Ennepetal. Einmal den Kanzler persönlich treffen. Für vier Sternsinger aus Ennepetal wird das wahr. Was die Schülerinnen Olaf Scholz sagen wollen.

Lina, Lotta, Luisa und Carlotta aus Ennepetal vertreten in diesem Jahr das Bistum Essen beim traditionellen Sternsingerempfang des Bundeskanzlers. Beim Treffen mit Olaf Scholz werden sie nicht nur Lieder singen und über die Anliegen der Sternsinger sprechen, sondern auch den Haussegen „20*C+M+B+25“ an die Wand des Kanzleramts schreiben.

Um den Haussegen in der deutschen Regierungszentrale stand es zuletzt ja nicht zum Besten. Aber vielleicht können Lina, Lotta, Luisa und Carlotta da jetzt etwas geraderücken. Denn die vier Mädchen aus Ennepetal im südlichen Ruhrgebiet gehören nicht nur zu den über 100 Sternsingerinnen und Sternsingern, die Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Dienstag, 7. Januar, in seinem Amtssitz empfängt. Die Gruppe aus dem Bistum Essen wird dann auch diejenige sein, die den Haussegen für das neue Jahr an die Wand des Kanzleramts schreibt – selbstredend, dass die vier dann darauf achten, dass der nicht schon zum Jahresauftakt schief hängt. „20*C+M+B+25“ malen sie mit Kreide in einen Kranz aus den 16 Bundesländer-Wappen, so, wie es Sternsingerinnen und Sternsinger in diesen Tagen überall im Land an Haus und Wohnungstüren schreiben: „Christus segne dieses Haus“ lautet der damit verbundene Wunsch.

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Engagement für Kinderrechte
Dass derzeit offen ist, wer nach der Bundestagswahl im Februar im Bundeskanzleramt das Sagen haben wird, ist dem Sternsingerinnen-Quartett aus der Propstei-Pfarrei St. Marien ziemlich egal. Die beiden 12 bis 15 Jahre alten Schwestern-Paare freuen sich, dass sie aus der großen Sternsingerschaft ihrer Gemeinde St. Johann-Baptist ausgewählt wurden, das Ruhrbistum im Berliner Regierungssitz zu vertreten und dabei den sonst nur aus dem Fernsehen bekannten Bundeskanzler Scholz einmal persönlich zu treffen. „Ich freue mich total darauf und bin sehr aufgeregt“, sagt die 15-jährige Luisa.

Ennepetal Sternsinger besuchen Kanzler
Freuen sich auf den Besuch beim Kanzler: (von links) Lotti, Lotta, Luisa und Lina. © Bistum Essen | Nicole Cronhage

Den vier Mädchen geht es aber nicht nur um Promi-Fotos vor dutzenden Presse-Kameras und Shakehands mit dem Kanzler – als Sternsingerinnen haben sie auch ein inhaltliches Anliegen: „Ich finde, der Bundeskanzler sollte sich stärker für Kinderrechte einsetzen, denn Kinder brauchen Bildung und eine medizinische Versorgung“, sagt die 12-jährige Lotta, die im Kanzleramt die Sternträgerin der Gruppe sein wird.

„Erhebt Eure Stimme! Sternsingen für Kinderrechte“ ist in diesem Jahr das Thema der Sternsinger-Aktion, mit dem sich die Sternsingerinnen in Ennepetal schon intensiv auseinandergesetzt haben: „Millionen Kinder haben nicht die Grundrechte, die ein Kind haben sollte. Wir setzen uns dafür ein, dass Kinder eine medizinische Versorgung bekommen, genug zu Essen und Zugang zu Bildung erhalten“, erklärt Luisa. „Ich habe hier keine Einschränkungen, kann zur Schule, zum Arzt oder ins Krankenhaus gehen, und habe genug zu essen – aber für andere Kinder wäre es schon ein großer Schritt, wenn sie wenigstens einmal am Tag eine warme Mahlzeit bekämen“, macht Lina (15) die großen Unterschiede zwischen ihrem Leben und dem von Kindern in anderen Regionen der Welt deutlich.


Gemeinschaftsgefühl mit Sternsingerinnen und Sternsingern aus ganz Deutschland
Den Sternsingerinnen geht es in Berlin aber nicht nur um den Kanzler und die große Politik, sondern auch um das Miteinander mit den Sternsinger-Gruppen aus den 26 anderen deutschen Bistümern. Carlotta (14) freut sich „besonders auf diese Gemeinschaft mit den anderen Sternsingerinnen und Sternsingern“. Gleich nach der Ankunft in Berlin gibt es ein Treffen mit allen Kindern und Jugendlichen, eine Probe der gemeinsamen Lieder und die Verteilung der Aufgaben, damit beim Empfang im Kanzleramt alles möglichst reibungslos läuft.

Mit einer gewissen Routine begleitet Eva Gras die vier Ennepetalerinnen. Die ehrenamtliche Mitarbeiterin der Pfarrei, die seit gut 30 Jahren die Sternsingeraktion in St. Johann Baptist organisiert, war vor genau 20 Jahren schon einmal mit einer Gruppe im Kanzleramt, „damals noch bei Frau Merkel“, erinnert sie sich.

Eva Gras hat derzeit alle Hände voll zu tun, einerseits die Fahrt nach Berlin vorzubereiten und andererseits die Sternsingeraktion zu planen, die in diesem Teil von Ennepetal erst am Samstag, 11., und Sonntag, 12. Januar, läuft. Gras freut sich: Während andere Gemeinden über einen Rückgang der Sternsingerzahlen klagen, haben sie in St. Johann Baptist bei der ersten Probe im Dezember gleich 36 Kinder begrüßt – deutlich mehr als im vergangenen Jahr. „Es ist toll, dass bei uns gerade so viele Jugendliche dabei sind.“ Manche kommen über die Kolpingjugend oder über die Messdiener zum Sternsingen, andere bringen ihre Schulfreunde mit. „Man fühlt sich hier richtig zuhause“, beschreibt Luisa das gute Gemeinschaftsgefühl, das offenbar auch neue Kinder anzieht.

Lernen für die Lateinarbeit
Für Carlotta, Lina, Luisa und Lotta dürfte diese Gemeinschaft auch noch über die Sternsingeraktion hinausreichen: Wegen ihres Berlin-Ausflugs bekommen die vier zwar am Dienstag, 7. Januar, einen zusätzlichen Tag schulfrei – aber zumindest für die beiden 15-jährigen droht schon am 8. Januar eine Latein-Arbeit. „Vielleicht können wir auf der Rückfahrt im Zug noch ein bisschen lernen“, überlegen die Kinder. Denn auch wenn sie ihn dann abgekürzt sogar ans Kanzleramt geschrieben haben: Nur der lateinische Segensspruch „christus mansionem benedicat“ wird in der Arbeit wohl nicht überzeugen.

Viel Arbeit für die Königs-Schneiderin
Reichlich Arbeit macht der Sternsinger-Zuwachs in der Ennepetaler Gemeinde St. Johann Baptist vor allem Verena Rehbach, die als ehrenamtliche Schneiderin für die prachtvollen bunten Gewänder sorgt. „Jetzt haben wir so viele Jugendliche, da mussten wir einige Gewänder neu anfertigen.“ Für Schnittmuster der königlichen Gewänder fragt sie jedoch nicht an Palästen oder Adelshäusern, sondern schaut einfach in die Sakristei der Kirche: „Ich nehme die Maße eines Messdienergewands. Dann weiß ich, dass die Kinder damit auch über eine Treppe laufen können.“

Zuspruch von Bürgermeisterin und Pfarrer
Für Propst Norbert Dudek, Pfarrer der Propstei-Pfarrei St. Marien, ist die Sternsingeraktion „eines der großartigsten Projekte, die wir in unserer Pfarrei haben“, denn diese Aktion stehe für alle vier Bereiche der kirchlichen Arbeit: die soziale Seite, das Glaubenszeugnis, die Feier der Gottesdienste und die Gemeinschaft. Deshalb sei es toll, dass sich in allen Teilen seiner Pfarrei so viele Kinder, Jugendliche und erwachsene Begleitpersonen zum Jahresanfang als Sternsinger engagieren.

Auch Bürgermeisterin Imke Heymann ist ein Fan der Sternsingerinnen und Sternsinger: „Ich glaube, dass euer Engagement Menschen sensibel macht“, sagte sie Lotta, Lina, Carlotta, und Luisa bei einem Treffen in St. Johann Baptist. Und dass nun ausgerechnet vier Mädchen aus ihrer 30.000-Einwohner-Gemeinde das ganze Ruhrbistum in Berlin repräsentieren, „das macht Menschen hier sicherlich stolz“.