Schwelm. Ralf Schweinsberg soll einen Mitarbeiter mit der Faust geschlagen haben. Im Rathaus herrschen Lähmung und Entsetzen unter der Belegschaft.

Die Vorwürfe wiegen sehr schwer: Der 1. Beigeordnete der Stadt Schwelm, Ralf Schweinsberg, soll in öffentlicher Sitzung des Jugendhilfeausschusses einen Verwaltungsmitarbeiter mit der Faust derart fest in die Rippen geschlagen haben, dass der Mann anschließend drei Tage arbeitsunfähig war. Während der Beschuldigte selbst sich auf die schriftliche Anfrage der Redaktion gar nicht äußert, versucht Bürgermeister Stephan Langhard das Thema auch zwei Wochen nach dem Vorfall vor zahlreichen Zeugen nicht hochkochen zu lassen. Die Stimmung unter den städtischen Beschäftigten pendelt derweil zwischen Lähmung und Entsetzen.

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Nachdem die Redaktion an den Bürgermeister und seinen beschuldigten Stellvertreter am Montag einen schriftlichen Fragenkatalog sandte mit der Bitte um Stellungnahme und dezidierten Fragen dazu, wie die Vorwürfe verwaltungsintern bislang aufgearbeitet worden sind und wie es in dieser Sache weitergehen soll, antwortet Stephan Langhard: „Für die Verwaltung Schwelm kann ich hier und jetzt einen Vorfall bestätigen, der zwei meiner Mitarbeitenden betrifft.“ Weiter geht er nicht auf den Sachverhalt ein, der möglicherweise straf-, disziplinar- und dienstrechtliche Konsequenzen nach sich zieht.

Nach intensiven Recherchen dieser Zeitung stellt sich der Vorwurf, der sich gegen den Beigeordneten, der in Hemer wohnt, richtet, wie folgt dar: In öffentlicher Sitzung des Jugendhilfeausschusses am Montag, 11. November, soll der städtische Mitarbeiter eine Präsentation bedient haben. In Vertretung des verhinderten zweiten Beigeordneten der Stadt Schwelm, Marcus Kauke, nahm Ralf Schweinsberg an dieser Sitzung teil. Im Rahmen der Präsentation sollen Informationen vor den Politikerinnen und Politikern eingeblendet worden sein, die Schweinsberg nicht oder noch nicht zeigen wollte. Er sei, so die übereinstimmenden Aussagen, auf den Mitarbeiter zugelaufen, habe ihn angewiesen, das Dokument sofort zu schließen und ihm dabei mit der Faust in die Rippen geboxt.

Verletzungen sind dokumentiert

Ein klärendes Gespräch nach Ende der Sitzung soll der Beigeordnete abgelehnt haben, obwohl der Mitarbeiter ihn zur Rede stellen wollte. Den Mann hat der Übergriff derart mitgenommen, dass er wegen der Schmerzen - nach Informationen dieser Zeitung ist eine Prellung ärztlich bescheinigt und fotografisch dokumentiert - und des Entsetzens darüber, dass ein Vorgesetzter ihn angegriffen hat, drei Tage nicht arbeitsfähig war. Umgehend soll der Betroffene auch seine eigenen Vorgesetzten über den Vorfall informiert haben. Zunächst fand die Beschwerde ihren Weg zum Beigeordneten Marcus Kauke, ohne dass eine Aufarbeitung des angeschuldigten Vorfalls aufgenommen wurde.

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Mittlerweile soll auch der Personalrat darüber informiert worden sein, die Sache soll mit einigen Tagen Verspätung zu Bürgermeister Stephan Langhard vorgedrungen sein. Eine Entschuldigung oder eine Stellungnahme zu dem Vorfall durch Ralf Schweinsberg soll bis dahin ausgeblieben sein. Eine Aufklärung und Aufarbeitung dieser schweren Anschuldigungen hat es in den mittlerweile zweieinhalb Wochen seit diesem Vorfall nicht abschließend gegeben. Wann und wie das passieren soll, dazu äußert sich der Bürgermeister auf Nachfrage der Redaktion ebenfalls nicht konkret: „Ich habe nicht nur als Verwaltungsleiter die Pflicht, sondern stehe auch als Mensch in der Verantwortung, diesen Vorfall unvoreingenommen, zügig und umfassend aufzuklären. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter meiner Verwaltung wissen, dass sie sich auf die objektive interne Aufklärung verlassen können, die ich unmittelbar, nachdem ich in Kenntnis über die Begebenheit gesetzt wurde, auf den Weg gebracht habe. Dem Ergebnis vorzugreifen, wäre reine Spekulation.“

Rundgang neues Rathaus Schwelm Baustelle Bürgermeister Stephan Langhard, der technische Beigeordnete Ralf Schweinsberg und IT-Leiter Christian Pacyna
Bürgermeister Stephan Langhard (links) und der technische Beigeordnete Ralf Schweinsberg auf der Baustelle des neuen Rathauses. Aktuell ermittelt Langhard wegen schwerer Vorwürfe gegen seinen Stellvertreter. © WP | Max Kölsch

Was er auf den Weg gebracht hat, teilt er jedoch nicht mit. Möglichkeiten, die Sache aufzuklären, wären, den Fall der Staatsanwaltschaft zu übergeben oder ein Disziplinarverfahren einzuleiten, denn in beiden Varianten würde unabhängig ermittelt. Stephan Langhard ergänzt: „Es gilt, von Vorverurteilung jeder Art Abstand zu nehmen. Die Unschuldsvermutung geht in jede Richtung.“ Der Mitarbeiter, der angegriffen worden sein soll, behält sich laut Informationen dieser Zeitung noch vor, selbst Strafanzeige gegen Ralf Schweinsberg zu stellen, soll aber zunächst an einer Klärung durch den Bürgermeister interessiert sein.

Bürgermeister droht Informanten mit Untersuchung

Mittlerweile ist auch die Politik über die Vorwürfe der Körperverletzung des CDU-Beigeordneten an einem der Mitarbeiter informiert, das Thema zieht immer größere Kreise in der Verwaltung. Dort herrscht laut zahlreicher übereinstimmender Aussagen gegenüber der Redaktion ein Klima der Angst unter den Beschäftigten vor persönlichen Konsequenzen am Arbeitsplatz in der Stadtverwaltung für diejenigen, die das Geschehen im Jugendhilfeausschuss bestätigen.

Ebenso scheint die Akzeptanz für eines der Leuchtturmprojekte des Bürgermeisters in der laufenden Wahlperiode mit dem Aufkommen dieses Falls in der Belegschaft kaum noch existent zu sein, bevor dieses überhaupt umgesetzt ist: das neue, mehrere zehntausend Euro teure Leitbild der Stadt Schwelm. Darin lautet einer der Kernsätze: „Wir tolerieren keine Form von physischer, psychischer und sexualisierter Gewalt, Belästigung oder sonstiger Grenzüberschreitung und gehen konsequent gegen diese vor.“ Ein weiterer lautet: „Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft machen unser Miteinander über Hierarchieebenen hinweg aus, um ein kollegiales und unterstützendes Arbeitsumfeld zu schaffen.“

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Schwere Dellen hat das Vertrauen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die Ernsthaftigkeit dieser Aussagen bereits vor knapp zwei Wochen erhalten. Da war bekannt geworden, dass sich der Beigeordnete Ralf Schweinsberg und der SPD-Fraktionsvorsitzende Thorsten Kirschner vor den 680 Facebook-Freunden Schweinsbergs über die sprachliche Gleichstellung der Frau mit rassistisch belegten Worten wie „Neger“ und „Zigeuner“ lustig gemacht haben. Bürgermeister Stephan Langhard hatte dies als reine Privatsache abgetan und war nicht dagegen vorgegangen.

Die nun erhobenen Vorwürfe gegen Ralf Schweinsberg wiegen jedoch bedeutend schwerer. Der ist laut Informationen dieser Zeitung seit Dienstag, 26. November, krankgeschrieben und wird seinen Dienst frühestens am 20. Januar wieder aufnehmen. Nun werden die Augen der Kolleginnen und Kollegen ganz genau darauf gerichtet sein, wie Bürgermeister Stephan Langhard diesen Fall aufarbeitet. In einer E-Mail zu dieser Sache an Politiker und Rathaus-Beschäftigte, die der Redaktion vorliegt, schreibt er: „Darüber hinaus weise ich darauf hin, dass die Weitergabe von Personalinterna, bzw. von Informationen, die dem Datenschutz unterliegen, Gegenstand weiterer interner Untersuchungen sein werden.“