Hagen. Politisches Beben in Hagen. Der Ex-SPD-Chef und ihr Ex-Fraktionsführer in Hagen verlassen die SPD. Die reagiert kühl. Die Hintergründe
Die Hagener SPD hat nach eigenen Angaben in den vergangenen Tagen 14 Mitglieder verloren. Soweit vielleicht nicht ungewöhnlich - angesichts eines stetig anhaltenden Mitgliederschwunds bei den großen Parteien. Darunter befinden sich aber auch zwei Männer, von deren Austritt große Symbolik ausgeht. Jürgen Brand, 54 Jahre SPD-Mitglied, ehemaliger Präsident des Landesarbeitsgerichts, Richter am NRW-Verfassungsgerichtshof und Ex-SPD-Chef in Hagen. Sowie Mark Krippner, Ex-Fraktionschef der Genossen in Hagen und bis zuletzt das Gesicht der SPD in Hohenlimburg, die hier den größten Ortsverein der Stadt hat. Er wendet sich dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) zu.
Jürgen Brand hatte sein Misstrauen gegenüber Hagens SPD-Unterbezirkschef und heutigem Bundestagsabgeordneten Timo Schisanowski bereits 2021 - vor der Bundestagswahl - öffentlich zum Ausdruck gebracht und sich für den damaligen CDU-Kandidaten Christian Nienhaus positioniert. Von Charaktermangel, manipulativem Vorgehen und Tricksereien war da über Schisanowski die Rede. Schisanowski sei ein Leichtgewicht, das sich nicht weiterentwickeln könnte, schrieb Brand dem jüngeren Kollegen jede Eignung ab, größere politische Verantwortung zu übernehmen. Ein öffentlicher Schnitt durchs Tischtuch. Schisanowski kommentierte das damals nicht.
Keine Netzwerke für einfache Leute
„Das ist vorbei und abgehakt. Darauf gucke ich nicht zurück“, sagt Jürgen Brand heute. Dass er nach 54 Jahren austritt, habe unterschiedliche Gründe. „Auf lokaler Ebene finde ich die SPD einfach zu inaktiv“, beschreibt er, dass da „wenig kommt“. Er begreife die SPD als Kümmerer-Partei, die etwas für die einfachen Leute mache. „Welche Aktivität für den einfachen Mann auf lokaler Ebene haben wir denn noch? Wir müssen doch als Partei ein Netz auswerfen.“
„Welche Aktivität für den einfachen Mann auf lokaler Ebene haben wir denn noch? Wir müssen doch als Partei ein Netz auswerfen““
Stattdessen habe er sich schon vor zehn Jahren, als er einen Schularbeitszirkel in Hagen an den Start bringen wollte, Fragen nach Haftungen und anderen Dingen stellen lassen müssen. Es werde alles verkompliziert und zerredet. Der Ton im Unterbezirksvorstand sei überdies „rustikaler geworden“. Das sei nicht mehr seine Art eines guten Miteinanders. „Und dann kommt dazu, dass meine Partei jetzt auch noch den Konsum von Cannabis legalisiert hat. Das ist für mich unbegreiflich. Ich habe selbst vier Kinder, der Jüngste ist 19. Ich mache mir Sorgen, wenn solche Drogen so frei zugänglich werden. Das war eine riesige Fehlentscheidung.“
„Ich kenne Jürgen Brand“
Die Partei wechseln wolle er nicht. Er mache das wie Jürgen Klopp in Liverpool. Ein Ende ohne Wechsel. „Dafür war ich viel zu lange Sozialdemokrat.“ Unterbezirksvorsitzender und Bundestagsmitglied Timo Schisanowski kommentiert den Abgang von Jürgen Brand auf Anfrage kurz und knapp. „Ich kenne Jürgen Brand. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.“
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Auch Mark Krippner, seit 27 Jahren SPD-Mitglied, einstiger Chef der Ratsfraktion und Frontmann und stellvertretender Bezirksbürgermeister in Hohenlimburg, hat die Partei am vergangenen Sonntag verlassen. „Ich gehe nicht im Groll, aber mit großer Enttäuschung“, sagt Mark Krippner, der seit dem Jahr 2020 mit einem Versicherungsbüro in Letmathe selbstständig ist, nachdem er zuvor 29 Jahre bei der Enervie gearbeitet hatte. Die Entscheidung, die SPD, zu verlassen, habe ihm große Bauchschmerzen bereitet. „Ich bin sozialdemokratisch geprägt und war 27 Jahre in der SPD.“
„Ich kenne Jürgen Brand. Mehr möchte ich dazu nicht sagen“
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Krippner 2016 abgewählt
„Es hat nicht vordergründig damit zu tun, dass mich die SPD 2016 fallen lassen hat. Das ist acht Jahre her. Ich persönlich kann da gut einen Haken dran machen. Ich merke aber, dass von dem Frieden und den Vereinbarungen, die ich unter anderem mit Timo Schisanowski vor zwei, drei Jahren geschlossen habe, nicht viel übrig ist. Ich sollte politisch rehabilitiert werden und wir wollten friedlich zusammenarbeiten.“ Daneben gebe es eine Vielzahl bundespolitischer Themen, bei denen Krippner die Partei versagen sehe.
Außerdem bemerke er, wie Hohenlimburg in gewisser Weise abgehängt werde. „Keine Unterstützung, keine Rückmeldungen. Wenn Themen aus Hohenlimburg kommen, ist das, als wenn sie nicht stattfinden. Daneben kann ich an mehreren Stellen nicht nachvollziehen, wie die Partei reagiert und kommuniziert. Zum Beispiel bei dem Friedhofsthema aktuell. Da hätte man sich doch ganz klar an die Seite der Leute stellen müssen und sagen müssen: Lasst euch was anderes einfallen, aber die Friedhöfe machen wir nicht zu.“ Zwar hat der WBH-Verwaltungsrat in dieser Sache ordentlich den Fuß vom Gas genommen, Krippner gehe es aber um die Symbolik im Vorfeld der Debatte.
Sympathien für Bündnis Sarah Wagenknecht
Mark Krippner setzt sich aktuell stark mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) auseinander. Die gerade erst gegründete Partei der ehemaligen Linken-Frontfrau sei eine, „über die ich inhaltlich überhaupt nicht stolpere. Im Gegenteil: Da gibt es viele Anknüpfungspunkte.“ Nicht ausgeschlossen sei, dass er noch beitrete und möglicherweise auch unter BSW-Flagge in der Bezirksvertretung Hohenlimburg arbeite. Neben ihm trete auch Fuat Aker aus der SPD aus. Damit haben zwei von drei SPD-Bezirksvertretern in Hohenlimburg die Partei verlassen. „Vielleicht bilden wir zunächst zu zweit eine Fraktion“, sagt Mark Krippner. Sein Mandat wolle er behalten.
„Keine Unterstützung, keine Rückmeldungen. Wenn Themen aus Hohenlimburg kommen, ist das, als wenn sie nicht stattfinden. Daneben kann ich an mehreren Stellen nicht nachvollziehen, wie die Partei reagiert und kommuniziert.“
2016 war Mark Krippner von seiner Partei als Fraktionschef im Hagener Rat abgewählt worden. Vorausgegangen war eine monatelange Debatte um seine Person. Die Stadtkanzlei von Oberbürgermeister Erik O. Schulz hatte bei einer Überprüfung der Abrechnungspraxis bei den Hagener Kommunalpolitikern den Anspruch auf Verdienstausfall-Erstattungen bei Krippner kritisiert. Dabei sollte es sich vorzugsweise um Bürotätigkeiten, Hintergrundgespräche oder auch Repräsentationstermine gehandelt haben, die Krippner zu Unrecht bei seinen Stundenabrechnungen geltend gemacht haben soll.
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Kein Betrug durch Krippner festgestellt
Die Hagener Staatsanwaltschaft hatte die Ermittlungen gegen Krippner später allerdings eingestellt. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft hatten sich damals im Rahmen der über acht Monate hinziehenden Ermittlungen keine Hinweise auf eine systematische Täuschung zu Lasten der Stadt bzw. seines damaligen Arbeitgebers ergeben: „Damit liegt aus unserer Sicht kein bewusster Betrug durch Herrn Krippner vor“, vermeldete die Staatsanwaltschaft damals.
„Dass Hohenlimburg abgehängt oder nicht beachtet wird, kann ich nicht erkennen. Mark Krippner ist seit unserem Friedensgespräch stellvertretender Vorsitzender des Parteirats im Unterbezirk geworden. Seine Stellvertreterin dort ist die Hohenlimburgerin Nadine Brandstätter. Regina Schäfer, ebenfalls aus Hohenlimburg, war bis zuletzt im Unterbezirksvorstand und das hatte man ihr auch erneut angeboten. Die Ortsvereine Berchum und Hohenlimburg haben vor einiger Zeit fusioniert und wir haben in diesem Prozess eng mit den Hohenlimburgern zusammengearbeitet. Keiner wird benachteiligt. Und der Frieden, den wir vereinbart hatten, ist auch praktiziert worden“, erklärt Unterbezirkschef Timo Schisanowski auf Anfrage.
„Wie ich persönlich den Austritt von Mark Krippner sehe, ist nicht entscheidend. Ich gucke nach vorne. Auf jedes Gewitter folgt auch wieder Sonnenschein. Die SPD Hohenlimburg hat jetzt die Chance, sich neu aufzustellen. Um wieder eine für die Hohenlimburger Bürger sichtbar aktive und inhaltsstarke SPD-Politik zu machen.“
SPD will nach vorne gucken
Und weiter: „Wie ich persönlich den Austritt von Mark Krippner sehe, ist nicht entscheidend. Ich gucke nach vorne. Auf jedes Gewitter folgt auch wieder Sonnenschein. Die SPD Hohenlimburg hat jetzt die Chance, sich neu aufzustellen. Um wieder eine für die Hohenlimburger Bürger sichtbar aktive und inhaltsstarke SPD-Politik zu machen.“