Dortmund. Martina Brücker vermietet über Airbnb Zimmer in Dortmund. Sie liebt den Kontakt mit den Gästen aus aller Welt. Aber manchmal gibt es auch Ärger.
- Martina und Friederike Brücker vermieten seit zwei Jahren Zimmer über Airbnb.
- Die Gastgeberin ist dabei manchmal auch Auskunft, Mama-Ersatz, Kiosk und leistet sogar Amtshilfe
- So hat sie schon viele nette Kontakte geschlossen. Aber manchmal ärger sie das Verhalten der Gäste auch.
Das Fliederbaumzimmer von Martina gehört zu den beliebtesten Unterkünften in Dortmund. Seit zwei Jahren vermietet die 63-Jährige das ehemalige Kinderzimmer bei Airbnb, davor war sie bei einem anderen Portal. Wie ist es, sein eigenes Zuhause mit völlig Fremden zu teilen? Und wie benehmen sich die Gäste denn eigentlich so? Das hat uns die Vermieterin bei einem Besuch in ihrem Haus erzählt.
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Nein, die Unterkunft von Martina Brücker befindet sich nicht mitten in der City und auch nicht am Stadion, sondern etwas versteckt in Alt-Schüren in einer kleinen Anliegerstraße. Schon vom Gartentor aus kann man erahnen, welche Idylle sich Familie Brücker rund um ihr Haus geschaffen hat. Der Fliederbaum ist zwar längst verblüht, dafür trägt der große Rosenbusch Knospen und vom Loungesofa aus kann man Spatz und Meisen zusehen. „Vogelkino“ nennt die Vermieterin das.
BVB-Fans, Touristen, Studenten und Arbeitnehmer kommen nach Dortmund
Gut gebucht wird ihre Unterkunft nicht trotz, sondern wegen der Lage. BVB-Fans kommen vor Spielen her, Studenten zu Sprachkursen, Angestellte zu Workshops und Touristen – ja, die kommen auch. „Häufig aus Osteuropa“, sagt Martina. Liest man die Bewertungen, die sie alle hinterlassen haben, dann weiß man: Sie schätzen die Ruhe, die sie in Schüren finden – und dass sie trotzdem mit Bus und Bahn ratz-fatz in der Stadt sind. Vor allem aber loben sie die Herzlichkeit und Hilfsbereitschaft der Gastgeberin. „Ich habe mich wie zu Hause gefühlt!“ Das ist für die 63-Jährige das allerschönste Kompliment.
Obwohl sie schon seit Jahren ihre beiden leerstehenden Kinderzimmer – und manchmal auch das private Gästezimmer – vermietet, ist Martina immer noch aufgeregt, wenn wieder eine Anreise naht. Wer wird da vor der Tür stehen? Wird der Gast zufrieden sein? Und wird ihr eingerostetes Englisch – „not so good, but funny“ – zur Verständigung reichen? Das fragt sich die Vermieterin immer aufs Neue. „Am Anfang war das ganz schlimm“, erzählt sie. „Ich dachte nur: Nein, nein, ich schaffe das nicht.“
Bei Familie Brücker geht es selten bierernst zu
Doch Tochter Friederike, die längst aus dem Haus ist und in Augsburg an ihrer Doktorarbeit schreibt, machte der Mama Mut. Bis heute unterstützt die 32-Jährige ihre Mutter bei der Vermietung. Sie übernimmt den ganzen Schriftverkehr mit den Gästen, über sie läuft auch das Profil bei Airbnb, über das man herzlich schmunzeln kann. „Ich liebe Umarmungen“, schreibt Friederike da über sich und auch „Meine nutzloseste Fähigkeit: Ich kann mit einer Babystimme sprechen.“ Man ahnt es schon: Bei Familie Brücker geht es nicht ganz so ernst zu.
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Dafür umso herzlicher. Bei Martina gibt es nicht nur Tipps zum Ausgehen und Einkaufen, sondern auch schon mal ein Bütterchen, wenn die Läden abends bei Ankunft schon zu haben. Oder ein Stück Kuchen von den Eltern, die nebenan wohnen. Wer mag, kann sogar auch Familienanschluss haben. „Eine junge Frau hat sich jeden Abend zu mir ins Wohnzimmer gesetzt“, erzählt die Vermieterin schmunzelnd. „Da war ich ein bisschen Mama-Ersatz.“
Martina hat Vertrauen zu ihren Gästen aus aller Welt
Den Gästen stehen die Türen von Martina buchstäblich offen. „Ich schließe nichts zu, so viel Vertrauen muss da sein“, sagt sie. Schließlich wolle sie sich nicht fremd fühlen im eigenen Haus. Die Besucher bekommen einen Schlüssel für die Haustür und das gebuchte Zimmer, auch der Garten steht ihnen offen. Ist das nicht doch manchmal ein komisches Gefühl, wenn da dann Gäste rumlaufen? „Nein, ich öffne den Gästen mein Herz und mein Haus“, versichert die 63-Jährige. Und Angst habe sie vor den Fremden ohnehin noch nie haben müssen.
Überhaupt scheinen die nicht lange Fremde zu bleiben. Martina weiß von allen noch die Namen, ist mit vielen noch in Kontakt. „Wir haben inzwischen einige Stammgäste, die immer wieder kommen“, erzählt sie. Manche bleiben nach einem BVB-Spiel für eine Nacht, manche buchen gleich ein paar Wochen. „Im August kommt eine Japanerin, die will drei bis vier Monate bleiben.“ Einem der Dauergäste hat die Vermieterin einen Praktikumsplatz besorgt, mit einem war sie beim Ausländeramt. „Und Tarek aus Ägypten ist inzwischen praktisch so was wie das dritte Enkelkind meiner Eltern.“
Ärger gibt es manchmal um die Sauberkeit in Küche und Bad
Aber natürlich ist nicht alles immer eitel Sonnenschein. Eine Besucherin hat die Weichholzmöbel mit Flüssigkeit so verschandelt, dass sie abgeschliffen werden mussten, ein Gast hat einfach seinen leeren Koffer zur Entsorgung im Zimmer stehen lassen. „Das fand ich echt frech“, sagt Martina. Meist dreht sich der Ärger aber um die Sauberkeit in Gästeküche und -bad, die von den Gästen gemeinsam genutzt werden. Wann was sauber und ordentlich ist, darüber herrschen offenbar sehr unterschiedliche Vorstellungen. „Mehr als darum bitten können wir nicht“, sagt Martina. Denn während ihres Aufenthalts putzt sie nicht hinter den Gästen her, erst danach macht sie alles wieder sauber – und das sei wahrlich nicht immer eine Freude.
Umso ärgerlicher sei es, wenn jemand einen Stern in der Bewertung abziehe, weil der andere Gast nicht gespült hat. Aber Martina und Friederike haben gelernt, auch mit negativen Kommentaren umzugehen. „Das Kopfkissen rutscht nachts runter“ oder „Kein Hocker für Kleinkinder im Bad“ (obwohl die Wohnung nicht als kindgerecht inseriert wird): „Manchmal staunen wir nur, wenn es zu doll wird, dann reagieren wir auch darauf“, sagt die 32-Jährige.
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Bei größeren Problemen wie den beschädigten Möbeln helfe ihnen auch Airbnb rasch und unbürokratisch weiter. Die beiden Vermieterinnen loben das Portal. Die Erreichbarkeit und Verwaltung sei ebenso prima, wie die automatische Preisgestaltung. „Wir geben nur einen Mindest- und einen Maximalpreis an“, erklärt Friederike. Den Rest erledigt ein Algorithmus, der genau weiß, was man in Dortmund wann verlangen kann.
32 Euro kostet das Fliederbaumzimmer im Durchschnitt – ein schönes Zubrot für die Rentnerin. Und ein guter Grund, mit der Vermietung weiterzumachen. Aber beileibe nicht der einzige. „Ich trage damit meinen Teil zur Völkerverständigung bei“, sagt sie. Es gebe so viele Vorurteile in der Welt, weil Menschen sich nicht kennen. „Indem ich Menschen aus aller Welt aufnehme, kann ein bisschen was dagegen tun.“