Dortmund. Der Dortmunder Erwachsenen Hospizdienst Dunkelbunt erfüllt Sterbenden letzte Wünsche. Selbst, wenn das Herzensanliegen eigentlich unmöglich erscheint.
Genesung, noch mehr Zeit: Nicht alle Wünsche lassen sich am Lebensende erfüllen. Manche aber schon. Und die versucht der Ambulante Erwachsenen Hospizdienst Dunkelbunt möglich zu machen. Sogar, wenn es sich dabei um den Kuss eines Seehunds handelt.
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Seit 2021 gibt es den Ambulanten Erwachsenen Hospizdienst Dunkelbunt in Dortmund. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter begleiten Menschen in der letzten Lebensphase. Inzwischen gehören fast 90 Ehrenamtliche zum Team. Sie besuchen Sterbende, leisten Gesellschaft, helfen bei Fragen am Lebensende und vor allem: Sie hören zu. „Wir leisten Biografiearbeit“, sagt Leiterin Heike Schöttler. Was hat dem Kranken in seinem Leben Freude gemacht, woran erinnert er sich gern, welche Sorgen plagen ihn noch immer? Das sind Fragen, über die bei den Besuchen viel gesprochen wird.
Dortmunderin will möglich machen, was nicht mehr möglich erscheint
Einige der Antworten haben Heike Schöttler nicht mehr losgelassen. Das Familienfest, das nicht mehr stattgefunden hat, der Besuch der schmerzlich vermissten Enkelin, ein Spaziergang am Meer: Sie will möglich machen, was eigentlich nicht mehr möglich erscheint. Deshalb hat sie das Projekt „Letzte Wünsche“ gegründet.
Rund 40 Mal haben die Ehrenamtlichen und die Koordinatorinnen seither Herzensanliegen wahr werden lassen. Damit das gelingt, müssen sie sehr genau zuhören und hinsehen. Denn die Wünsche werden nicht einfach erfragt, sind den Kranken oft selbst nicht so klar. „Doch wenn Sterbende davon sprechen, dann ist da plötzlich ein Glanz, so ein Funke in ihrem Blick, so ein Aufleuchten“, sagt Schöttler. Mit diesem Funken versuchen die Helfer dann, ein Freudenfeuer zu entfachen.
Ideen werden zunächst mit den Angehörigen besprochen
Zunächst wird die Idee, einen Wunsch wahr werden zu lassen, aber mit den Angehörigen besprochen. „Oft sagen die dann: Ach, da hätten wir auch selbst drauf kommen können“, sagt die Geschäftsführerin. Abgelehnt hätten die so ein Ansinnen noch nie, im Gegenteil: Häufig helfen sie bei der Vorbereitung, nennen Telefonnummern oder suchen Erinnerungsstücke raus.
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Manchmal wird der große Moment als Überraschung geplant, aber nicht immer. „Wir müssen immer schauen, wie der Zustand der Kranken ist und ob die unerwartete Freude ihnen nicht vielleicht zu viel werden könnte“, so Schöttler. Und manchmal wäre eine Überraschung gar nicht möglich. Bei der Trauung etwa, die Heike Schöttler einem Paar auf dem Sterbebett ermöglicht hat – samt Brautstrauß und allem Drum und Dran. Eine Feier in Zeitnot, denn der Braut ging es sehr schlecht. „Am nächsten Tag ist sie gestorben.“
Der letzte Wunsch mobilisiert bei den Sterbenden noch mal alle inneren Kräfte
Traurig – oder eher tröstlich? Vielleicht konnte sie nach der Trauung in Ruhe einschlafen, vielleicht hat sie wegen der Pläne länger durchgehalten als gedacht. „Die Erfüllung ihres letzten Wunsches mobilisiert bei den Sterbenden jedenfalls noch mal alle inneren Kräfte“, weiß die 51-Jährige. So wie neulich, als der Hospizdienst für eine Hobby-Künstlerin, die ihr ganzes Leben lang gemalt und gebastelt hatte, eine Ausstellung mit ihren Arbeiten organisiert hat.
„Die Frau war sehr depressiv, fast bettlägerig“, erzählt Martina Brücker, die die Kranke betreut hat und dabei auf all die Handarbeiten in der Wohnung aufmerksam geworden war. Als die 80-Jährige von der Ausstellung gehört habe, sei sie dann aber richtig aufgeblüht. „Sie pflegte sich wieder, hat noch ein Bild gemalt und ist tatsächlich zu Fuß die Treppe raufgekommen“, erinnert sich die 63-Jährige. Die Vernissage sei ein richtiger Motor für die Kranke gewesen – und ein echter Glücksmoment. „So etwas Schönes hat noch nie jemand für mich jemand“, habe sie anschließend geschwärmt.
Es geht um eine letzte Wertschätzung
Aber dennoch ist allen Beteiligten klar: Auch, wenn die Kranken durch das Engagement des Hospizdienstes noch einmal aufblühen, gesund werden sie natürlich dadurch nicht. Aber darum geht es auch gar nicht, wie die Leiterin betont. Sondern um eine letzte Wertschätzung, darum, den eigenen Wert noch einmal gezeigt zu bekommen. Manchmal braucht es dafür nicht viel. Für einen Mann, der lange ehrenamtlich beim Kinder-Schwimmen sehr aktiv war, hat der Hospizdienst etwa einen digitalen Bilderrahmen mit Fotos aus verschiedenen Jahren zusammengestellt. Mit Tränen in den Augen habe er die Aufnahmen betrachtet: „Schön zu sehen, dass ich in meinem Leben etwas bewegt habe.“
Nicht immer ist es so leicht, einen letzten Wunsch zu erfüllen. Ein Kuss von einem Seehund, das war der Traum von Sandra L. „Das war wirklich eine Menge Arbeit“, erinnert sich Heike Schöttler. Die Absprachen mit dem Zoo, die kurzzeitige Entlassung aus dem Krankenhaus, die medizinische Versorgung während des Ausflugs. Aber als die Pinguine dann Spalier standen, als der Seehund der Dortmunderin tatsächlich ein (Hand-)Küsschen gab und sie selig strahlte: „Das war so ein Geschenk“, sagt Schöttler. „Da lohnt sich jeder Aufwand.“
Das Projekt „Letzte Wünsche“ wird nicht aus Mitteln des Ambulanten Erwachsenen Hospizdienstes Dunkelbunt, sondern ausschließlich durch Spenden finanziert und wäre ohne sie nicht möglich. Spendenkonto: IBAN DE17 4416 0014 6576 7958 03. Stichwort: Letzte Wünsche. Der Hospizdienst dankt allen Spendern.
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