Gevelsberg. Untersuchungen zeigen, wo es in Gevelsberg zu laut ist und was dagegen helfen würde. Die Stadt hat bei der Sache aber ein Problem.
Belästigungen durch Verkehrslärm aufzeigen, diese in Zukunft ganz vermeiden oder wenigstens verringern – das sind zusammengefasst die Ziele der sogenannten Lärmaktionsplanung, die die Stadt Gevelsberg aktuell fortschreiben muss. Hintergrund ist die EU-Umgebungslärmrichtlinie, die die Mitgliedstaaten verpflichtet, regelmäßig alle fünf Jahre Lärmkarten und darauf aufbauend Lärmaktionspläne zu erstellen beziehungsweise die bestehenden zu überprüfen und gegebenenfalls zu überarbeiten.
Der aktuelle Entwurf der Lärmaktionsplanung zeigt zum Beispiel, wie hoch die Verkehrslast auf der Milsper Straße und der Heidestraße ist, aber auch welche Bereiche in welchem Maße von Lärm betroffen sind – wenig überraschend nämlich die nahe der A1 und entlang der Bundes- und Landesstraßen.
Und genau darin liegt auch ein Problem, auf das die Stadt bei der Vorstellung des Entwurfs in den politischen Gremien hinwies: Der Großteil der lärmbelasteten Straßen, die in diesem Schritt der Planung kartiert wurden, liegen gar nicht in der Zuständigkeit der Stadt Gevelsberg, sondern gehören dem Landesbetrieb Straßen NRW. Alle Lärmschutzmaßnahmen wären also mit diesem abzustimmen und von diesem zu genehmigen.
Nachts Tempo 30 als Vorschlag
Für die Stadt Gevelsberg untersucht der Lärmaktionsplan die Belastung, die durch Verkehrslärm auf Straßen mit einem durchschnittlichen Tagesverkehr von mindestens 8200 Fahrzeugen in 24 Stunden entsteht. Dabei arbeitet der aktuelle Entwurf auch mit Daten des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes NRW (MUNV). Das Ministerium hat folgende Straßen kartiert: Autobahn 1, Bundesstraße B234, Landesstraße L666, Landesstraße L700, Landesstraße L891, Eichholzstraße, Engelberttunnel und den Streckenzug Wittener Straße bis Mauerstraße.
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Wegen der Tunnellage werde der Engelberttunnel in der Lärmaktionsplanung nicht weiter betrachtet, erklärt das von der Stadt beauftragte Planungsbüro im Entwurf. Weiter heißt es, dass die Heidestraße dem Straßennetz wegen der Verkehrsstärke hinzugefügt und nachmodelliert worden sei. Im September 2024 fand hier und an der Milsper Straße eine siebentägige Verkehrszählung mit KI-basierten Kameras an jeweils zwei Standorten pro Straße statt. Auf das Jahr gerechnet kommt die Heidestraße damit im Schnitt auf 8224 Fahrzeuge in 24 Stunden. Sie wird daher in der Lärmaktionsplanung berücksichtigt. Auf der Milsper Straße sind es demnach deutlich weniger als 8200 Fahrzeuge in 24 Stunden, sie wird in der Planung daher nicht weiter betrachtet.
Beteiligung bis zum 7. Januar
Die Lärmkarten sowie der Entwurf der Lärmaktionsplanung sind auf der Homepage der Stadt Gevelsberg unter www.gevelsberg.de/klima-und-umwelt/Lärmaktionsplanung Stufe 4 einsehbar.
Bis Dienstag, 7. Januar, haben die Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit, die Lärmkarten und den Entwurf der Lärmaktionsplanung einzusehen und Anregungen und Bedenken vorzubringen. Diese können unter Angabe von Name und Anschrift per E-Mail an stadtentwicklung@stadtgevelsberg.de gesendet werden. Die vorgebrachten Ideen, Vorschläge und Anregungen werden bei der anschließenden Erstellung des Entwurfs der 4. Stufe des Lärmaktionsplans berücksichtigt.
Die Lärmaktionsplanung ist in mehrere Stufen unterteilt, in Gevelsberg geht es aktuell um die vierte Stufe. In dieser sind laut Planungsbüro unter dem Strich am Tag 2277 Personen von Lärm lauter als 70 Dezibel (db/A) betroffen, nachts sind zwischen 22 und 6 Uhr 2346 Personen von Lärm lauter als 60 Dezibel (db/A) betroffen.
Als Maßnahmen zur Lärmreduzierung schlägt der Entwurf zum Beispiel vor, zwischen 22 und 6 Uhr Tempo 30 auf der Schwelmer Straße im Bereich des Wohngebiets zu prüfen. Gleiches gilt für Teile der Haßlinghauser Straße. Für die Hagener Straße und Kölner Straße wird lärmgeminderter Asphalt empfohlen, sobald die nächsten Sanierungen anstehen.
Andere Behörden zuständig
Auf der Rosendahler Straße sei ebenfalls Tempo 30 von der Kreuzung „Engelberttunnel/Haßlinghauser Straße/Rosendahler Straße“ bis zur Einmündung Hammerstraße zu prüfen, auch um Radfahrenden mehr Sicherheit zu gewährleisten. Empfohlen wird darüber hinaus durchgängig 20 km/h oder durchgängig 30 km/h auf der Mauerstraße von der Kölner Straße bis zum Kreisverkehr Königsburg. Weitere Lärmschutzmaßnahmen auf dem Streckenabschnitt seien nach der geänderten Verkehrsführung im Zuge des Programms „Gevelsberg 2030“ zu prüfen.
Grundlegend gelte es, den nicht-motorisierten Verkehr langfristig zu stärken, beispielsweise durch den Ausbau der Radwege im Stadtgebiet. Der Ausbau der Elektroladeinfrastruktur fördere außerdem leisere Mobilität. Auch der ÖPNV soll laut Entwurf weiter im Blick behalten werden. „Eine Verfolgung dieser Strategien kann die Lärmbelastung der Bürgerinnen und Bürger in Gevelsberg signifikant senken“, erklärt das Planungsbüro.
Insbesondere die Vorschläge zur Temporeduzierung auf Hauptverkehrsstraßen müssten noch einmal kritisch hinterfragt werden, erklärt dazu die Stadt Gevelsberg und blickt dabei auf deren übergeordnete Verkehrsfunktion und den Verkehrsfluss. Im Ausschuss für Stadtentwicklung, Umwelt und Wirtschaftsförderung erklärte Fachbereichsleiter Björn Remer, dass die Stadt Gevelsberg auf die kritischen Lärmbereiche rund um Autobahn, Bundes- und Landesstraßen keinen Einfluss habe, da hier andere Behörden zuständig seien.
Die Grünen-Fraktion sprach sich dafür aus, den Lärmaktionsplan länger als drei Wochen für die Öffentlichkeit auszulegen und außerdem eine Bürgerveranstaltung dazu anzubieten. Björn Remer verwies aber darauf, dass die Ergebnisse der Offenlage schnellstmöglich gemeldet werden müssten. Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) mache Druck in dieser Angelegenheit. Der Rat stimmte später so wie der Stadtentwicklungsausschuss mehrheitlich für die dreiwöchige Beteiligung der Öffentlichkeit und der betroffenen Behörden zum Entwurf des Lärmaktionsplanes.