Hagen. Angesichts des wieder anschwellenden Hagener Schuldenbergs lockt Finanzdezernent Christoph Gerbersmann eine neue berufliche Aufgabe.

Der nächste personelle Paukenschlag an der Spitze des Hagener Rathauses dröhnt aus der Teppichetage der Stadtverwaltung: Nachdem zu Jahresbeginn Oberbürgermeister Erik O. Schulz angekündigt hatte, bei der Kommunalwahl 2025 für keine dritte Amtszeit kandidieren zu wollen, teilte am Donnerstag Kämmerer Christoph Gerbersmann mit, bereits zum 1. Oktober dieses Jahres seinen ursprünglich bis 2029 laufenden Vertrag frühzeitig aufzulösen.

Der 58-Jährige wechselt als Finanzvorstand zum Ruhrverband nach Essen. Ein Karriereschritt, der ihm neben einer Verdoppelung seiner ohnehin nur knapp unter dem OB-Gehalt liegenden Bezüge eine verbesserte Altersversorgung sichert und ihm zugleich den Ausstieg aus der ewigen Tretmühle der Hagener Mangelverwaltung eröffnet.

Die mahnenden Worte des Kämmerers haben bewirkt, dass Hagen zuletzt ausgeglichene Haushalte präsentieren konnte. Doch damit scheint es in den nächsten Jahren vorbei zu sein.
Die mahnenden Worte des Kämmerers haben bewirkt, dass Hagen zuletzt ausgeglichene Haushalte präsentieren konnte. Doch damit scheint es in den nächsten Jahren vorbei zu sein. © WP | Michael Kleinrensing

„Diese neue Aufgabe ist für mich eine große berufliche und persönliche Chance“, bezeichnete Gerbersmann in einer persönlichen Stellungnahme es als eine „ausgesprochen attraktive Herausforderung“, seine Kenntnisse im Umweltbereich sowie seine Finanzexpertise beim Ruhrverband miteinander zu verbinden: „Das war die erste Stelle mit Ökologie-Touch, die mich in all den Jahren reizen konnte.“

Schließlich hatte Gerbersmann vor seinem fast 19-jährigen Wirken als Kämmerer sieben Jahre als Geschäftsführer des Umweltzentrums Hagen sein Geld verdient, bevor er fünf Jahre für die Märkische Bank tätig war. Zugleich betonte er, dass es ihm trotz aller Probleme „in einer mit Finanzproblemen gebeutelten Stadt“ Freude bereitet habe, für seine Heimatstadt zu arbeiten und Dinge positiv zu bewegen: „So konnte die Stadt Hagen in den letzten Jahren tatsächlich wieder Haushalte mit leichten Überschüssen planen und abschließen.“ Erfolge, die zumindest in den nächsten vier Jahren durch neue Schulden wieder aufgefressen zu werden drohen.

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Nächste Generationen im Blick

„Die Vermeidung von neuen Schulden ist aus meiner Sicht eine wichtige Form von Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit“, formulierte Gerbersmann seine Haltung und unterstrich seine Überzeugung: „Letztlich ist der Haushaltsausgleich notwendig, um kommunal handlungsfähig zu bleiben ohne das Diktat der Kommunalaufsicht.“

Dabei seien es immer wieder neue kostenträchtige Aufgaben gewesen, die Bund und Land den Kommunen übertragen hätten und Städte wie Hagen überforderten. „Aufgeben war jedoch nie mein Ding“, versicherte er im Gespräch mit der Stadtredaktion, keinesfalls verbrannte Erde zu hinterlassen: „Ich will diesen Haushalt noch bis zur Genehmigung durch die Bezirksregierung begleiten.“

Seite an Seite haben sich Oberbürgermeister Erik O. Schulz und Christoph Gerbersmann stets um Hilfen für die notleidenden Städte bemüht.
Seite an Seite haben sich Oberbürgermeister Erik O. Schulz und Christoph Gerbersmann stets um Hilfen für die notleidenden Städte bemüht. © WP | Michael Kleinrensing

Ohne amtsmüde zu wirken, räumte der Finanzdezernent jedoch ebenfalls ein, dass die vergangenen Jahre viel Kraft gekostet hätten. Deshalb müsse ein Wechsel in der Kämmerei auch als Chance begriffen werden: „In Teilen von Politik und Bürgerschaft, aber vor allem auch bei einzelnen Medien nehme ich zunehmend wahr, dass die Bereitschaft schwindet, heutige Kosten auch heute zu finanzieren. Ausgeglichene Haushalte und die Vermeidung von neuen Schulden werden dort zunehmend als Hemmnis und nicht als Chance für zukünftige Generationen gesehen. Von daher ist es vielleicht gut, wenn ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin mit neuen Argumenten, neuer Herangehensweise und neuer Tatkraft versucht, hier weiter Mehrheiten für eine solide Haushaltsführung zu finden und Bund und Land zu einer Umkehr für eine solide Finanzausstattung der Kommunen zu bewegen.“

OB verliert wichtigen Begleiter

Oberbürgermeister Erik O. Schulz reagierte mit einem lachenden und einem weinenden Auge auf die Gerbersmann-Personalie: „Erst einmal freue ich mich aufrichtig für Christoph Gerbersmann, dass er mit breiter Zustimmung zum Vorstandsmitglied des Ruhrverbandes gewählt wurde. Zugleich bedaure ich seinen Weggang sehr, weil Hagen damit einen hochkompetenten und bestens vernetzten Stadtkämmerer verliert.“ Er habe sich über Parteigrenzen hinweg große Anerkennung erworben, werde hochgeschätzt und hinterlasse eine große Lücke. „Der kontinuierliche Konsolidierungsprozess zur Stabilisierung unseres städtischen Haushaltes ist eng mit seinem Namen und seinem Engagement verbunden. Außerdem ist Christoph Gerbersmann ein gefragter Ansprechpartner in Sachen Kommunalfinanzen im ganzen Land.“

Schulz hob aber auch seine persönliche Verbindung zum Kämmerer hervor: „Er wird mir auch ganz persönlich fehlen, als Vorstandskollege, als enger Vertrauter und als Weggefährte, mit dem mich eine große menschliche Nähe verbindet.“

Kritische Töne von der Opposition

Weitaus kritischer kommentierte die SPD-Opposition im Hagener Rat die Personalie: „Wir stehen als Stadt finanziell mit dem Rücken an der Wand. Gerade eben hat der Kämmerer noch Steuererhöhungen eingefordert, weil er ansonsten für die beiden kommenden Jahre keinen Haushaltsausgleich hinbekommt. Jetzt will er im Oktober seinen Arbeitsplatz im Rathaus räumen. Das ist für unsere Stadt umso katastrophaler, als auch OB Schulz seinen Rückzug angekündigt hat“, warnte der SPD-Fraktionsvorsitzende Claus Rudel vor vielfältigen Problemen, die auf die Stadt bei einer geschwächten Verwaltungsführung zukämen.

SPD-Fraktionschef Claus Rudel
SPD-Fraktionschef Claus Rudel © SPD Hagen | SPD Hagen

„Es ist schon bezeichnend, wenn die beiden Hauptverantwortlichen in schwerer See zuerst die Brücke verlassen“, so Hagens SPD-Vorsitzender Timo Schisanowski. „Doch ist damit auch der Zeitpunkt für einen Neuanfang gekommen, der jetzt so schnell wie möglich eingeleitet werden muss. Die Hagener SPD ist dafür in alle demokratischen Richtungen gesprächsbereit. Die Stadt Hagen steht neben der Haushaltssituation vor weiteren großen Herausforderungen, die von Politik und Verwaltung gemeinsam angegangen und gemeistert werden müssen. Dafür brauchen wir dringend neue Führungspersönlichkeiten, die diesen Zeitpunkt als Chance für einen Politikwechsel verstehen.“