Dortmund. Dortmund will verhindern, dass Menschen durch steigende Mieten aus Vierteln verdrängt werden. Gegner befürchten Stillstand bei der Entwicklung der Stadt.
Wird Wohnen rund um Dortmunds Hafen in ein paar Jahren noch bezahlbar sein? Wie kaum ein zweites Projekt weckt die Neugestaltung des Quartiers die Angst vor Gentrifizierung – langjährige Bewohner könnten demnach aus ihren Vierteln verdrängt werden. Eine Mehrheit im Rat will solchen Entwicklungen vorbeugen und hat beschlossen, dass die Stadt den Erlass sozialer Erhaltungssatzungen prüfen soll. Aber ist das in Dortmund überhaupt nötig?
Quartiere wie die Dortmunder Nordstadt behutsam aufwerten
Soziale Erhaltungssatzungen haben das Ziel, die Wohnbevölkerung zu schützen. Wo sie gelten, gibt es besondere Genehmigungspflichten für Eigentümer, die ihre Immobilien baulich verändern wollen. Kommunen soll das die Möglichkeit geben, die Aufwertung einzelner Viertel sozialverträglich zu steuern und Luxussanierungen mit stark steigenden Mieten zu verhindern.
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Einstimmig fiel der Ratsbeschluss Ende Juni nicht aus. „Dortmund hat keine Probleme mit Gentrifizierung“, meint etwa Uwe Waßmann im Namen der CDU-Fraktion. Eine soziale Erhaltungssatzung würde Eigentümer einschränken, die schwierige Quartiere lebenswerter machen wollen. „Man zwingt ihnen ein Bürokratiemonster auf“, so Waßmann, der für „ein investitionsfreundliches Klima“ wirbt.
Dagegen verweist Sonja Lemke (Die Linke) auf stark gestiegene Mieten in den vergangenen Jahren und entgegnet: „Niemand wird aufgehalten, Wohnungen zu sanieren. Sanierungen sind Erhalt des Bestandes und können nicht auf die Mieten umgelegt werden.“ Es gehe viel mehr um teure Modernisierungen, die nur mit der Absicht durchgeführt würden, Mieten zu erhöhen.
Zwei Dortmunder Quartiere sind zu In-Vierteln mutiert
Die Politik ist sich uneins – was sagt ein Experte? Als Unternehmer in der Immobilienbranche hat Christian Schmitt ein großes Interesse an der Aufwertung der Quartiere. Dabei gilt seine Firma Julius Ewald Schmitt als verantwortungsvolle Vermieterin und ist in Dortmund, insbesondere in der Nordstadt seit Generationen verankert.
„Es gibt in Dortmund das Kreuzviertel und das Kaiserstraßenviertel, die in den letzten 20 Jahren zu In-Vierteln mutiert sind“, räumt Schmitt ein. „Wenn dort eine ältere Dame aus ihren 75 Quadratmetern, die sie früher mit ihrem Mann und ihren Kindern bewohnt hat, auszieht und etwas kleineres, barrierefreies sucht, womöglich zu einer preiswerteren Miete, dann ist das sicherlich in diesen beiden Vierteln schwer.“
Echte Verdrängungsprozesse sehe er in Dortmund gleichwohl nicht: „Gentrifizierung bedeutet, dass Miethaie Wohnungen auf links drehen und statt fünf Euro Miete sind es dann 18 Euro.“ Das Haus werde umgebaut, ein Altbau zum Beispiel aufwendig um einen Aufzug ergänzt, Grundrisse verändert. „Ich wüsste in der Nordstadt keinen einzigen Fall, in dem so etwas passiert ist“, sagt Schmitt mit Blick auf das Viertel, dessen Name in der Debatte besonders oft fällt.
„In Münster hätten die Leute vielleicht Recht, aber nicht in Dortmund.“
Ein wesentliches Merkmal von Gentrifizierung sei zudem massiver Zuzug von außerhalb: „Dieser Druck entsteht in Berlin, Hamburg oder München, wo Menschen sagen, das ist ist der Place to be. Eine solche Dynamik ist auf dem Dortmunder Markt nicht vorhanden, davon brauchen wir auch gar nicht träumen.“
Die Firma Julius Ewald Schmitt beteiligt sich an der Entwicklung des Hafenquartiers, will dort Büros und neue Flächen für Gastronomie schaffen. Skeptikern, die dadurch explodierende Nordstadt-Mieten befürchten, sagt der Geschäftsführer: „In Münster hätten die Leute vielleicht Recht, aber nicht in Dortmund.“
Den Sanierungsbedarf in der Nordstadt schätzt Schmitt auf etwa eine Milliarde Euro – anderenfalls werde das Viertel in eine Abwärtsspirale geraten. Projekte wie den Hafen hält er deshalb für alternativlos: „Das sind Dinge, die die Nordstadt aufwerten.“
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Statt zusätzlicher Regulierung – es gebe ohnehin schon enorm viele Bauvorschriften – wünscht sich Schmitt mehr Hilfs- und Beratungsangebote gerade für private Hauseigentümer: „Denen muss man Mut machen.“
Einführung einer Erhaltungssatzung erfordert weiteren Ratsbeschluss
Und neben Mut brauche es Kreativität: „Auch mal coole Wohnungen schaffen, vielleicht ein Tiny-House-Projekt oder Loft-Wohnungen auf Industriebrachen. Es gibt Leute, deren Lebensgefühl das entspricht, und wir brauchen diese coolen, jungen Leute, weil die Dortmund nach vorne bringen.“
Um die Voraussetzungen für soziale Erhaltungssatzungen zu prüfen, wird die Stadt zunächst Daten aus 170 statistischen Gebieten in Dortmund auswerten. Die Analyse soll unter anderem das Aufwertungspotenzial des Häuserbestands und die Zusammensetzung der Bevölkerung in diesen einzelnen Gebieten umfassen.
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SPD und Grüne als Befürworter der Analyse betonen, diese sei völlig ergebnisoffen. Doch die Frage, ob es in bestimmten Vierteln einen Verdrängungsdruck gebe, könne nur auf diese Weise beantwortet werden. „Wir brauchen die Zahlen und Daten“, betont Carla Neumann-Lieven (SPD), nur so könne man ein Quartier wie die Nordstadt „behutsam aufwerten“.
Für den tatsächlichen Erlass einer oder mehrerer sozialer Erhaltungssatzungen wäre ein erneuter Ratsbeschluss notwendig.