Hagen. Vielen Betrieben in Hagen gelingt es nur mit Mühe, interessierte Auszubildende zu finden. Das Angebot ist gut, das Bewerberfeld übersichtlich.

Ernüchterung dominiert weiterhin die Situation auf dem Ausbildungsmarkt in Hagen. Mit dem Ende des Ausbildungsjahres 2021/22 bilanziert die Arbeitsagentur gemeinsam mit dem Handwerk durchaus frustriert: Trotz bester Chancen gibt es weiterhin zu wenige Bewerber.

22,5 Prozent der Betriebe bilden aus

Der Anteil der Betriebe mit mindestens einer Auszubildenden oder einem Auszubildendem liegt in Hagen bei 22,5 Prozent und somit leicht über dem NRW-Schnitt von 21,5 Prozent.

27,5 Prozent aller Ausbildungsverträge werden aus den unterschiedlichsten Gründen vorzeitig aufgelöst. Den größten Anteil verzeichnet mit 33,9 Prozent das Handwerk gefolgt von den Freien Berufen (32,2 %), Industrie und Handel (25,2 %), Landwirtschaft (19,4) und öffentlichem Dienst (6,9 %).


Mit 1909 Bewerbern wurde im Jahr 2022 das niedrigste Niveau der vergangenen Jahrzehnte erreicht. Dem steht mit 1514 Ausbildungsstellen (+18,9 %) im langjährigen Vergleich ein Höchststand gegenüber. Die Angebotsquote (Relation Stellen/Bewerber) liegt somit mit 0,79 Prozent so hoch wie schon lange nicht mehr. 159 unversorgten Bewerbern stehen aktuell noch 135 unbesetzte Ausbildungsstellen gegenüber.


Mit dieser Angebotsquote (0,79 %) bewegt sich Hagen im Verglich der Ruhrgebietsstädte (Gesamtschnitt: 0,91 %) eher im unteren Drittel. Schlechter ist die Situation nur noch in Herne (0,66 %) und Gelsenkirchen (0,65 %). Davor bewegen sich Mülheim (1,13 %), Bochum (1,12 %), Ennepe-Ruhr-Kreis (1,07 %), Dortmund (1,06 %), Unna (0,98 %), Duisburg (0,94 %), Hamm (0,94 %), Oberhausen (0,89 %), Essen (0,88 %), Bottrop (0,85 %) und Recklinghausen (0,81 %).


1175 Ausbildungsinteressierte (61,6 %) sind männlich, 724 (38,4 %) weiblich. Damit liegt das Verhältnis weiterhin fast bei zwei Dritteln zu einem Drittel. Die Frauenquote ist damit immerhin 1,4 Prozent höher als im Vorjahr.


2055 Mädchen und Jungen haben nach dem Schuljahr 2020/21 die allgemeinbildenden Schulen verlassen. Der Anteil der Schulabgänger mit Berechtigung zum Hochschulzugang lag bei 43,8 Prozent und somit lediglich 2,1 Prozent niedriger als im Vorjahr.

„Das Ausbildungsinteresse von Jugendlichen hat nunmehr zwei Jahre in Folge das Vor-Corona-Niveau bei weitem nicht wieder erreicht, denn Ausbildung wird trotz des vielfältigen Angebots bei Jugendlichen vielfach nicht als attraktiv genug angesehen“, muss Katja Heck, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit in Hagen feststellen. Dabei habe die Bereitschaft der Unternehmen, dem Nachwuchs eine Ausbildungschance zu bieten, weiter zugenommen, weil die Fachkräfteproblematik allerorten drücke: „Der Trend weg vom Stellen- und hin zum Bewerbermarkt hat sich fortgesetzt. Viele Jugendliche, die keine Ausbildung aufnehmen, haben sich trotz besserer Chancen als je zuvor sehr früh gegen eine qualifizierte Berufsausbildung und für Alternativen wie weitere Schulbesuche entschieden.“

Sebastian Baranowski, Geschäftsführer der heimischen Kreishandwerkerschaft, spricht gar von einem „Akademisierungswahn“. Nur acht Prozent des Nachwuchses würden sich für eine handwerkliche Ausbildung entscheiden – hinzu komme hier eine Abbrecherquote von etwa einem Drittel: „Das liegt einfach daran, dass es in den Schulen kaum noch Berührungspunkte mit dem Handwerk gibt.“

Katja Heck ist Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit in Hagen.
Katja Heck ist Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit in Hagen. © WP | Michael Kleinrensing

„Die Berufsorientierung als Pflichtfach wird kommen“, unterstreicht Heck die Notwendigkeit, viel offensiver das Interesse an einer dualen Ausbildung bereits in den Schulen zu bewerben. Gleichzeitig nimmt sie die Arbeitgeber in die Pflicht, mit niederschwelligen Angeboten – allen voran Praktika und Ausbildungsmessen – sich beim Nachwuchs zu bewerben. „Wer feststellt, dass man willkommen ist, verliert die Hemmung und die Distanz, die viele der zum Teil noch sehr jungen Menschen haben und entscheidet sich eher für die Ausbildung – und wird so zu dem potenziellen Nachwuchs, der dringend gebraucht wird.“

„Wir müssen aber auch an die Eltern ran“, plädiert Baranowski dafür, die Ausbildungsthematik als Familienaufgabe zu betrachten: „Das Leben eines Kindes wird nicht zerstört, wenn man zur Ausbildung statt zum Abitur rät – auch danach stehen noch alle Türen offen.“ Zugleich fragt sich der Kreishandwerksgeschäftsführer, warum nur 14 Prozent der jungen Frauen den Weg in eines der Gewerke finden. „Wir müssen uns da attraktiver machen“, weiß der Vertreter der Zünfte, dass auch auf diesem Terrain in den Betrieben dringend ein Umdenkungsprozess einsetzen müsse, der weit über die aktuell gern zitierte Work-Life-Balance- und Goody-Kultur hinaus gehe.

Sebastian Baranowski ist Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft in Hagen.
Sebastian Baranowski ist Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft in Hagen. © WP | Michael Kleinrensing

„Die Bemühungen aller Partner am Ausbildungsmarkt mit vielen zusätzlichen Formaten und Projekten – gerade auch aufgrund der zuvor pandemiebedingt eingeschränkten beruflichen Orientierung – konnten bisher nicht erreichen, dass sich die Zahl der Übergänge in Ausbildung direkt nach dem Schulbesuch deutlich erhöht“, hat Katja Heck ebenfalls keine schnellen Lösungen parat, drückt aber zugleich aufs Tempo: „Für ausbildende Unternehmen gilt heute mehr denn je, dass der Nachwuchs, der jetzt nicht ausgebildet wird, bereits in naher Zukunft fehlen wird.“

Breite Karrierechancen

Dabei macht Baranowski keinen Hehl daraus, dass es im Handwerk „in den nächsten Jahren noch mächtig im Gebälk knacken“ werde. Angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen würden die vollen Auftragsbücher sich bald leeren, zahlreiche Betriebe und damit auch Ausbilder wegbrechen und sogar Entlassungen drohen. Doch am vielzitierten goldenen Boden des Handwerks und den vielfältigen Karrierechancen würde dies grundsätzlich nichts ändern.

Jugendliche, die in Hagen eine Ausbildung suchen, können sich bei der Berufsberatung melden: Telefon 0800/4555500 oder 02331/202450. Arbeitgeber können freie Ausbildungsplätze wiederum unter 0800/4555520 durchgeben.