Hohenlimburg. Im Hagener Rathaus kamen Kritiker der geplanten Steinbruch-Vertiefung in Hohenlimburg mit den Betreibern zusammen:
Showdown im Hagener Rathaussaal: Kritiker der geplanten Steinbruch-Vertiefung in Hohenlimburg hatten bei einem Erörterungstermin die Gelegenheit, ihre Einwände und Bedenken direkt an die Betreiber der Hohenlimburger Kalkwerke zu richten. Rund vier Stunden dauerte der Schlagabtausch, der sich teils emotional, aber weitestgehend sachlich-nüchtern vollzog.
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Blick in die Zukunft
Mit reichlich Fragen im Gepäck betrat Erwin Gebauer am Dienstagmittag den Rathaussaal in Hagen. Er wohnt in Nachbarschaft zum Steinbruch in Oege, am Sonnenberg. „Was machen kommende Generationen, wenn sie in 100 Jahre Baustoffe brauchen und der Steinbruch komplett ausgebeutet ist?“, war eine der Fragen, die er im Plenum stellte, ihm gegenüber Fachgutachter, Juristen und Geschäftsführung der Hohenlimburger Kalkwerke. Eine Frage, die für die Stadt Hagen als Genehmigungsbehörde im Diesseits nicht beantwortet werden kann und muss, bremste Thomas Köhler, Leiter des Umweltamtes, der den Termin moderiert hat. Nur ein Beispiel für den Blick in die Glaskugel, der mehrfach im Rahmen der Erörterung bemüht wurde und letzlich wohl für keine Seite zufriedenstelllend aufgelöst werden konnte.
Vertiefung geplant
Welche langfristigen Folgen hat es für die Natur und die Wohnhäuser im Umfeld, wenn der Steinbruch in Hohenlimburg wie beantragt bis zu 108 Meter tiefer in den Boden als bisher genehmigt gehen darf und damit den Grundwasserspiegel unterschreitet? Dieser soll wegen des tieferen Abbaus zeitweilig bis etwa 120 Meter unter das natürliche Niveau abgesenkt werden. Pumpen sollen das Wasser aus dem Steinbruch abpumpen, damit die Arbeiten im Trockenen stattfinden können. In der Folge wird sich ein Absenktrichter um den Tagebau ausbilden.
Gutachter beruhigen
Rund 10 bis 15 Jahre soll dieser Abbau in die Tiefe andauern. Für diesen Zeitraum wird der natürliche Fluss des Grundwassers verändert, auch wenn das Grundwasser schließlich wieder in die Lenne eingeleitet wird. Das Umweltamt schätzte im vergangenen Jahr die Auswirkungen der Erweiterung gegenüber dem bereits genehmigten Abbau als moderat ein. Schließlich verändere sich die Fließrichtung des Grundwassers nicht wesentlich. Auch die Fachgutachter, die für die Kalkwerke das Unterfangen geprüft haben, unterstrichen bei dem Erörterungstermin, dass es aus wissenschaftlicher Sicht keinen Grund für Schweißperlen auf der Stirn gebe.
Zweifel an Prognosen
Ob die Prognosen zu den Auswirkungen vage oder valide sind, da gingen die Meinungen im Saal wenig überraschend auseinander. Je weiter eine Prognose in die Zukunft gehe, desto eher könnten Abweichungen vorkommen, räumte Diplom-Geologe Johannes Pommerening ein, dessen Ingeneurbüro „Köhler und Pommerening“ das Gutachten zur Vertiefung verfasst hat. „Das schränkt aber nicht die Eindeutigkeit unserer Prognosen ein, die auf umfangreichen Modellberechnungen beruhen.“ Tiefenbohrungen im Steinbruch hätten außerdem einen guten Einblick in die Beschaffenheit des Steinbruchs und den Grundwasserhaushalt am Standort geliefert. Sollte der Tiefenabbau genehmigt werden, dann finde ein begleitendes Monitoring statt und die Grundwasserstände würden über Messstellen stetig beobachtet.
Bürgerinitiative skeptisch
Nicht zuletzt wegen des Klimawandels und künftiger Dürre-Sommer sei Grundwasser ein wichtiges Gut und der „massive Eingriff“, den die geplante Vertiefung nach sich ziehen würde, nicht kompatibel mit der EU-Wasserrahmenrichtlinie, sagt dagegen Meinolf Henning von der Bürgerinitiative zum Erhalt des Ahm. „Einige Antworten der Gutachter waren für uns unbefriedigend und ungenau.“ Man behalte sich vor, als Bürgerinitative hierzu ein eigenes Gutachten in Auftrag zu geben.
Haftung im Schadensfall
Darüber hinaus kamen von Anwohnern Fragen nach den Folgen für die Statik des Steinbruchs und den Wasserhaushalt der Bäume im Umfeld ebenso auf wie nach einer möglichen Haftung im Schadensfall. Martin Buschmann vom Ingenieurbüro „Stoll und Partner“ verwies auf die gesetzlichen Regelungen, die in diesem Falle greifen. Sollte es Schäden an Häusern geben, müssten die Betroffenen für Schadensersatz nachweisen, dass die Schäden auf den Abbau im Steinbruch zurückzuführen seien. „Wir leben in einem Rechtsstaat.“
Notwendiger Eingriff?
Wie nötig die Debatte um eine Vertiefung zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt sei, auch diese Frage wurde bei der Erörterung gestellt. Bis zu welchem Jahr noch innerhalb der bisher genehmigten Grenzen Gestein abgebaut werden kann, diese Frage blieb offen. Es gehe aber um langfristige Planungssicherheit für den Betrieb, so Martin Buschmann für die Antragssteller von HKW. Zudem sei die Gesellschaft auch künftig auf die Rohstoffe angewiesen. „Es ist notwendig, dauerhaft die Versorgung zu gewährleisten.“
Ein Zusammenhang der geplanten Vertiefung des Steinbruchs mit einer möglichen künftigen Erweiterung in die Fläche wiesen die Betreiber zurück. „Wir haben keinen Antrag auf eine laterale Erweiterung gestellt“, so Matthias Lange, Geschäftsführer HKW. „Diese Entscheidung liegt nicht in unseren Händen“, blicke man auf den neuen Regionalplan Arnsberg, der festlegt, wie Flächen im Regierungsbezirk künftig genutzt werden dürfen – und der längst noch nicht komplett ausgearbeitet ist.
„FC Bayern gegen Drittligist“
Anwohner Erwin Gebauer vom Sonnenberg verließ den Erörterungstermin im Rathaus mit gemischten Gefühlen. Einerseits habe die Expertise der Fachgutachter interessante Erkenntnisse zu den Vertiefungs-Plänen geliefert, sagt er. Da ihm die geologische Fachkenntnis fehlt, habe man aber kaum auf Augenhöhe diskutieren können. „Mir kam es vor, als spielte hier der FC Bayern München gegen einen Drittligisten.“