Schwelm/Gevelsberg/Ennepetal. Nach Hochwasser: Der ehemalige Deutscher Feuerwehrpräsident Hartmut Ziebs aus Schwelm kritisiert den Katastrophenschutz.

Hätten die Auswirkungen des Jahrhundert-Hochwassers, das im Südkreis vor allem die Stadt Gevelsberg hart getroffen hat, deutlich glimpflicher ausfallen können? Die Frage beantwortet Hartmut Ziebs, ehemaliger Präsident des deutschen Feuerwehrverbands und Vize-Präsident des internationalen Feuerwehrverbands mit einem klaren: „Ja!“ Er macht mit Blick auf die Überflutungen aber auch ebenso auf die Corona-Pandemie deutlich: Die Bundespolitik kümmert sich zu wenig um den Katastrophen- und Bevölkerungsschutz. „Die Katastrophen werden vor Ort bewältigt.“

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Hartmut Ziebs – bekannt für klare Worte und deutliche Haltung moniert, dass diese Themen nicht ernst genug behandel würden: „Als der ehemalige Innenminister Thomas de Maiziere die Forderung stellte, dass sich jeder Haushalt eine Kiste Wasser als Vorsorge hinstellen sollte, wurde er verspottet und in die Ecke der Lächerlichkeit gestellt. Alleine der Ausfall eines Teiles der Wasserversorgung in Witten macht deutlich, Thomas de Maiziere lag richtig.“

Warnsystem ist unvollständig

Katastrophen- und Bevölkerungsschutz seien unbequeme Themen, die die Politik nur dann betrachte, wenn sie akut seien. „Doch dann ist es zu spät. Man kann Katastrophen nur dann beherrschen, wenn man im Vorfeld das Undenkbare, ja das Unmögliche durchspielt und sich darauf vorbereitet“, sagt Ziebs und verweist darauf, dass die Basis eigentlich gegeben ist.

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Der Bund habe jahrelang Übungen unter dem Titel „Lükex“ durchgeführt. Das Undenkbare wurde durchgespielt und analysiert. Es wurden Forderungskataloge aufgestellt. „Wir haben Szenarien für Dürre, Hochwasser oder Pandemien durchgespielt. Beispielsweise war klar gefordert, dass Vorräte an pandemischer Schutzkleidung angelegt werden müssten. Konsequenzen? Fast Null! Kann nicht passieren, darf nicht passieren, können wir der Bevölkerung nicht erklären, kostet zu viel Geld, die Liste der Ablehnungsgründe ist fast unerschöpflich“, ereifert sich Hartmut Ziebs.

Besonders am Herzen liegen ihm dabei die rechtzeitigen Warnungen der Bevölkerung. Ein Streit entbrannte bereits vor geraumer Zeit zwischen Bund, Ländern und Fachleuten. Sirenen auf der einen Seite, Warnapps auf der anderen und Satelliten gestützte Warnung als Highend-Produkt konkurrierten in den Gremien je nach Parteifarbe. Der Föderalismus war an dieser Stelle schlicht überfordert. Persönliche Animositäten spielten eine Rolle, Geld zur Umsetzung wurde eingedampft. Ergebnis: Die Warnung der Bevölkerung ist nicht vollständig umgesetzt.

Schwelmer Hochwasserschutz

Doch mit einer Warnung allein kann die Bevölkerung nichts anfangen. Aus Ziebs’ Sicht fehlen Schulungen und Handlungshinweise, die vom Kindergarten an gelernt werden sollten: Was muss ich tun, wenn das Ereignis eintritt?

So müssten aus der aktuellen Hochwasserkatastrophe die entsprechenden Lehren gezogen werden für ein bundeseinheitliches Kozept. „Zuständigkeitsgeplänkel, Debatten über den Föderalismus und persönliche Animositäten haben an dieser Stelle keinen Platz“, sagt Ziebs und nennt seine Heimatstadt Schwelm als gutes Beispiel beim jetzigen Hochwasser: „Vor 20 Jahren sind Regenrückhaltebecken und andere Dinge für den Hochwasserschutz gebaut worden.“ Das zahlt sich nun aus. Alle umliegenden Städte sind stärker überschwemmt worden als Schwelm.