Dortmund. Hat ein Dortmunder Ehepaar sein Baby so schwer misshandelt, dass es dutzende Knochenbrüche erlitt? Das sagen Sachverständige zu dem erschreckenden Fall.
28 Knochenbrüche zählten die Ärzte bei dem erst zehn Wochen alten Säugling, allein zwölf Rippen waren gebrochen, dazu beide Arme und Beine mehrfach, am Oberschenkel fanden sie eine Trümmerfraktur. Könnte es durch ein unglückliches Verkeilen im Gitterbett dazu gekommen sein oder durch den schweren Hund, so wie es die Eltern vermuten? Oder vielleicht durch Probleme bei der Geburt, wie Verteidiger Günter Busold wissen will? Nein, auf keinen Fall. Das haben zwei Sachverständige vor dem Dortmunder Landgericht ausgesagt.
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Dr. Katharina Jellinghaus, Leiterin der städtischen Rechtsmedizin, betonte: „Diese Verletzungen sind nur durch Misshandlungen zu erklären.“ Als Ursache nannte die Rechtsmedizinerin „stumpfe Gewalteinwirkung“. Eine Stoffwechsel-Störung wie etwa die Glasknochenkrankheit könne sie ebenso ausschließen wie die genannten Erklärungsversuche. Schließlich habe der Junge, seit er in einer Pflegefamilie lebt, keinerlei Brüche mehr gehabt. Und zudem seien Knochen von Neugeborenen so weich und biegsam, dass man aus ärztlicher Sicht bei Frakturen dieser Art von Gewalt ausgehen könne.
Baby aus Dortmund wurde in Wittener Klinik gebracht
Im Fall des Babys aus Dortmund-Hörde, das von seiner Mutter im Februar 2021 mit zahlreichen Verletzungen ins Wittener Marienhospital gebracht worden war, sei die Gewalt massiv gewesen, so Jellinghaus. Es hätte sogar Lebensgefahr bestanden, falls sich die Knochenstücke verschoben hätten und dabei Blutgefäße oder Organe verletzt worden wären. Mindestens viermal müsse das Kind misshandelt worden sein, und das an verschiedenen Tagen. Darauf deute hin, dass die Brüche unterschiedlich weit verheilt waren, als der Säugling in ärztliche Behandlung kam.
„Hochverdächtig“ seien die Verletzungen, das sagte auch der Kinderchirurg, der das Baby vor drei Jahren in der Klinik behandelt hatte. „Typisch für Misshandlung und mit einem Unfall nicht zu erklären.“ Zudem sei der Junge stark untergewichtig gewesen und auffällig emotionslos. Vielleicht einfach ein zartes Kind oder ein Verdauungsproblem? „Nach zwei Wochen in der Pflegefamilie zeigte das Baby ein überproportionales Wachstum“, so der Arzt, der jedes Wort vor Gericht offenbar sorgfältig abwägte.
„Verdächtiger“ Freund der Familie musste aussagen
Will man den Experten folgen, dann wurde dem kleinen Jungen also Gewalt angetan. Aber von wem? Zur Last gelegt werden die Taten dem Vater (49), die Mutter (31) soll von den Misshandlungen gewusst und nichts dagegen getan haben. Gemeinsam sitzt das Paar, das erst kurz vor dem Prozess geheiratet hat, auf der Anklagebank. Beide bestreiten die Vorwürfe und hatten am ersten Prozesstag einen weiteren Verdächtigen genannt, der aus ihrer Sicht schuld sein könnte.
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Die Eltern belasten einen Freund der Familie. Das Baby habe häufig bei der Oma in Bochum übernachtet und bei der sei regelmäßig ein verurteilter Sexualstraftäter zu Gast gewesen. Am Donnerstag hat dieser Mann vor Gericht ausgesagt. Im Rollstuhl und mit Sauerstoffgerät wurde der anscheinend schwerkranke 68-Jährige hereingefahren. Das Baby habe er nur zwei oder dreimal gesehen, versichert er, niemals angefasst oder hochgenommen.
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Deutlich wird in seiner Aussage aber auch: Er ist mehr als nur ein entfernter Bekannter der Großeltern. Er ist Patenonkel der älteren Tochter (11) der Angeklagten, die seit Jahren bei der Oma lebt. Zu ihr habe er ein gutes, enges Verhältnis – und bei gemeinsamen Fahrten der Familie auf den Campingplatz auch schon mal das Bett im Wohnwagen mit ihr geteilt.
Öffentlichkeit für Befragung von Sohn ausgeschlossen
Am 8. August sollte die 11-Jährige vernommen werden, wovon das Jugendamt allerdings vehement abriet. Das Mädchen selbst wolle nicht aussagen, eine erzwungene Befragung im Gerichtssaal könnte somit eine „Kindeswohlgefährdung“ darstellen. Auf ihre Angaben wurde deshalb verzichtet.
Geladen war dafür der ältere Sohn des Angeklagten aus einer früheren Beziehung. Der Jugendliche bat selbst um Ausschluss der Öffentlichkeit. Er fühle sich unwohl, wenn er vor den zahlreich erschienenen Bekannten und Angehörigen über familiäre Angelegenheiten sprechen müsse. Die Strafkammer zog sich zur Beratung zurück, während sich in der Pause emotionale Szenen abspielten: Im Gerichtsflur lagen sich der Junge und die beiden Angeklagten weinend in den Armen.
Dem Wunsch des Schülers kam die Strafkammer nach, alle mussten den Saal verlassen, während sich die Angeklagten tränenüberströmt und laut schluchzend aneinander festklammerten. Das Urteil soll frühestens am nächsten Verhandlungstermin fallen.
Dieser Artikel erschien erstmals am 1.8. und wurde mit aktuellen Informationen ergänzt.