Hagen. Die kostenlosen Mammografie-Untersuchungen werden jetzt auch für ältere Frauen angeboten. Sie müssen sich jedoch extra anmelden
Die Früherkennung von Brustkrebs im Rahmen des bundesweiten Mammografie-Screenings wird ab sofort auf Frauen bis zum 75. Lebensjahr ausgeweitet. Seit dem 1. Juli können Teilnehmerinnen zwischen 50 und 75 Jahren diese kostenlose Untersuchung der Brust in Anspruch nehmen. „Das ist eine sehr erfreuliche Entwicklung“, unterstreicht Dr. Karsten Ridder, Facharzt für Radiologie beim Dortmunder MVZ (Medizinisches Versorgungszentrum) Prof. Dr. Uhlenbrock und Partner, das auch für Hagen zuständig ist und dessen Screening-Zentrum sich in der Elberfelder Straße 87 findet. „Das Mammografie-Screening ist ein erfolgreiches und mittlerweile etabliertes Hilfsmittel bei der Krebsfrüherkennung. Denn Brustkrebs hat bei rechtzeitiger Diagnose sehr gute Heilungschancen.“ Das Screening erhöhe die Wahrscheinlichkeit einer frühzeitigen Diagnose enorm, so der Mediziner.
Die Teilnahme an dem Angebot, das von den Krankenkassen getragen wird, ist natürlich freiwillig und wird im Raum Hagen/Dortmund von knapp 60 Prozent der jährlich etwa 110.000 anspruchsberechtigten Frauen genutzt. „Das ist trotz der guten Versorgung in unserer Region mit Gynäkologen und Radiologen eine relativ gute Quote“, weiß Ridder, dass die Nach-Corona-Delle inzwischen wieder ausgeglichen sei, „doch wir würden uns natürlich mehr Teilnehmerinnen wünschen“. Allerdings steige die Resonanz immer dann, wenn Prominente des öffentlichen Lebens wie Angelina Jolie oder auch Sylvie Meis aus persönlicher Betroffenheit mit dem Thema in den Medien auftauchten.
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Alle Fakten zu den Untersuchungen
Frauen zwischen dem 50. und 75. Lebensjahr haben alle zwei Jahre Anspruch auf eine Mammografie-Untersuchung zur Früherkennung von Brustkrebs. Ziel ist es, Brustkrebs möglichst früh zu erkennen, um ihn besser behandeln zu können und die Heilungschancen zu erhöhen. Bei der Mammografie wird die Brust geröntgt. Um eine hohe Qualität der Untersuchung zu sichern, findet diese nur in spezialisierten Einrichtungen statt, die zum deutschen Mammografie-Screening-Programm gehören.
Natürlich gilt: Die Mammografie kann nicht verhindern, dass Brustkrebs entsteht. Patientinnen haben das Recht auf eine persönliche Aufklärung durch eine Ärztin oder einen Arzt des Mammografie-Programms. Dazu müssen sie vor der Untersuchung einen eigenen Termin über die Zentrale Stelle vereinbaren – Kontaktdaten finden sich üblicherweise in den Einladungsschreiben.
Bei der Mammografie selbst sind in der Regel keine Ärztinnen oder Ärzte anwesend. Die Untersuchung wird vielmehr von einer Röntgenassistentin betreut. Sie macht von jeder Brust zwei Röntgenaufnahmen aus unterschiedlichen Richtungen. Die Mammografie-Aufnahmen werden von zwei Ärzten unabhängig voneinander nach Veränderungen abgesucht. Auffällige Befunde werden durch weitere Spezialisten begutachtet. Ein Brief mit dem Befund wird in der Regel innerhalb von sieben bis zehn Werktagen nach der Untersuchung zugesandt.
Die meisten Frauen erhalten ein unauffälliges Ergebnis. Andernfalls bedeutet das noch lange nicht, dass Brustkrebs gefunden wurde. Allein aufgrund der Röntgenbilder können auch Spezialistinnen und Spezialisten nicht immer sicher entscheiden, ob eine Auffälligkeit gut- oder bösartig ist. Es ist daher nötig, den Befund weiter untersuchen zu lassen.
Dazu lädt der verantwortliche Mediziner die Frau erneut ein. Bei der nächsten Untersuchung wird die Brust mit Ultraschall untersucht oder erneut geröntgt. Oft lässt sich so bereits ein Krebsverdacht ausschließen. Wenn das nicht möglich ist, wird die Entnahme einer Gewebeprobe (Biopsie) aus der Brust empfohlen. Dies geschieht unter lokaler Betäubung mit einer Hohlnadel. Das Gewebe wird anschließend unter dem Mikroskop begutachtet. Im Anschluss werden die Befunde dieser Untersuchungen von einer Ärztegruppe beraten.
Das Ergebnis wird in der Regel innerhalb einer Woche mitgeteilt. In etwa der Hälfte der Fälle stellt sich heraus, dass es kein Brustkrebs ist. Natürlich ist eine anderslautende Diagnose zunächst einmal ein Schock. Die weiteren Heilungschancen hängen vor allem davon ab, wie weit der Krebs fortgeschritten ist. Den meisten Frauen wird eine Operation empfohlen. Dabei werden in der Regel der Tumor und das umliegende Gewebe entfernt, seltener die gesamte Brust. Weitere Behandlungsmöglichkeiten sind Bestrahlung, Hormon- und Chemotherapie. Welche Behandlung infrage kommt, hängt von der genauen Diagnose ab.
Strahlenbelastung eher gering
Zum Start im Jahr 2006, als Deutschland noch Schlusslicht in der Europäischen Union beim Thema Brustkrebs-Vorsorge war, seien es noch eher die älteren Frauen gewesen, die das Screening-Programm genutzt hätten, erzählt Ridder. Heute kämen auch die 50-Jährigen, „sie sind inzwischen mit dem Thema groß geworden, die Behandlungsmöglichkeiten, aber auch die Heilungschancen haben sich verbessert“, sieht er den Standard längst im oberen europäischen Mittelfeld. Zumal in Hagen auch das enge Miteinander mit den Medizinern des Brustzentrums gut funktioniere. Das gelte übrigens auch für Frauen mit Migrationshintergrund: „Auch hier wird das Angebot gut angenommen. Die Teilnehmerinnen beispielsweise aus Marokko, Syrien oder der Türkei sind ebenfalls gut informiert. Selbst bei den geflüchteten Frauen aus der Ukraine beobachten wir eine hohe Quote.“
„Das Mammografie-Screening ist ein erfolgreiches und mittlerweile etabliertes Hilfsmittel bei der Krebsfrüherkennung. Denn Brustkrebs hat bei rechtzeitiger Diagnose sehr gute Heilungschancen.“
Zugleich versucht der Mediziner die oft vorgetragenen Bedenken von Frauen aufgrund der Röntgenstrahlen-Belastung während der Untersuchung und dem möglichen Druckschmerz zu relativieren: Denn die Brust der Frau wird zwischen zwei Platten gedrückt. Das kann unangenehm oder schmerzhaft sein, schadet der Brust aber nicht. Vielmehr gilt: Je flacher die Brust gedrückt wird, desto weniger Röntgenstrahlung ist nötig und desto aussagekräftiger ist die Aufnahme. Zudem verweist Ridder darauf, dass die modernen Geräte im Zeitalter der Digitalisierung mit 30 Prozent der Strahlendosis der alten Gerätschaften auskämen: „Damit sind wir schon sehr nah an der natürlichen Belastung – bei jeder Flugreise ist die Röntgenstrahlung am Himmel höher.“
Dass es zudem eine erhebliche psychische Belastung sei, nach der Mammografie auf das Ergebnis der Untersuchung tagelang warten zu müssen, kann Ridder zwar nachvollziehen. Doch er sieht vor allem den Vorsorgeeffekt im Vordergrund und lässt auch die Kritik der Überdiagnosen bei den alle zwei Jahre angebotenen Untersuchungen nicht gelten: „Wir nehmen den Frauen die Selbsteinschätzung ab“, hält er die Wartezeit auf Ergebnisse oder gar histologische Befunde für zumutbar und versichert zugleich: „Es gibt keine OP, ohne vorher totale Klarheit zu haben.“
Risiko steigt mit dem Alter
Grundsätzlich, so erläutert Ridder, steige beim Brustkrebs die Erkrankungshäufigkeit ab dem 30 Lebensjahr an. Das höchste Risiko werde mit dem 60. bis 65. Lebensjahr erreicht und verharre dann auf diesem Niveau: „Das größte Risiko, an Brustkrebs zu erkranken, ist das Alter. Allerdings sind die Behandlungsmöglichkeiten schonend und wirkungsvoll – auch im höheren Alter“, hält er die Ausweitung des Screening-Angebots bis hin zu 75-Jährigen für absolut angemessen.
Allerdings wird die neue Gruppe der 70- bis 75-Jährigen bislang noch nicht direkt zur Untersuchung angeschrieben und eingeladen. Vielmehr müssen sich die Frauen selbst bei der regional zuständigen Zentralen Stelle melden. Für Hagen ist dies die Mammografie Westfalen-Lippe in Münster – hier sind telefonische Screening-Terminvereinbarungen unter 0251/9295000 möglich. Denn bislang verhindern die Meldegesetze, dass Adressdaten der Frauen direkt an das Screening-Programm übermittelt werden. Eine einheitliche Einladungsroutine wird vermutlich erst im Jahr 2025 greifen. „Parallel wird zudem eine Ausweitung des Programms auch auf Frauen ab 45 Jahren geprüft“, weiß der Radiologe. „Dass das auf jeden Fall sinnvoll wäre, darüber sind sich alle einig.“