Dortmund. In der Abakus-Akademie in Dortmund lernen kleine Kinder mit großen Zahlen umzugehen. Das soll nicht nur beim Rechnen, sondern auch bei der Konzentration helfen.
Trainerin Semra schreibt drei Zahlen auf die Tafel: 128, 164 und 145. Adelina muss nicht lange überlegen. Mit flinken Fingern rechnet sie die Aufgabe aus und nennt dann das Ergebnis: 437. Die Hunderter machen der Sechsjährigen keine Probleme. Dabei ist sie kein mathematisches Ausnahmetalent. Die Erstklässlerin arbeitet mit dem Abakus.
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Wobei: Ein kleines Genie ist Adelina durchaus. Denn seit dem Sommer besucht sie die Abakus-Akademie „Kleines Genie“ in Dortmund-Schüren. Einmal pro Woche trifft sie sich hier für drei Schulstunden mit Gleichaltrigen, um die ungewöhnliche Lerntechnik zu üben. „Das macht Spaß“, sagt Kurs-Freundin Helda (7). „Und so geht Rechnen viel leichter. Ich kann schon bis Millionen.“
Neu ist die Methode nicht. Der Abakus ist über 2000 Jahre alt und kommt ursprünglich aus Asien. Doch anders als beim hierzulande bekannten Rechenschieber sind beim japanischen Abakus, dem Soroban, die Rechenperlen in senkrechten Spalten angeordnet. In jeder Spalte gibt es fünf Perlen, die oberste ist abgetrennt. Sie zählt fünf, die anderen jeweils eins. „Eigentlich ist es ein mechanischer Taschenrechner“, sagt Inhaberin Madlen Kuhle. „Es ist eine Maschine.“
Dortmunder Filiale war die zweite in Deutschland
Bis heute gilt der Soroban als gängiges Rechenhilfsmittel in Japan. Zusammen mit Wissenschaftlern von dort ist die Methode dann auch in Serbien weiterentwickelt worden, nach der die Kinder bei den „Kleinen Genies“ das Kopfrechnen lernen. Nicht nur in Dortmund, sondern weltweit in über 400 Akademien in 18 Ländern.
Die erste Akademie in Deutschland hat Lerntherapeutin Madlen Kuhle vor vier Jahren in Arnsberg eröffnet, 2022 folgte dann die Filiale in Dortmund. Die Diplom-Pädagogin war auf das Programm aufmerksam geworden, als sie nach Material für ihre mathematisch sehr interessierten Söhne suchte. „Als ich dann das erste Mal Kinder mit der Abakus-Methode kopfrechnen sah, dachte ich erst an ein Wunder“, sagt die schmunzelnd. „Aber es ist kein Wunder, es ist eine Technik.“
Die Fünf ist die Mama, die Zehn der Opa
Der Rechenschieber dient dabei eigentlich nur als Grundlage für das mathematische Verständnis. Die Kinder lernen durch das Verschieben der Perlen mit den immer gleichen Bewegungen ihrer beiden Hände die verschiedenen Rechenoperationen. Mit Bildern und Geschichten werden die Zahlen lebendig. „Die Fünf ist zum Beispiel die Mama, die Zehn der Opa“, erklärt Madlen Kuhle.
Doch schon bald lösen sich die Kursteilnehmer vom realen Abakus, dann geht es um „Hikari“, mentale Arithmetik. Dabei stellen sich die Kinder das Schieben der Kugeln nur im Kopf vor, wobei die Hände zur Unterstützung der Vorstellungskraft immer noch die entsprechenden Bewegungen dazu machen. Blitzschnell könnten so auch die schwierigsten Aufgaben ausgerechnet werden, versichert die Lerntherapeutin. „Absolventen unseres Programms stehen seit Jahren bei der Kopfrechen-WM auf dem Treppchen.“
Beide Hirnhälften werden aktiviert
Dabei geht es bei „Hikari“ gar nicht nur darum, möglichst gut und schnell Kopfrechnen zu lernen. „Gleichzeitig werden Logik, Fantasie und die Merkfähigkeit trainiert“, erklärt Kuhle. Durch das Hören oder Sehen der Aufgabe, das Vorstellen und die Bewegung der Hände würden beide Hirnhälften aktiviert, es komme so zu einer besseren Verknüpfung und damit einer besseren Hirnleistung. „Damit fällt nicht nur das Rechnen leichter, sondern auch das Vokabellernen und die Konzentrationsfähigkeit steigt.“
Zeiten, Kosten und Kontakt
Die Kurse für mentale Arithmetik werden in der Abakus-Akedemie für Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren angeboten. Sie laufen über elf Monate, neue Kurse starten jeweils im Februar und September eines Jahres. Ein Quereinstieg zu einem späteren Zeitpunkt ist nicht möglich. Kosten: 170 Euro im Monat.
Zur Vorbereitung auf „Hikari“ wird für jüngere Kinder das Programm „Numicon“ (140 €/Monat) angeboten. Darin lernen Kinder ab vier Jahren den Umgang mit Mengen und Zahlen. Für Jugendliche gibt es im Anschluss den Kurs „Supermind“ mit mathematischen Kopfrechen-Tricks.
Mehr Infos: kleines-genie.de, 0231 477 666 99; Mail: info@kleines-genie.de
Das beweisen auch die kleinen Anfänger in Schüren: Buchstäblich in Sekundenbruchteilen erkennen und benennen sie Perlmuster auf dem Monitor „Das ist eine 99“ – während die ungeübte Erwachsene neben ihnen nur ein kurzes Aufblitzen gesehen hat. Kuhle erklärt stolz: „Die Kinder haben bereits gelernt, ihren Fokus zu setzen.“ Dennoch sei sicher nicht jedes von ihnen ein Einser-Kandidat. „Nicht alle werden durch ,Hikari‘ supergut in der Schule, aber alle nehmen etwas davon mit.“
Nicht für Kinder mit einer Rechenschwäche geeignet
Deshalb empfiehlt Kuhle mentale Arithmetik allen, die Spaß am Rechnen haben. Und denen, die sich damit schwertun. „,Hikari‘ ist für alle etwas, außer für Kinder mit Dyskalkulie, also einer richtigen Rechenschwäche.“ Außerdem müssten die Teilnehmer bereits mathematisch so fit sein, die Zahl Fünf zu verstehen. „Es eignet sich also für Kinder etwa ab sechs Jahren.“ Nach oben gibt es hingegen keine Grenze. „Wir haben Hikari neulich mit Erfolg im Seniorenheim trainiert.“
Madlen Kuhle ist überzeugt davon, dass das Programm eine große Hilfe für viele Kinder sein könnte. Der Erfolg scheint ihr recht zu geben: 13 Mitarbeiter beschäftigt Madlen Kuhle inzwischen, neben den beiden NRW-Filialen gibt es mittlerweile im Franchise-System auch Abakus-Akademien in Ingolstadt, Offenbach, Hamburg und Berlin. Eine weitere kommt am Samstag (25.1.) in Dortmund hinzu. Sonderpädagogin Jasmin Brozulat eröffnet eine „Kleines Genie“-Filiale an der Baroper Bahnhofstraße 5. Im Februar starten dort die ersten Kurse – natürlich auch mit dem großen Abakus an der Wand.
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