Hohenlimburg. Folgen der geplanten Vertiefung des Steinbruchs Hohenlimburg erläutert bisher nur ein Gutachten. Wir haben weitere Experten gefragt:

Um die geplante Vertiefung des Steinbruchs in Oege ist es nach dem Erörterungstermin im Hagener Rathaus im Februar still geworden - doch für Kritiker wabert bis heute ein Geschmäckle mit: Schätzt das Gutachten, das die Folgen einer Vertiefung des Steinbruchs bis unter den Grundwasserspiegel berechnet hat und nur moderate Risiken prophezeit, die Lage richtig ein?

Zwar wies das ausführende Ingenieurbüro den Vorwurf zurück, man habe Einschätzungen zugunsten des Auftraggebers gegeben. Doch sind Sorgen von Kritikern, die Größe des Absenkungstrichters könne nicht genau vorhergesagt werden und im schlimmsten Fall die Statik des Steinbruchs beeinflussen, dennoch berechtigt? Wir haben zwei Experten gefragt, die nicht im Genehmigungsverfahren involviert sind.

Auch interessant

Gutachten arbeitet mit Modell

„Es ist richtig, dass die Ausdehnung des Absenkungstrichters nicht genau vorhergesagt werden kann“, betont Monika Raschke vom Naturschutzbund Bund Hagen. Die gelernte Wasserbauingenieurin war lange als Expertin für Gewässerschutz im NRW-Umweltministerium tätig. Das Gutachten, das ein Ingenieurbüro im Auftrag der Kalkwerke erstellt hat, habe auf Basis der vorliegenden Daten ein Modell erstellt und die für verschiedene Abbautiefen erwartbare Ausdehnung des Absenkungstrichters berechnet.

Sinnvolle Berechnung

„Die Ausdehnung steigt naturgemäß mit zunehmender Abbautiefe. Soweit ich das beurteilen kann, wurden die Annahmen für das Modell sinnvoll getroffen.“ Es zeige sich eine hohe Übereinstimmung der modellierten Daten mit bereits aufgetretenen Zuständen. „Mit solchen Nachmodellierungen bereits eingetretener Ereignisse wird auch in anderen – zum Beispiel rein hydrologischen Modellen – getestet, wie gut das Modell die vorliegenden Verhältnisse abbildet.“

„Soweit ich das beurteilen kann, wurden die Annahmen für das Modell sinnvoll getroffen.“

Monika Raschke, Wasserbauingeneurin aus Hagen, war für das NRW-Umweltministerium tätig

Dichter Massenkalk

Sehr wichtig im Zusammenhang mit Bedenken um die Statik sei die Tatsache, dass der anstehende Massenkalk im Steinbruch Oege sehr dicht ist. Das Grundwasser in diesem Fels trete nicht in den Poren des Gesteins auf, sondern in kleinen Rissen und Spalten, den sogenannten Klüften. „Das ist auch daran erkennbar, dass nach dem Starkregen Mitte Juli 2021 der Wasserstand im ‚Grundwasser‘ um zirka 20 Meter stieg.“ Die schmalen Klüfte seien halt sehr schnell mit Wasser gefüllt.

„Wenn diese Klüfte nun durch die Steinbruchentwässerung entleert werden, hat das keinen Einfluss auf die Standfestigkeit des Massenkalks an sich. Anders sähe es aus, wenn der Untergrund poröser wäre und z.B. aus Sand, Torf oder anderen komprimierbaren Böden bestünde. Dann wäre bei einer Absenkung des Grundwassers mit Setzungen zu rechnen.“

„Hinter der Hacke ist duster“

In der Geologie werde gesagt: „Hinter der Hacke ist duster.“ Das hieße zum Beispiel, dass durch die Tieferlegung der Steinbruchsohle lokal auch stärker klüftige Bereiche erschlossen werden könnten, von deren Existenz bis heute niemand weiß. „Das ist nicht sehr wahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen.“ Die Grundwassermessstellen würden auch jetzt schon ständig überwacht, zur Beweissicherung und um in einem solchen Fall die Sümpfung anzupassen oder Maßnahmen z.B. zur Abdichtung zu ergreifen. „Da die Steinbruchvertiefung nur sehr allmählich fortschreiten wird, bleibt bei unvorhergesehenen Veränderungen des Abbaumaterials genügend Zeit für eine angemessene, mit der Überwachungsbehörde abgestimmte Reaktion.“

Kontrollen verstärken

Das vorliegende Gutachten empfiehlt, in Richtung Lenne eine weitere Grundwassermessstelle herzustellen und die Kontrollen der Messstellen vor allem ab der Unterschreitung des Lenneniveaus zu verstärken. „Diese Empfehlung kann ich nur begrüßen, damit bei weiter in die Tiefe gehendem Abbau geprüft werden kann, ob der Massenkalk sich den Annahmen entsprechend als ausreichend dicht gegen das Lennetal erweist.“

Teilen Bedenken nicht

Bedenken um die Statik des Steinbruchs Oege sind auch nach Einschätzung des Ingenieurbüros Heitfeld-Schetelig auf Anfrage unbegründet. Die Hydrogeologen aus Aachen haben in der Vergangenheit Vertiefungs-Projekte begleitet, die Bohrungen bis unter Grundwasser vorsehen, wie etwa beim Kalkwerk Osterholz in Gruiten. Auch ohne detaillierten Einstieg in die Datenlage der Steinbruchs Oege kommt man zu einer eindeutigen Aussage: „Die in dem hydrogeologischen Gutachten und den Antragsunterlagen enthaltenen Prognosen wirken verständlicherweise auf ‚Nicht-Fachleute‘ durchaus beängstigend, sodass die von den Anwohnern aufgeworfenen Fragen unsererseits nachvollzogen werden können“, so Ingenieur Michael Heitfeld. „Aus unserer fachlichen Sicht können wir aber tatsächlich die angeführten Bedenken hinsichtlich ‚statischer Auswirkungen‘ oder sogar der Standsicherheit benachbarter Gebäude nicht teilen.“

„Aus unserer fachlichen Sicht können wir aber tatsächlich die angeführten Bedenken hinsichtlich „statischer Auswirkungen“ oder sogar der Standsicherheit benachbarter Gebäude nicht teilen.“

Michael Heitfeld, Ingenieurbüro Heitfeld-Schetelig aus Aachen

Abstand zur Oberfläche groß genug

Schließlich werde die geplante Grundwasserabsenkung in einem Grundwasserleiter aus Festgestein/Kalkstein stattfinden und der „Flurabstand“ (Abstand zwischen dem Grundwasser und der Geländeoberfläche) sei ausreichend groß. „In einem solchen Fall führen Absenkungen des Grundwasserspiegels nicht zu Auswirkungen auf die Geländeoberfläche und auch nicht zu Setzungen bei Gebäuden.“ Auch das Entleeren wasserführender Klüfte führe in einem Festgestein/Fels nicht zu Setzungen.

Mehr Themen aus Hohenlimburg