Hagen. 80 Wochen hat die Bundesagentur für Arbeit gebraucht, um nach der Flut über den Standort in Hagen zu befinden. Jetzt ist die Entscheidung da.
Nach monatelanger Hängepartie rund um die Zukunft des gefluteten Büroturms der Hagener Agentur für Arbeit hat die Zentrale in Nürnberg jetzt zumindest eine Strategie vorgelegt, wie es entlang der Volme mit dem Standort weitergehen könnte: Das Vorstandsressort der Bundesagentur hat entschieden, dass das sanierungsbedürftige, 17-stöckige Hochhaus in den kommenden sechs Monaten auf dem freien Markt zum Verkauf angeboten wird, um mögliche Interessenten-Angebote auszuloten.
Angedacht ist ein Bieterverfahren, bei dem nicht einmal ein Mindestwert angesetzt wird. Parallel dazu soll eine Markterkundung anlaufen, bei der für die neue Behörde eine geeignete Bleibe in einer Bestandsimmobilie gesucht wird. Die Ergebnisse beider Verfahren möchte angesichts des Millionenvolumens der Bundesvorstand dann in einem halben Jahr sichten, bewerten und zu einer Gesamtentscheidung zusammenführen. Damit ist aber auch klar, dass die Zukunft des letzten Wolkenkratzers in der Hagener City auch zwei Jahre nach der Flut vom 14. Juli 2021 noch in den Sternen steht. Sicher scheint nur, dass die Arbeitsagentur nie wieder in den etwa 75 Meter hohen Turm zurückkehren wird.
„Ich bin zunächst einmal froh, dass wir jetzt eine Entscheidung haben“, betont die Hagener Arbeitsagentur-Chefin Katja Heck, die am Donnerstag auch ihre Mitarbeiter informierte. „Zugleich würde es mich freuen, wenn es jemanden gibt, der eine tolle Idee für das bestehende Gebäude oder das Grundstück hat.“ Zugleich macht die Behördenleiterin deutlich, dass jeder Immobilienanbieter willkommen sei, der in der Innenstadt 9000 Quadratmeter Bürofläche mit Parkplätzen und ÖPNV-Anbindung offerieren könne.
Provisorium in Haspe
Zurzeit findet sich das Beratungscenter der Agentur für Arbeit in Haspe an der Berliner Straße in den ehemaligen Räumlichkeiten der Firma Nordwest. Ein Provisorium das – egal wie es an der Körnerstraße weitergeht – sicherlich noch über Jahre Bestand hat.Dieses Domizil mit Bushaltestelle vor der Tür ist die aktuelle Anlaufstelle für Kunden mit Termin für ein Beratungsgespräch. Auf fünf Etagen kann die Behörde dort nach Monaten des Home-Office-Ausweichens und Vagabundierens wieder mit etwa 300 Mitarbeitern den vollen Service anbieten.Für persönliche Arbeitslosmeldungen, Anliegen ohne Termin oder auch für Notfälle ist weiterhin das Kundencenter in der Mariengasse 3 in der Innenstadt die richtige Anlaufstelle. Hier wurde im ehemaligen St.-Marien-Hospital zuletzt eine Onkologische Praxis für die Bedürfnisse der Agentur umgebaut.Das Hagener Jobcenter, das sowohl in dem Hochhausturm als auch in der Dependance am Berliner Platz ebenfalls unter den Folgen des Hochwassers litt, hat derweil neue Räume am Graf-von-Galen-Ring 39 bezogen. Auf sieben Etagen erledigen dort etwa 80 Mitarbeiter das klassische Kundengeschäft. Im Entree werden derweil erste leistungsrechtliche Fragen abgewickelt.In der angrenzenden Immobilie Graf-von-Galen-Ring 47 (zuletzt mit Discothekennutzung) entsteht zurzeit die Jugendberufsagentur, die zurzeit in der Goldbergstraße 13-15 untergebracht ist. Hier wird ein Eröffnungstermin Ende 2023 anvisiert.
Ursprünglich hatte die Bundesagentur den bei der Jahrhundertflut 2021 entstandenen Schaden an dem anthrazitfarbenen Verwaltungsgebäude, der die Silhouette der Hagener Innenstadt seit über vier Jahrzehnten entscheidend mitprägt, noch auf 12,5 Millionen Euro geschätzt. Immerhin hatte die im Sommer 2021 über die Ufer getretene Volme die gesamte Tiefgarage des Gebäudes geflutet und auch Teile des Erdgeschosses in Mitleidenschaft gezogen. Die weitgehend im Untergeschoss installierte Gebäudetechnik wurde dabei ein Opfer von Wasser und Schlamm.
Um das Objekt, das bereits im Vorfeld ohnehin schon unter einem nicht ganz unerheblichen Sanierungsstau litt, wieder zukunftssicher zu sanieren und zu modernisieren, wäre es zudem geboten gewesen, die Technik künftig auf dem Dach des angegliederten Berufsinformationszentrums (BIZ) zu platzieren, so dass der Preis – vorbehaltlich der aktuellen Baukostensteigerungen – absehbar auf 15 Millionen Euro gestiegen wäre.
Kostenschätzungen explodieren
Angesichts der aktuellen Lieferengpässe, des Fachkräfte- und Handwerkermangels sowie der immensen Preisaufschläge in der Branche garniert mit einer galoppierenden Inflation überschlugen sich jedoch immer wieder die internen Schätzungen im Fachbereich für Infrastruktur in der Nürnberger Zentrale. Zuletzt, so ergab sich aus den Gutachten der Fachleute, stand unter der Kostenkalkulation zur zukunftsgerechten Sanierung des Turms der völlig utopische Betrag von 46 Millionen Euro. Utopisch deshalb, weil nach Informationen der Stadtredaktion parallel eine Rechnung auf dem Tisch lag, dass ein Rückbau des Hochhauses – egal ob Abriss oder Sprengung – mit einem maßgeschneiderten Agentur-Neubau an gleicher Stelle für „lediglich“ 26 Millionen zu haben wäre.
Mit Priorität verfolgen die Nürnberger jetzt jedoch zunächst einmal die Idee, einen Käufer für den mächtigen Turm zu finden. Falls dies gelingt, könnte die Agentur für Arbeit für die langfristige Zukunft am Standort Hagen sich einerseits vorstellen, sich in einer den räumlichen Anforderungen entsprechenden Bestandsimmobilie einzumieten. Sollte dies scheitern, gibt es weiterhin die Option, sich einen Investor für einen maßgeschneiderten Neubau (beispielsweise auf der Westside) zu suchen, der dann an die Behörde langfristig untervermietet würde. In jedem Fall ergibt sich aus all diesen Varianten, dass die provisorische Unterbringung der Behörde in Haspe (siehe Infobox) noch für Jahre Bestand haben dürfte.
Stetige Kapriolen der Technik
Der imposante Turm in Hagens Mitte mit einer Gesamtfläche von gut 19.000 Quadratmetern, dessen Grundstein am 14. Februar 1980 gelegt wurde, musste über die Jahrzehnte immer wieder aufwendig dem Standard der Zeit angepasst werden. Schon vor der verheerenden Juli-Flut gab es Wasser- und Frostschäden, aber auch die Unzuverlässigkeit der Aufzüge sowie die Kapriolen der im Turm verbauten Klimatechnik waren immer wieder Stadtgespräch. Zuletzt wurde noch an der Kuppel in luftiger Höhe herumgedoktert, weil Feuchtigkeit über das Dach in das Gebäude eindrang. Diese Arbeiten wurden nie abgeschlossen.