase bezeichnen? Und müssten andere Kulturstätten, die in Hagen zuletzt Signale der Not sendeten, von ihnen lernen?
Fast alles ist ausverkauft
Elf Jahre ist Carsten Kunz nun dabei als Vorsitzender des Schlossspiele-Vereins. Einen derartigen Andrang wie aktuell hat er aber noch nie erlebt. 80 Prozent aller Tickets sind verkauft. Zu diesem frühen Zeitpunkt der Schlossspiele, die seit nicht mal einer Woche laufen, „eine nie erreichte Zahl“, sagt Kunz selbst.
Für „Rolf Brendel & Band“ gibt es noch einige Tickets. Was überrascht. Schließlich ist Brendel ehemaliger Schlagzeuger von Nena und „The Stripes“ und hat einen Überraschungsgast angekündigt. Wer da Lust drauf hat: Karten im Vorverkauf für 22 Euro, an der Abendkasse für 26 Euro. Los geht es am Mittwoch, 28. August, um 19.30 Uhr.
„Es sind 109 Menschen. Das ist Wahnsinn. Viele unserer privaten Freunde und viele, die sich bei einmaligen Besuchen quasi infiziert haben, sind der Truppe beigetreten. Nur so schaffst du es, diese Organisation und diesen Service 17 Tage lang zu bieten.“
Wenige Tickets gibt es noch für die „Celtic Night“ (Samstag, 24. August, 18 Uhr), Bastian Korn & Band (Donnerstag, 22. August, 19.30 Uhr) und nur knapp 20 Restkarten für Dennis LeGree. Das war es aber auch. Die Schauspielveranstaltungen sind restlos ausverkauft.
Sogar der Kinoabend kratzt an „ausverkauft.“ Der „Tanz der Vampire“ scheint als Film wie gemacht für die Schlosskulisse zu sein. „Das ist wirklich überragend. Wir werden da echt ein bisschen überrannt“, sagt Carsten Kunz. Sein erster Erklärungsversuch beschreibt einen Schritt, den die Organisatoren vor drei Jahren gingen: die Umstellung aufs Tisch-Service-Konzept, das diese Zeitung schon mehrfach hervorgehoben hat.
Umstellung des Service-Konzepts
Vereinfacht erklärt: Zuvor ließ man rund 400 Besucher pro Veranstaltung in den Schlosshof. Die waren sich aber selbst überlassen beim Besorgen von Getränken am Tresen. Das dauerte, schmälerte die Umsätze und sorgte hier und da manchmal auch für Genervtheit.
Seither wird am Tisch bedient und die Zuschauerkapazität von 400 auf 250 gedrosselt. „Dadurch sind alle Tische meistens sofort verkauft“, sagt Carsten Kunz. „Die Besucher nehmen das irre gut an und wir verkaufen auch mehr.“ Zu humanen Preisen: Cocktails für 6 Euro, ein Bier für 3 Euro, Wein kostet 4 Euro.
109 Ehrenamtliche im Hintergrund
„Dass wir nach Corona so wieder hochkommen würden und ein solches Hoch erleben würden, hätten wir nie gedacht“, sagt Carsten Kunz. Der Mann, der im wahren Leben Personalchef beim Pflegeunternehmen Wohlbehagen ist, springt damit aber zu kurz bei seiner Höhenflug-Erklärung. Denn nie hat der Schlossspiele-Verein ein so starkes Fundament an Sponsoren unter sich und ein solches Heer an Ehrenamtlichen hinter sich gehabt wie jetzt. „Es sind 109 Menschen. Das ist Wahnsinn. Viele unserer privaten Freunde und viele, die sich bei einmaligen Besuchen quasi infiziert haben, sind der Truppe beigetreten. Nur so schaffst du es, diese Organisation und diesen Service 17 Tage lang zu bieten“, sagt Kunz ziemlich überwältigt.
Der Eigen-Marketing-Effekt
Man dürfe außerdem den Eigen-Marketing-Effekt nicht vergessen. „109 mag an sich keine große Zahl sein. Aber jeder der 109 bringt Freunde mit, erzählt seinen Bekannten von den Schlossspielen. Jeder von denen überzeugt Menschen, zu Besuchern zu werden. Für ein Event dieser Größe und mit einem eigentlich recht kleinen Etat von 90.000 bis 100.000 Euro ist das von enormer Bedeutung“, weiß der Vorsitzende. „Und dazu kommt: Wir werden stärker und leistungswilliger. Seit zehn Jahren ist Dario Wehberg als Intendant da. Unsere Bühnentechnik hat sich auf ein Niveau gehoben, das wir so noch nie hatten. Wir verfügen unter anderem auch über eine Laser- und Lichtshow“, sagt Carsten Kunz.
Materiell werde es einfach auch immer mehr. Dabei fahren die Schlossspiele meistens keine großen Gewinne ein. „Und wenn, investieren wir meistens direkt in Technik oder in Künstler.“
Die freie Kultur leidet
Während die Schlossspiele an Superlativen kratzen, leiden Teile der freien Kultur in Hagen laut. Pelmke, Theater an der Volme, Hasper Hammer - sie alle hatten gegenüber dieser Zeitung erklärt, dass es ohne Zuschüsse vielleicht nicht mehr lange gehen könnte. „Ich weiß nicht, ob wir vergleichbar sind“, sagt Carsten Kunz. „Wir sind auf 17 Tage beschränkt und leben ganz stark vom fantastischen Ambiente des Schlosses. Das ist etwas anderes.“
„Der Vergleich ist schon okay“
Einer, der offen ausspricht, was sein Intendantenherz fühlt, ist Stefan Schröder. Er ist Chef des Theaters an der Volme und inszeniert auch den Werdringer Kultursommer. Immerhin eine Open-air-Eventreihe in fabelhafter Wasserburg-Szenerie in Vorhalle. Die bestbesuchte Veranstaltung lief hier am 11. Mai vor gerade mal 50 Besuchern. „Den Vergleich zu ziehen zu den Schlossspielen, finde ich völlig okay. Von der Szenerie her passt das ja. Aber in Hohenlimburg ist man uns da um einiges voraus“, sagt Schröder. „Wir haben nicht diesen großen Helferstab, wir haben nicht den Lokalstatus vor Ort und auch nicht die besondere Atmosphäre wie auf einem Sommer-Festival. Die Schlossspiele funktionieren als Gesamtereignis.“
Für die anderen Kulturstätten sieht Schröder ein gesamtgesellschaftliches Problem: „Zum einen hat sich in den vergangenen vier Jahren ein Unsicherheitsgefühl ausgebreitet, das auch auf die Kultur ausschlägt. Corona, Krieg, Klima, Flut. Dieses Krisenbewusstsein - so meine These - führt dazu, dass sich viele von der Teilhabe am öffentlichen Leben verabschieden. Daneben habe ich aber auch das Gefühl, dass die Menschen nicht mehr so vom Theater überrascht werden wollen. Das ist ja eine Qualität, die sich das Theater auch immer selbst auf die Fahne geschrieben hat. Zeig‘ mir etwas, das mich nachdenklich nach Hause gehen lässt. Wir stehen vor der großen Frage, was wir dem zukünftig entgegensetzen wollen.“