Schwelm. Schwelms Beigeordneter Ralf Schweinsberg soll während des Dienstes einn Mitarbeiter geschlagen und dabei verletzt haben.

„Jetzt halt endlich die Klappe“, schallt es aus den Reihen der CDU im Schwelmer Stadtrat in Richtung des FDP-Fraktionsvorsitzenden Michael Schwunk. Die Unionspolitiker sind zum Finale der öffentlichen Ratssitzung außer sich vor Wut darauf, dass der Chef der Liberalen das Thema angesprochen hat, das die Menschen in der Stadt aktuell sehr bewegt: Der erste Beigeordnete, CDU-Mann Ralf Schweinsberg, soll in öffentlicher Sitzung einen städtischen Mitarbeiter mit der Faust geschlagen und verletzt haben. Auch die SPD, die anwesende Personalrätin Birgit Fischer und Bürgermeister Stephan Langhard wollen das Thema sofort beenden. Doch darf dieses rechtlich überhaupt im stillen Kämmerlein gelöst werden? Eine Spurensuche.

Kurz zum Fall an sich: In der gemeinsamen Sitzung des Jugendhilfeausschusses und des Schulausschusses am Montag, 11. November, soll ein Mitarbeiter der Stadtverwaltung eine Präsentation sitzend am Tisch bedient haben. Ralf Schweinsberg soll mit Inhalten einer Folie nicht einverstanden gewesen sein. Er soll seitlich auf den Mitarbeiter zugelaufen sein und ihm unterhalb der Tischkante einen Faustschlag in die Rippen verpasst haben. Der Mitarbeiter war im Anschluss drei Tage lang mit einer Rippenprellung krankgeschrieben, die Verletzung ist fotografisch dokumentiert, es liegt ein Attest vor. Er hat sich mit dem Fall an seine Vorgesetzten und den Personalrat gewandt, sich rechtlich beraten lassen. Der Mann soll bislang von einer Strafanzeige abgesehen haben und möchte die Sache zunächst noch durch den Bürgermeister geklärt wissen.

Auch interessant

Doch auch knapp drei Wochen nach dem mutmaßlichen Angriff gibt es noch keine Klarheit in der Sache, in der Bürgermeister Stephan Langhard Mitarbeiter im Rathaus befragt, und die hohe Wellen in der Stadt Schwelm sowie darüber hinaus schlägt. Wer jedoch darauf gehofft hatte, dass der Bürgermeister sich zu den schweren Anschuldigungen gegen seinen ersten Stellvertreter in irgendeiner Art und Weise im Rahmen der öffentlichen Sitzung des Stadtrats am Donnerstag, 28. November, äußern würde, der sah sich nach zwei Stunden Sitzungsdauer enttäuscht.

Das sagt das Disziplinargesetz

So ergriff FDP-Mann Michael Schwunk unter dem letzten Tagesordnungspunkt „Fragen der Ratsmitglieder“ das Wort. „Ich hätte schon eine Mitteilung erwartet zu den Berichten in diesem Fall. Es bedarf hier nicht eines übertriebenen Täterschutzes. Das finden wir nicht in Ordnung. In erster Linie ist für uns der Opferschutz wichtig und dass hier eine Aufklärung stattfindet.“ Das war der Startschuss für ein hitziges Finale der Ratssitzung. Zunächst reagierte Bürgermeister Stephan Langhard: „Die Angelegenheit ist Gegenstand verwaltungsinterner Ermittlungen. Ich finde es komisch, dass Sie eine Zuordnung Täter und Opfer vornehmen.“

SPD-Fraktionsvorsitzender Thorsten Kirschner, sein CDU-Pendant Michael Müller sowie SPD-Ratsherr Peter Schier und CDU-Ratsfrau Christiane Sartor gingen den FDP-Mann mit scharfen Worten an, dass dieses Thema im Stadtrat nichts zu suchen habe, er sich unredlich verhalte, Personalangelegenheiten intern und zwar nur vom Bürgermeister bearbeitet würden. Mit aller Macht und zum Ende hin wild durcheinander rufend verhinderten sie, dass Schwunk sich noch einmal äußerte und verbaten ihm am Ende den Mund. Personalrätin Birgit Fischer sagte: „Wir distanzieren uns von den Äußerungen der FDP.“

Auch interessant

Doch ist das wirklich so einfach? An einigen Stellen gibt es zumindest Zweifel, ob diese Sache allein im Bürgermeisterzimmer besprochen und entschieden werden kann. Denn Ralf Schweinsberg ist kein einfacher Mitarbeiter des Rathauses. Er ist Wahlbeamter. Gleich zweimal haben die Mitglieder des Stadtrats ihn zum Beigeordneten gewählt – in Vertretung für die Schwelmerinnen und Schwelmer, die ihrerseits die Frauen und Männer des Stadtrats gewählt haben. So obliegt es auch dem Stadtrat beispielsweise eine Abwahl eines Beigeordneten zu initiieren und nicht dem Bürgermeister. Doch dieser Aspekt kam gar nicht zur Sprache.

Körperverletzung im Amt steht im Raum

Und Stephan Langhard lässt sich bislang überhaupt nicht in die Karten blicken, ob er überhaupt ein Disziplinarverfahren gegen Schweinsberg eröffnet hat. Laut des Disziplinargesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen muss ein solches von Amtswegen eingeleitet werden, wenn „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen“. Der Ennepe-Ruhr-Kreis als Aufsichtsbehörde müsste die Erfüllung der Einleitungspflicht sicherstellen und wäre jederzeit in der Lage, das Verfahren an sich zu ziehen. Die Frage lautet also: Sind die Beschwerde des Mitarbeiters, die ärztliche Dokumentation und die Zeugenaussagen, die die Vorwürfe bestätigen, zureichende Anhaltspunkte, um einen Verdacht zu rechtfertigen?

Eine weitere juristische Frage ist darüber hinaus noch deutlich wichtiger zu klären. Erfüllt der Vorwurf des Mitarbeiters den Straftatbestand der Körperverletzung im Amt? Diese ist ein sogenanntes Offizialdelikt. Das bedeutet, dass eine solche Straftat durch die Staatsanwaltschaft von Amtswegen verfolgt wird, sobald diese davon Kenntnis erlangt. Eine Anzeige durch den Geschädigten oder den Dienstherrn wäre in diesem Fall also gar nicht erforderlich, damit die Sache strafrechtlich verfolgt wird. In diesem Fall würde die Staatsanwaltschaft, unabhängig von allem, was Bürgermeister Stephan Langhard und die Mitglieder des Rats der Stadt Schwelm entscheiden, ermitteln, ob der Beigeordnete tatsächlich eine Straftat begangen hat, für die er möglicherweise in einem öffentlichen Prozess angeklagt würde.

Lesen Sie auch: