Gevelsberg. Bei Baggerarbeiten freigelegt: Ein geheimnisvolles Bauwerk. Leser entschlüsseln die Vergangenheit.

Ein Schatz war leider nicht in dem geheimnisvollen Gewölbe versteckt, das ein Bagger in Gevelsberg plötzlich freilegte. Denkmalschutz besteht auch nicht, die Bauarbeiten werden also weiter gehen. Doch es steckt eine Geschichte hinter diesem unerwarteten Fund auf dem Dieckerhoff-Gelände. Unsere Redaktion hat sich zusammen mit Lesern auf Spurensuche begeben.

Fest steht: Das Gewölbe, das auf dem ehemaligen Parkplatz an der Zufahrt zum Dieckerhoff-Gelände entdeckt wurde, gehörte zu einem Mehrfamilienhaus. Wann genau das Haus an der Hagener Straße abgerissen wurde, ist unklar. Auf Luftbildern der historischen Karten des Landes NRW ist das Haus 1952 noch zu sehen, bei Aufnahmen aus dem Jahr 1972 ist es bereits verschwunden. Ein Nachbar erinnert sich an das Haus, aber nicht daran, was damit geschehen ist.

Architekt Uwe Hugendick hat im Landesarchiv einen Bebauungsplan des Gebietes aus dem Jahr 1905 gefunden und der Redaktion gezeigt. Diese Karten sind online abrufbar. Dort ist das Haus eingezeichnet, nähere Anmerkungen gibt es dazu aber leider nicht. Und ganz so leicht war es auch nicht zu entdecken. „Ich habe mich an dem Lauf der Ennepe orientiert“, sagt Uwe Hugendick. Denn damals sah in dem Bereich vieles noch ganz anders aus.

Horst Erdelt gibt den entscheidenden Hinweis

Er weiß aus seiner täglichen Arbeit, dass solche Entdeckungen wie bei dem Gewölbe immer mal wieder passieren. Für Schwelm hat er die Geschichte vieler dieser Funde aufgearbeitet und Informationen dazu gesammelt. Er hat Plaketten an diesen Orten angebracht. Wer den QR-Code mit seinem Smartphone scannt, kann darauf zugreifen. Das Bauaktenarchiv, der Heimatverein und auch das Stadtarchiv habe ihm dabei geholfen, sein Projekt in Schwelm umzusetzen - diesen Tipp gibt er auch der Redaktion für die Suche nach weiteren Informationen.

Der entscheidende Hinweis kam aber von Horst Erdelt. „Als ich den Artikel gelesen habe, wusste ich, um welches Haus es geht“, sagt er. Er weiß auch, in welchem Buch er nachschlagen muss, um ein Bild davon zu finden. Verfasst wurde es von Walter Herrman, dem Vater von Dr. Margarete Korn. In der Zeit von 1974 bis 1986 habe er einiges veröffentlicht, alles hatte mit dem Werden der Stadt zu tun, erzählt Erdelt. Fündig wird er in Walter Herrmans Buch „Gevelsberg, wie es einmal war“ aus dem Jahr 1978.

Das Foto stammt aus dem Buch von Walter Herrman „Gevelsberg, wie es einmal war“ aus dem Jahr 1978. Es zeigt die Hagener Straße 149.
Das Foto stammt aus dem Buch von Walter Herrman „Gevelsberg, wie es einmal war“ aus dem Jahr 1978. Es zeigt die Hagener Straße 149. © WP | Repro Horst Erdelt

Darin schreibt der Chronist: „Dieses alte Haus stand an der Hagener Straße und trug die Hausnummer 149. Vermutlich hatte es im Jahre 1920, als dieses Foto entstand, schon 150 Jahre auf dem Buckel. Es darf als Beispiel eines älteren Mehrfamilienhauses vor dem 1. Weltkrieg genommen werden: Die kleinen Fenster ließen nur wenig Licht in die Wohnungen, meistens aus zwei bis drei kleinen Zimmern bestehend, wohnten doch in diesem Hause acht Mietparteien! Die Gemeinschaftstoilette stand auf dem Hof, und das Wort ,Badezimmer‘ gehörte noch nicht zum allgemeinen Sprachgebrauch. Unter dem Dach war der Heuboden untergebracht, (plattdeutsch: Balkensbüenne), der die Versorgung der Ziegen und Schafe im Winter ermöglichte. Denn Kleintierhaltung war bei den damaligen geringen Löhnen selbstverständliche Notwendigkeit; ebenso wie der Anbau des eigenen Gemüses und des Obstes. Entsprechend einfach und wenig abwechslungsreich war die Ernährung.“

Zwei Mehrfamilienhäuser in Planung

Warum sich Horst Dieter Erdelt ausgerechnet an dieses Haus erinnert? „Weil ich an der Schnellmark zur Schule gegangen, schräg gegenüber der heutigen Baustelle“, erzählt der 78-Jährige. Er hat das Haus noch vor Augen, weil er dort so oft draufschaute. Denn nach Schulschluss hätten sie sich im Sommer auf die Wiese unter die Bäume gesetzt und ihre Hausaufgaben gemacht. Damals habe es die Hagener Straße schon gegeben - und auch die Straßenbahn fuhr dort noch. Aber bis hoch zur Bahnlinie gab es kaum Häuser. Erst in den 50er Jahren baute dort der Bauverein die kleine Siedlung. Also blickte er von oben auf das Haus. „Und links gab es die ehemalige Gaststätte Steinigans/Krauledat. 1937 wurde dort die KG ,Dä van dä Schnellmark‘ gegründet“, weiß Erdelt ebenfalls zu berichten. Darüber habe Fritz Sauer im Buch „Kirmes und Kirmeszug“ geschrieben. Noch ein Buch, das in Erdelts Bücherregel steht.

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Also stand an der Hagener Straße ein Mehrfamilienhaus mit Platz für acht Mietparteien und wurde 1770 oder 1780 gebaut. In dem Kellergewölbe, das eigentlich hätte mit abgerissen werden müssen, wurden wahrscheinlich Lebensmittel gelagert. 50 Jahre nach dem Abriss wurden dort nur noch ein paar alte Bretter und ein Metallgehäuse gefunden. Bajram Asani, der Geschäftsführer der AS Baugesellschaft, ist der Erste, der vor einigen Tagen einen Blick in das Gewölbe warf. Er ist mit seiner Firma dafür verantwortlich, dass der richtige Untergrund auf dem ehemaligen Parkplatz der Industriebrache geschaffen wird. Investor Stephan Höckmann möchte dort zwei Mehrfamilienhäuser errichten.

Durch den Fund des Gewölbes mussten die Bauarbeiten nun einige Tage ruhen. „Der Denkmalschutz war vor Ort und hat die Baustelle jetzt wieder freigegeben“, erklärt Maximilian Ant auf Nachfrage. Er arbeitet für das Geologische Institut Dr. Höfer, das den Untergrund analysierte. Das zusätzliche Füllmaterial, das benötigt wird, um den Hohlraum zu verfüllen, ist mittlerweile beschafft worden. Und das Gewölbe kann jetzt endlich abgerissen werden.

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Auf den 2720 Quadratmetern Fläche sollen am Ende 32 bezahlbare Wohnungen entstehen, versichert Höckmann. Im vierten Quartal 2025 sollen sie bezugsfertig sein, danach will der Investor zwei weitere Mehrfamilienhäuser bauen – wieder in ähnlicher Größe, mit Platz für 30 Wohnungen. Ende 2026 sollen diese dann fertig sein.