Gevelsberg. Die Leute, die im Gut Rocholz in Gevelsberg wohnen stehen vor dem nichts. Viele von ihnen zum dritten Mal. So kann man ihnen helfen.
Als das Wasser kam, feierte Frank Kranz mit seiner Frau und den beiden Kindern seinen 51. Geburtstag. „Die Torte wurde ‘rausgespült“, sagt Kranz, als er mit den Nachbarn im Innenhof den Guts Rocholz in Gevelsberg einen Container nach dem anderen mit Müll und Schrott befüllt, was vorher Möbel und Deko war. Zwölf Familien sind in dem 400 Jahre alten Gebäudekomplex komplett abgesoffen. Einige von ihnen bereits zum dritten Mal.
Am Montagvormittag sind alle vor Ort. Nagelneue Küchen, alte Erinnerungsstücke, alles landet in den Containern, die Flut hat finanzielle und emotionale Schätze davon gespült, ganz zu schweigen von den schweren Schäden in den zwölf Wohnungen. Manche der Menschen sind verärgert, aus manchen Augen spricht die Verzweiflung, andere wissen nicht, wie es weitergehen soll. Den Schlamm, den das Wasser mitgebracht hatte, haben sie aus ihren Wohnungen bereits entfernt. Doch die Folgen des Hochwassers werden sie noch lange begleiten. „Zwei Jahre lang merkt man die Feuchtigkeit locker, wenn man die Fenster geschlossen hat. Zucker oder Salz können Sie dann nach einer Woche wegwerfen“, sagt Frank Kranz.
Der Mann spricht aus trauriger Erfahrung, hat er mit seiner Familie bereits in den Jahren 2009 und 2013 das Wasser in der Wohnung stehen gehabt. „Das hat aber jetzt eine ganz andere Qualität. Zum ersten Mal kam das Wasser auch von der Bahnstrecke.“ Aus seiner Sicht würden Ruhrverband und Straßen NRW denen dort die umliegende Grundstücke gehören, viel zu wenig für den Hochwasserschutz tun.
Überlegungen wegzuziehen
Dem pflichtet Mehmet Bat bei. Seine Wohnung sieht aus, als sei er ausgezogen. „Wir wohnen ganz vorn, wurden als Erste vom Wasser getroffen. Die Verrohrung für den Hochwasserschutz neben dem Umspannwerk ist vollkommen unzureichend“, moniert er. Mehmet Bat und seine Familie haben bereits das zweite Hochwasser am Rocholz hinter sich. „Was bleibt sind immer die hohen Kosten. Bis heute bleiben wir alle hier auf den Kosten für die Trockner sitzen, die 2013 Monate lang in unseren Wohnungen liefen. Das sind bei mir allein mehr als 800 Euro zusätzliche Stromkosten gewesen.“ Er ist mit seiner Familie in der Wohnung seines Bruders in Haspe untergekommen, der aktuell in der Türkei ist. „Auch dort mussten wir erstmal den Keller auspumpen.“ So schlimm wie bei ihm zu Hause hat es das Haus den Bruders aber nicht einmal ansatzweise getroffen.
Kaum jemand der Mieter hat entsprechende Versicherungen. Sie sind in dem Gebiet, das nun erneut überflutet wurde, kaum zu bezahlen oder die Versicherer winken sofort ab. Selbst Frank Kranz, der seit weit mehr als zehn Jahren mit Frau und Kindern dort wohnt, spielt mit dem Gedanken, wegzuziehen. „Aber aktuell eine Wohnung zu finden ist ja kaum möglich.“ Die Hoffnung der Flutopfer ruht daher auch darauf, dass sie finanzielle Hilfe bekommen, um ihre Schäden irgendwie aufzufangen und bald in ihren Wohnungen wieder eine Einrichtung zu haben.
Bereits während der vergangenen Tage bekamen die Menschen, die am Rocholz leben, aber auch viele andere im Stadtgebiet, die die Überschwemmung schwer getroffen hat, viel Hilfe von den unterschiedlichsten Stellen. „Wir wollen uns nicht zu laut beklagen. Wir haben finanziellen Schaden, aber es ist zumindest niemand verletzt worden, wie in anderen Städten“, sagt Frank Kranz. Aus seiner Sicht sei allerdings auch Glück im Spiel gewesen, dass niemandem etwas passiert sei. So haben die Wassermassen beispielsweise Balkontüren zerspringe lassen, die Scherben schossen durch die Luft.
Helferbörse wird bald starten
„Es ist schlimm, was den Leuten dort und an anderen Stellen im Stadtgebiet passiert ist“, sagt Bürgermeister Claus Jacobi. Er hat eine Hilfskonferenz einberufen, auf der besprochen werden soll, wie den Flutopfern schnellstmöglich Hilfe gegeben werden kann. Er ist Schirmherr der Spendenaktion „Gevelsberg hilft!“, die seit Freitag über die Taubenväter läuft. Am Montagmorgen waren bereits etwa 35.000 Euro überwiesen beziehungsweise fest zugesagt worden. „Das reicht aber bei Weitem nicht“, sagt Jacobi. „Wir brauchen viel, viel mehr Geld, und wir brauchen Menschen, die eine solide Arbeitsleistung erbringen und handwerklich wissen, was sie tun. So blöd sich das auch anhören mag, aber wir brauchen keine Kekse, Kleidung, Stofftiere oder Elektrogeräte. Dies ist über die Hilfsorganisationen bereits abgedeckt.“
Um mehr Spenden zu akquirieren, wird Jacobi nun diverse Firmen und vermögende Mitbürger ansprechen, um bestenfalls auf eine höhere sechsstellige Summe zu gelangen. Zudem wird das Büro für Vielfalt und Zukunftschancen gemeinsam mit der Willkommensinitiative eine Helferbörse organisieren für die handwerklichen Leistungen.
Millionenschäden in der Stadt
Und dann sind da auch noch die infrastrukturellen Schäden, die die Stadt selbst davongetragen hat. „Aktuell schätzen wir diese über den dicken Daumen auf etwa sieben Millionen Euro netto“, sagt der Bürgermeister. Allein die Brücke Am Waterkamp, die weiterhin gesperrt ist, wird in dieser Rechnung mit 3,2 Millionen Euro veranschlagt. Dazu kommt die Talbahnbrücke über die Ennepe mit weiteren 2,5 Millionen Euro. Dazu kommen zahlreiche weitere Schäden an städtischen Gebäuden und einiges, was bislang noch gar nicht offenbar geworden ist. Die Aufräumarbeiten – am Rocholz, in der ganzen Stadt – werden noch lange andauern.
Seriös für die Hochwasser-Opfer in Gevelsberg spenden
Um den Betroffenen der Hochwasserkatastrophe schnell und unbürokratisch zu helfen, haben Bürgermeister Claus Jacobi sowie die „Taubenväter – Menschen helfen Menschen“ eine Spendenaktion initiiert.
Jeder, der helfen möchten, kann jetzt auf das Spendenkonto der Taubenväter unter IBAN: DE97 4545 0050 0000 5624 13; BIC: WELADED1GEV und dem Stichwort „Gevelsberg hilft!“ einen Betrag seiner Wahl spenden.
Diese Zeitung unterstützt diese organisierte, zu einhundert Prozent seriöse und durch die Taubenväter völlig ohne Verwaltungskosten organisierte Hilfsaktion mit ihrem Namen und ihrer Reichweite.
Wer wirklich mit Geld helfen will, sollte dies hier tun, denn über diesen Weg erreicht das Geld tatsächlich diejenigen, die es dringend benötigen.