Dortmund. Bei einem Säugling werden 28 Knochenbrüche diagnostiziert, die Eltern verdächtigen andere. Das Dortmunder Landgericht hat nun ein Urteil gefällt.

Seit Ende Juli musste sich ein Dortmunder Ehepaar wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen vor dem Landgericht verantworten. Dem Vater wurde vorgeworfen, sein erst sechs Wochen altes Baby wiederholt durch stumpfe Gewalt verletzt zu haben. Die Mutter habe davon gewusst und nichts unternommen, um dem Kind zu helfen – bis sie es im Februar 2021 in eine Klinik brachte.

Eltern präsentierten Dortmunder Gericht weitere Verdächtige

Ärzte stellten dort fest, dass mehrere Rippen sowie beide Arme und Beine mehrfach gebrochen waren. Manche Verletzungen waren schon verheilt, Blutergüsse abgeklungen. Der behandelnde Kinderchirurg sagte aus, die Verletzungen seien „hochverdächtig“, sogar „typisch für Misshandlung und mit einem Unfall nicht zu erklären.“ Am 11. September sprach Richter Dr. Alexander Pahnkeb ein Urteil, obwohl viele Fragen offen bleiben.

Das Ehepaar bestritt die Taten bis zuletzt energisch, präsentierte der Strafkammer mögliche Unfallszenarien und sogar verdächtige Personen. So kamen ein Gitterbett, ein kräftiger Hund, die Großmutter und ein vermeintlich pädophiler Bekannter ins Spiel.

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Im Laufe der Verhandlung räumten die Angeklagten schlussendlich ein, die Verletzungen ihres Kindes zumindest wahrgenommen zu haben. Sie hätten versucht, einen Termin mit ihrem Kinderarzt zu vereinbaren, doch dies sei an einer Urlaubsvertretung gescheitert, fasst der Vorsitzende Richter Dr. Alexander Pahnke in seiner Urteilsbegründung zusammen. Einen weiteren Versuch, ihr Kind medizinisch zu versorgen, hätten die beiden nicht unternommen. Das Gericht geht davon aus, dass die Eltern so verhindern wollten, dass einem fremden Kinderarzt die Verletzungen auffallen.

Urteil am Dortmunder Landgericht: Strafmaß wird nicht ausgereizt

Die Angeklagten wurden nun wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung durch Unterlassung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt – ohne Bewährung. Direkte Gewalt konnte den Eltern des misshandelten Babys nicht nachgewiesen werden.

Weil Unterlassung „kein aktives Handeln“ sei und „die Beibringung der Verletzungen schwerer wiegt“, habe sich dieser Umstand mildernd ausgewirkt, erklärt der Richter. Auch das unbewusste „Geständnis“, keinen Arzt eingeschaltet zu haben, floss mildernd in das Urteil ein. Deshalb bewegt sich die Strafe im unteren Bereich des Möglichen: Das maximale Strafmaß hätte bei sieben Jahren und sechs Monaten gelegen.

Baby fehlte die Kraft zum Schreien

„Aufgrund der deutlich sichtbaren Verletzungen des Kindes“, müsse das Gericht davon ausgehen, dass die Eltern nichts unternommen haben, obwohl sie die Notwendigkeit gesehen haben. Somit haben sie weitere Schmerzen des Kindes in Kauf genommen. Wer letztlich dem Kind die Verletzungen zugefügt hat, konnte vom Gericht nicht geklärt werden.

Fest steht: Es waren schwere Verletzungen. Ärzte hatten bei einer Untersuchung eine sogenannte „frozen watchfulness“ attestiert. So nennen Experten einen apathischen Zustand, in dem das Kind seine Umgebung zwar wahrnimmt, aber keine Reaktionen oder Emotionen mehr zeigt. „Ihm war die Kraft ausgegangen, zu schreien“, so Dr. Alexander Pahnke.

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