Hagen. Kein bezahlter Kulturmanager mehr, stattdessen legt die AWO Hagen mehr Augenmerk auf Ehrenamtliche. Gaby Ortwein bringt sich und Künstler ein.
Ein Blick nach Emst: Seit vier Monaten ist im Stadtteil Emst in Sachen Kultur ziemlich tote Hose, der Vertrag mit dem Kulturmanager wurde nicht verlängert, seitdem heißt es „Still ruht der See“. Die Rede ist vom Kulturhof Emst. Der Vertrag mit Björn Nonnweiler lief Ende 2023 aus und wurde von der AWO (der Kulturhof ist eine Begegnungsstätte der Arbeiter Wohlfahrt) nicht verlängert.
Keine Bühne für Kinder oder Weinproben mehr
Aus also der Traum von der Errichtung einer offenen Nachwuchsbühne für Kinder und Jugendliche, von einem lebendigen Kultur-Donnerstag und von gediegenen Veranstaltungen wie Weinproben in dem alten Fachwerkhaus Auf dem Kämpchen 16 in Hagen-Emst? So scheint es - zumindest vorerst. . .
Zum Hintergrund: Der Kulturhof Emst (die Einrichtung entstand 2005 aus der AWO-Begegnungsstätte) wird seit Jahren zweigleisig betrieben – zum einen bietet dort der Ortsverein Emst-Bissingheim-Remberg ein Programm für schwerpunktmäßig ältere Leute aus dem Quartier an (u.a. Offenes Singen für jedermann, Sitzgymnastik und Klöncafé), zum anderen als Kulturbühne für Künstler, die gegen Gage auf einer kleineren Bühne auftreten.
Arbeitsvertrag nicht verlängert
Anfang 2022 übernahm der Hagener Björn Nonnweiler von Sven Söhnchen den Job des Kulturmanagers. Es handelte sich um keinen Full-Time-Job, sondern um einen Mini-Job, da Nonnweiler selbst auch als Musiker, Musiklehrer und Grafik-Designer tätig war und ist. „Mein Arbeitsvertrag lief im November 2023 nach zwei Jahren aus und wurde vom AWO Unterbezirk Hagen leider nicht verlängert“, sagt der 41-Jährige. Und weiter: „Die AWO und ich haben versucht, eine andere Lösung zu finden, die aber am Ende für beide Seiten nicht passte.“
Kulturbereich ist defizitär
Auf Nachfrage der Stadtredaktion bestätigt AWO-Sprecher Jochen Milde: „Wir konnten den Vertrag nach zwei Jahren nicht verlängern, da er dann in einen unbefristeten Vertrag übergegangen wäre.“ Milde fährt fort: „Die Begegnungsstätte wird städtisch gefördert, doch ist der Zuschuss sehr gering und der Kulturbereich defizitär. Vor diesem Hintergrund konnten wir den Vertrag mit dem Kulturmanager nicht verlängern.“
Zwar solle die Kulturschiene auf Emst nicht gänzlich einschlafen, aber zumindest vorerst mehr auf ehrenamtliche Beine gestellt werden. Jochen Milde spricht nicht „ins Blaue“, sondern hat in dieser Richtung bereits Gespräche geführt.
Gaby Ortwein bietet ihre Unterstützung an
„Eine sich vor Jahren schon im Kulturhof Emst engagierte Dame hat uns ihre Unterstützung angeboten“, so der AWO-Sprecher. Damit ist Gaby Ortwein gemeint, die ehemalige Lehrerin, Künstlerin und einstige Emsterin war in den frühen Jahren der Einrichtung eines der Zugpferde des Kulturhofs.
Die heute 70-Jährige, die für ein Jahr nach Bad Pyrmont ausgewandert war, nun mit ihrem Mann in Iserlohn wohnt, demnächst aber zurück nach Emst zieht, hatte Anfang des Jahres mitbekommen, dass sich im Kulturhof in Sachen Kulturveranstaltungen und Programmplanung nicht mehr viel abspielt. „Da hab‘ ich einfach gefragt: ,Braucht Ihr Hilfe?‘“, blickt die resolute Frau zurück.
Seitens der AWO und des Ortsvereins Emst-Bissingheim wurde ihr signalisiert, dass man ihre Unterstützung für das zweite Halbjahr gern annähme und zu schätzen wisse. Gaby Ortweins Reaktion? „Okay, dann geb‘ ich jetzt Gas und spreche meine Künstler an.“
Schon einige Auftritte klar gemacht
Mit „meine Künstler“ spielt die kulturaffine Frau auf ihr Netzwerk zu Agenturen und freischaffenden Künstlerinnen und Künstlern an. Die 70-Jährige ist in ihrem Element und sprudelt vor Begeisterung: „Ich hab‘ in den letzten Tagen schon einige Auftritte klar gemacht. Die Sache läuft.“
Fachwerkhaus bietet 99 Gästen Platz
Das alte, durch rustikale Holzoptik bestimmte Fachwerkhaus, das als Begegnungsstätte und Kultureinrichtung genutzt wird, bietet 99 Gästen Platz. Es verfügt über eine Küche, in der Kleinigkeiten zubereitet werden können, sowie über eine gemütliche Empore.
Der Ortsverein Emst-Bissingheim-Remberg lädt regelmäßig zu u.a. Heringstipp-Essen und Langschläferfrühstück ein. Außerdem veranstaltet der Ortsverein ein Sommer- sowie ein Herbstfest und eine Weihnachtsfeier.
Bluesmusiker im Kulturhof
Konkret: Am 7. September treten junge Bluesmusiker (Ortwein: „Tolle Leute und alle Berufsmusiker.“) von 19 bis 21 Uhr auf der Bühne des Kulturhofs Emst auf, „es wird ein richtig nettes Abendkonzert“, verspricht Gaby Ortwein.
Ende September/ Anfang Oktober gastiert Luis Gonzalez auf Emst und serviert südamerikanische Klänge samt Erzählungen. Der Sänger und Gitarrist lädt zum Nachmittagskonzert mit Kaffee und Kuchen ein. Am 12. Oktober, 19 bis 21 Uhr, singt Larissa Strogoff u.a. Lieder von Alexandra, der bekannten Schlagersängerin aus den 1960er Jahren.
Einen Folk-Blues-Künstler hat der frühere Kulturmanager Björn Nonnweiler noch für 2024 verpflichtet - Biber Hermann tritt am 17. Oktober um 19.30 Uhr auf Emst auf.
Musikalische Reise durch Frankreich
„Auf einen Künstler freu‘ ich mich besonders“, verrät Gaby Ortwein. Sie pflege einen guten Kontakt zu dem französischen Künstler Gérard Michel, „er ist in der Nähe von Montlucon aufgewachsen, lebt aber mittlerweile in Hagen und kommt am 9. November in den Kulturhof“. Von 19 bis 21 Uhr lädt der Chansonsänger dann zu einer musikalischen Reise durch Frankreich ein.
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Aber wird das Programm vermutlich nicht eher ältere Leute ansprechen? „Zum Teil. Das Blueskonzert Anfang September bestreiten junge, frische Musiker. Ich hoffe, es kommen auch einige jüngere Gäste“, räumt Gaby Ortwein ein.
Hoffnung auf kleine Aufwandsentschädigung
Was die couragierte Frau hofft? Dass sie künftig mit einem Kulturangebot alle Generationen ansprechen kann und dass sie, wenn sie richtig in den Tritt gekommen ist, für ihren Einsatz von der AWO zumindest eine kleine Aufwandsentschädigung bekommt.