Hagen. Am AKH in Hagen etabliert Prof. Dr. Altenbernd neue Methoden in der Schlaganfall-Behandlung. Wie den Patienten dort geholfen wird:
„Das war medizinisch gesehen schon eine Revolution - und ich bin froh, dass ich das auf meine alten Tage noch gelernt habe.“ Prof. Dr. med. Jens-Christian Altenbernd lacht. Man könnte sagen, er ist eher ein lockerer Typ. Der Arzt, der auch mal scherzt und Späße macht. Und ein Arzt, der es möglich macht, dass Schlaganfall-Patienten am Agaplesion Klinikum Hagen (AKH) mit einer neuen Behandlungsmethode nun noch besser behandelt werden können und dafür nicht mehr an andere Standorte verlegt werden müssen.
Seit Oktober leitet er die Klinik für diagnostische und interventionelle Radiologie und Neuroradiologie. „Dabei bin ich kein unbeschriebenes Blatt. Ich war vor dreieinhalb Jahren schon einmal hier, da gab es noch keine Klinik für Neurologie, es war der falsche Zeitpunkt“, blickt er zurück. Jetzt passt alles. Und: Jetzt hat der 50-Jährige die Möglichkeit, die interventionelle Radiologie und Neuroradiologie samt Team weiter aus- und aufzubauen. Besonders unterstützt wird er dabei durch die Anästhesie, da die meisten komplexen Eingriffe in Narkose durchgeführt werden.
Spezialität bereichert AKH-Angebot
Was uns zu der „Revolution“ bringt, um die es gehen soll - um bessere Möglichkeiten bei Schlaganfallbehandlungen durch Thrombektomien, also die Entfernung von Blutgerinnseln. Prof. Altenbernd ist Experte auf dem Gebiet für Eingriffe an Gefäßen und Organen. Minimalinvasives Arbeiten könnte man sagen, ist seine Spezialität. Eine Spezialität, die nun auch das Hagener Klinikum bereichern soll. Möglich gemacht hat das auch die Fusion mit dem Boeler Krankenhaus. Denn dort war bis April, vor dem Umzug, noch die Neurologie angesiedelt.
Verstopfte Gefäße mit Kathetern befreien
Bei der Thrombektomie können Schlaganfallpatienten noch länger nach Auftreten der ersten Symptome behandelt werden - mit der herkömmlichen und immer noch oft verwendeten Lysetherapie, gibt es dafür ein maximales Zeitfenster von vier bis sechs Stunden. „Dort wird durch die Neurologen ein Medikament verabreicht, das blutverdünnend wirkt, um so verstopfte Gefäße zu befreien“, erklärt der Chefarzt. Die Thrombektomie hat das gleiche Ziel - läuft aber anders ab.
Dabei handelt es sich um ein anspruchsvolles Verfahren. Mit einem Katheter, der in der Leistenregion eingesetzt wird, fährt der Arzt über die Leistenarterie bzw. Gefäße - „quasi die Autobahnen des Körpers“, bis zum Gerinnsel im Gehirn. Die Gabe von Kontrastmittel ermöglicht es, den Katheter per Angiografie (Röntgenstrahlung), präzise zu steuern und seine Lage durchgehend zu überwachen. Über einen wiederum noch kleineren Katheter, der erst im Anschluss eingeführt wird, wird das Gerinnsel mit einem kleinen Geflecht aus feinstem Maschendraht aus dem Kopf geholt - vereinfacht erklärt. Ergebnis: Das Gehirn kann wieder mit Blut versorgt werden.
Seit Anfang Dezember 10 Behandlungen
Ein aktuelles Fallbeispiel zeigt, wie wichtig diese Arbeit sein kann: „Wir hatten eine Schlaganfall-Patientin, bei der eine komplette Halsarterie verschlossen war. Ihr halbes Hirn konnte nicht mehr versorgt werden, sie konnte nicht mehr sprechen, hatte Lähmungserscheinungen“, so Prof. Jens-Christian Altenbernd. Die Neurologen und Neuroradiologen entscheiden sich für eine Thrombektomie - und es klappt. „Sie hat heute keine Beschwerden mehr“, blickt der Arzt auf das Verfahren, das jedoch nur unter gewissen Voraussetzungen angewendet werden kann.
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Dafür ist beispielsweise maßgeblich, dass ein verschlossenes Gefäß identifiziert wird - und wie viel Hirngewebe noch zu retten ist. „Man muss Nutzen und Gefahren einer Behandlung abwägen. Es kann selten zu Blutungen kommen - die oft nicht einmal durch den Eingriff selbst ausgelöst werden, aber dadurch, dass die Blutgerinnsel aufgelöst werden und die Versorgung ,normal‘ läuft.“ Von der „Stroke Unit“, einer speziellen Schlaganfall-Einheit der Neurologie, wird nach dem Eingriff der Patient engmaschig überwacht. Der Eingriff selbst dauert etwa 30 bis 60 Minuten (Narkose nicht mit eingerechnet).
Seit Anfang Dezember wird mit der Methode in Hagen gearbeitet. 10 Behandlungen wurden schon durchgeführt - „mehr als erwartet“, so die Bewertung des Chefarztes. Denn von 600 bis 700 Schlaganfallpatienten kämen nur etwa 10 bis 15 Prozent dafür infrage.
Zusammenarbeit mit allen Fachrichtungen
Natürlich sind die Arbeitsbereiche viel weiter gefächert und es geht nicht nur um Schlaganfälle. Das Team kümmert sich um eine Vielzahl von Erkrankungen oder Diagnosen und natürlich primär wie jede Radiologie um eine schnelle und verlässliche Bildgebung mittels Röntgen, Computertomographie, Magnetresonanztomographie und Mammographie. Weitere angebotene Eingriffe sind Stenteinlagen bei Leberzirrhose, Gefäßinterventionen an den Beinarterien oder Tumorbehandlungen z.B. an der Leber.
Was zu dem Punkt bringt, der den Chefarzt an seinem Job besonders begeistert: „Man arbeitet in diesem Bereich mit allen Fachrichtungen zusammen. Der Job ist abwechslungsreich, nah am Patienten - und man sieht nach der Behandlung ein unmittelbares Ergebnis. Dafür steht man auch gerne nachts um 3 Uhr auf“, betont er mit Blick auf oft auch kurzfristige Notfalleinsätze. „Denn wenn eines beim Schlaganfall zählt, dann ist es die Zeit - es muss schnell gehen.“
„Man arbeitet mit allen Fachrichtungen zusammen. Der Job ist abwechslungsreich, nah am Patienten. Und: Man sieht nach der Behandlung ein unmittelbares Ergebnis - dafür steht man auch gerne nachts um 3 Uhr auf.“
Für die Zukunft sieht der Chefarzt, der aus dem Ruhrgebiet stammt und mittlerweile in Witten wohnt, noch viele Entwicklungspotenziale - beispielsweise mit Blick auf Arthrose-Behandlungen: „Auch da gibt es neue Verfahren, um die Arterien an den Gelenken zu behandeln, damit Patienten weniger Schmerzen haben und bewegungsfähiger sind“. Außerdem solle ein neues Angiografie-Gerät angeschafft werden, mit dem man noch zielgerichteter das Hirn untersuchen und z.B. Hirnarterienaneurysmen behandeln kann.
Seit dem vergangenen Jahr ist Dr. Altenbernd übrigens offiziell auch Professor - nach mehreren beruflichen Stationen im Ruhrgebiet und der Habilitation (Medizinische Fakultät der Universität Duisburg-Essen), eine schöne Belohnung für die jahrelange Forschungs- und Lehrtätigkeit.