Dortmund. Bei der Entwicklung der Dortmunder Nordstadt sieht ein Experte Sanierungsbedarf in selten genannter Dimension: „Sonst stürzt das Viertel richtig ab!“
Wohin führt der Weg der Nordstadt? Projekte wie die Neuentwicklung des Hafens sollen dem Quartier langfristig ein besseres Image verleihen – manche Dortmunder sorgen sich bereits vor explodierenden Mieten in einem aufstrebenden Viertel. Doch der Trend könnte auch in die andere Richtung gehen, wenn nicht noch mehr passiert, glaubt der Dortmunder Immobilienunternehmer Christian Schmitt. Er sagt: „In die Nordstadt müssen eine Milliarde Euro fließen.“
Problemviertel in Dortmund: „Haben die Nordstadt alleine gelassen“
Der Vermieter, dessen Firma Julius Ewald Schmitt selbst seit über 100 Jahren in der Nordstadt ansässig ist, sieht riesige Versäumnisse bei der Instandhaltung und Modernisierung der vielen Altbauten. Die machen das Quartier immerhin zum größten zusammenhängenden Gründerzeitviertel in NRW. „Wir, die privaten Vermieter und Unternehmen, aber auch die Stadt haben die Nordstadt in den 70er Jahren alleine gelassen“, so Schmitt.
Damals habe man lieber neue Häuser in den Vororten gebaut, wo es die Arbeiter aus der Nordstadt zu dieser Zeit hinzog: „Die konnten sich nun in Brackel, Scharnhorst oder Wickede schöne Wohnungen leisten.“
Die Lebensbedingungen der verbleibenden Bewohner des Viertels, nun vor allem Zuwanderer aus Italien und der Türkei, hätten lange niemanden gekümmert: „In den 80ern gab es noch eine kleine Modernisierungswelle. Da wurde vielleicht die Toilette aus dem Treppenhaus in die Wohnung verlegt, aber dann ist alles stehen geblieben. Und davon hat sich die Nordstadt nie so richtig erholt.“
Matratzenvermietung als Dystopie für die Dortmunder Nordstadt
Um diesen Rückstand aufzuholen, seien enorme Investitionen nötig. Christian Schmitt stellt dazu eine Rechnung auf. 60.000 Einwohner in der Nordstadt bewohnen im Durchschnitt jeweils 30 Quadratmeter, sagt er: „Wenn wir Wohnungen modernisieren wollen – vernünftiger Standard, kein Luxus –, dann sind wir schnell bei 500 Euro pro Quadratmeter.“ Wolle man dann noch Balkon, Fassade, Dach, Heizung und Keller sanieren, komme man sogar auf 1000 bis 1200 Euro.
Zwischen 900 Millionen und 2,16 Milliarden Euro würde es demnach kosten, jedes Haus und jede Wohnung in der Nordstadt – 1,8 Millionen Quadratmeter – zukunftstauglich zu machen; eine Dimension, sagt Schmitt, die von der Politik nie so richtig gesehen werde: „Eine Milliarde Euro, die müssen da reinfließen, sonst stürzt das Viertel richtig ab!“
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Für diesen Fall zeichnet der Unternehmer ein düsteres Bild: „Dann kriegen wir hier verstärkt Etagenbetten und Matratzenvermietung, mit all den Folgen. Es bleiben dann die Leute, denen egal ist, wie sie wohnen. Die, die einen gewissen Anspruch an sich selbst und an ihr Umfeld haben, verschwinden.“
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Als Ruf nach Subventionen wolle er das aber nicht verstanden wissen, sagt Schmitt. Vielmehr müssten gerade die privaten Vermieter, die in der Nordstadt die Mehrheit bildeten, durch Beratung und Vernetzung verstärkt zum Investieren ermutigt werden.